Thomas ErndlCDU/CSU - Auswärtiges Amt
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich durfte vor zwei Wochen mit zwei weiteren Abgeordneten dieses Hauses am ukrainischen Unabhängigkeitstag zu Gast im ukrainischen Parlament sein. Das war eine emotionale und ergreifende Sitzung. Man spürte Dankbarkeit für dieses Zeichen der Solidarität, dass Abgeordnete aus ganz Europa nach Kiew gekommen sind. Man spürte Stolz auf das, was die Ukraine in den letzten 32 Jahren als eigenständiger Staat erreicht hat. Vor allem aber spürte man auch die Entschlossenheit, dass diese freiheitliche und demokratische Ukraine ihnen niemand mehr nehmen wird und dass die Ukrainerinnen und Ukrainer ihr Land verteidigen werden. Bei all den aggressiven Aussagen der russischen Führung wird auch klar: Die Ukrainer verteidigen auch Europa, auch uns. Wenn Russland mit diesem brutalen Angriffskrieg erfolgreich ist, dann leben wir in einem anderen Europa, in einer anderen Welt, und das können und dürfen wir nicht zulassen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, Freiheit – unsere Grundpfeiler – werden nicht überall auf der Welt auf gleiche Weise geschätzt. Leider sind viele Länder abwartend – Herr Kollege Trittin hat es beschrieben – und orientieren sich möglicherweise am Schluss einfach an den Stärkeren oder bauen antiwestliche Bündnisse wie BRICS aus. Das kann uns nicht gefallen, meine Damen und Herren.
Aber wer hat denn die Kraft, sich so einer Entwicklung entgegenzustellen? Das sind die mit den starken Schultern. Das sind eben auch wir. Und in einer Zeit, in der uns die Welt um die Ohren zu fliegen scheint, ist der Haushalt des Auswärtigen Amtes der, der am drittstärksten gekürzt werden soll. Das kann man auch nicht schönreden mit dem Argument „Vorkrisenniveau“. Das ist schlussendlich Fakt. Das ist das völlig falsche Signal, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Marcus Faber [FDP]: Und wo würden Sie sparen?)
Das kann letztendlich auch nicht unser Anspruch sein. Und es ist schade, dass die Außenministerin in den Haushaltsverhandlungen hier nicht mehr Gewicht einbringen konnte; denn bei diesen Beträgen geht es nicht um die Einhaltung der Schuldenbremse, sondern einfach nur um Prioritätensetzung.
(Zuruf der Abg. Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Wenn Sie, Frau Außenministerin, Ihre Rede schon mit dem russischen Angriffskrieg beginnen und eindrücklich diese grauenhaften Dinge schildern, dann muss man feststellen: Die Erwartungen – die habe auch ich in der Ukraine spüren können – sind einfach sehr, sehr groß. Ich glaube, dass wir hier noch mehr Entschlossenheit zeigen können. Denn dass wir jetzt wieder bei einzelnen Waffensystemen wie Taurus zögern, versteht dort wirklich niemand.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wichtig ist jetzt: Wir müssen ein verlässlicher Partner sein. Wir müssen auch Entschlossenheit zeigen: bei der Munitionsbeschaffung, bei Ersatzteilen, bei Verschleißteilen. Ich glaube, dass wir da noch ein stärkeres Bild abgeben können. Wir brauchen einen klaren Pfad der maximalen militärischen Unterstützung. Das ist übrigens auch die Grundlage für Verhandlungen aus einer Position der Stärke. Wer meint, man sollte Waffenlieferungen einstellen, liefert die Ukraine ans Messer des russischen Kriegsverbrechers und sonst nichts.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Marcus Faber [FDP])
Es ist richtig: Wir müssen neue Allianzen schmieden. Wir müssen unsere Partnerschaften stärken, sei es für Rohstoffe, Handel oder auch den Kampf gegen den Klimawandel. Es gibt viele Länder, die uns sehr zugewandt sind. Wir müssen dieses Potenzial endlich noch stärker nutzen.
Deutschland als verlässlicher Partner und neue Allianzen: Ich glaube, dass wir in diesen Zeiten dafür unsere Präsenz in der Welt stärken müssen und eben nicht zurückfahren dürfen, und das sowohl diplomatisch als auch bei der zivilgesellschaftlichen Zusammenarbeit.
Wir reden von Fachkräften und kürzen ausgerechnet da, wo diese für die Zukunft auch qualifiziert werden, nämlich beim Studentenaustausch, bei den Auslandsschulen. Einige Kolleginnen und Kollegen haben das in ihren Reden angesprochen, aber die Realität, der Haushaltsentwurf schwarz auf weiß, sieht eben leider anders aus. Dabei sind wir in Zeiten von wachsender Propaganda und Desinformation auf jeden Einzelnen angewiesen, der sich für unser Land interessiert, der unsere Sprache lernen möchte oder unser Land noch genauer verstehen möchte; aber hier wird leider der Rotstift angesetzt. Das kann nicht so bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nationale Sicherheitsstrategie. Weder im Auswärtigen Amt noch im BMVg ist ein einziger Euro zusätzlich für die Umsetzung sichtbar. In Zeiten globaler Krisen leisten wir uns eine Mittelkürzung auch im Bereich der Stabilisierungsmittel, die gerade zur Krisenvermeidung dienen; das kann niemand wollen.
Der Etat zeigt vor allem eins: Die groß angekündigte Zeitenwende bleibt aus. Da ist noch viel Nacharbeit notwendig. Wir werden da gerne unterstützen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Jetzt hat die Kollegin Aydan Özoğuz das Wort für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7556872 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 118 |
Tagesordnungspunkt | Auswärtiges Amt |