Katrin Göring-Eckardt - Gesundheit
Frau Präsidentin! Herr Bundesminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einem Dank an all diejenigen beginnen, die im Gesundheitswesen, in der Pflege tätig sind, die auch in diesen Stunden für uns ihren Kopf hinhalten. Das muss man am Anfang einer solchen Debatte tun. Herzlichen Dank für diese großartigen Leistungen!
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD])
Einige der Redebeiträge haben mich allerdings mehr an ein Zitat von Andrea Nahles, die ich sehr schätze, aus „Pippi Langstrumpf“ erinnert, das sie irgendwann einmal hier im Hohen Haus gesungen hat – ich werde das heute nicht tun –:
(Tino Sorge [CDU/CSU]: Schade!)
Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. – Ich habe irgendwie das Gefühl: Die Realität ist hier noch nicht richtig angekommen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir stehen vor den größten Herausforderungen in unserem Gesundheitswesen.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Genau! – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Darin besteht Einigkeit!)
Da können wir nicht einfach sagen: Der Haushalt ist halt jetzt gekürzt worden, weil die Pandemie vorbei ist. – Wir müssen diese Herausforderungen annehmen, meine Damen und Herren.
(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ja, das machen wir!)
Was Sie hier machen, ist im wahrsten Sinne Schönfärberei.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Blödsinn!)
Ich will das an einigen Themen festmachen. Wir alle stehen zu einer Krankenhausreform.
(Beifall der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ihr doch nicht! Ihr blockiert!)
Wir wollen sie, und wir tragen sie auch mit; das ist nicht das Thema.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Doch, das ist das Thema!)
Wir wollen, dass die Medizin anders finanziert wird, dass die DRGs, die Karl Lauterbach vor 20 Jahren eingeführt hat, jetzt revidiert werden, dass Vorhaltekosten gedeckt werden. Das ist doch nicht das Thema.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber wir wollen auch, dass auf dem Land die gleiche Versorgung stattfindet wie in den Metropolen, meine Damen und Herren,
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD)
und wir werden keiner Reform zustimmen, die die ländlichen Räume ausbluten lässt.
Sie machen das an anderer Stelle auch: Sie kürzen die Mittel für die ländlichen Räume um 300 Millionen Euro. Bei den Krankenhäusern lassen Sie die Menschen im Regen stehen, meine Damen und Herren. Das werden wir nicht zulassen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Was für ein Schwachsinn! Blödsinn!)
– Doch! Schauen Sie sich doch die Realität an!
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Alle CDUler machen doch mit! – Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Erzählen Sie doch nicht so ein dummes Zeug! – Heike Engelhardt [SPD]: Das ist doch kein Wahlkampfthema! – Abg. Martina Stamm-Fibich [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
Die Eckpunkte zeigen bis heute nicht, was die Folgen dieser Krankenhausreform sind. Ich habe damals gesagt: Wir brauchen eine Auswirkungsanalyse. – Die liegt uns bis heute nicht vor, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Holetschek, es gibt den Wunsch nach einer Zwischenfrage aus der SPD-Fraktion. Möchten Sie sie zulassen?
Ja, gerne.
Bitte schön, Frau Kollegin.
(Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Da sind wir anders! – Gegenruf der Abg. Claudia Moll [SPD]: Ja, klar! – Gegenruf des Abg. Hubert Hüppe [CDU/CSU]: Wir lassen Fragen zu! Das unterscheidet uns!)
Sehr geehrter Herr Staatsminister Holetschek, Sie haben gerade gesagt, Sie tragen eine Krankenhausreform mit. Wir beide und alle, die sich in Bayern ein wenig auskennen, wissen, dass sie bitter nötig ist.
Jetzt kann man natürlich Ihr Nein als wahltaktisch begründet hinnehmen; aber es bleibt an Ihnen, zu sagen, welche Häuser in Bayern wichtig und notwendig sind.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Andrew Ullmann [FDP]: So ist es! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ganz genau!)
Dazu braucht es auch Mut. Aber zu sagen, wir ließen per se den ländlichen Raum ausbluten, ist einfach falsch.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Emmi Zeulner [CDU/CSU]: Nein, das stimmt nicht! Das ist sehr richtig!)
Es ist so: Sie können mit mir und vielen anderen hier zusammen dafür sorgen, dass es im ländlichen Raum eben nicht zu dem kommt, was Sie beschrieben haben. Es liegt in Ihrer Hand – und ich denke mal, ohne zu weit vorauszusehen, es wird auch in Ihrer Hand bleiben –, dafür zu sorgen, dass der ländliche Raum nicht ausblutet.
Danke.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Liebe Frau Kollegin, nehmen Sie zur Kenntnis: Wir haben – auch wenn der Herr Klein das nicht wahrhaben will – 643 Millionen Euro im Investbereich für unsere Krankenhäuser eingestellt. Wir stocken auf 1 Milliarde Euro auf.
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist für Bayern nichts! Das ist nicht mal die Hälfte der Krankenhausinvestitionen, die in Bayern notwendig wären pro Jahr!)
Wir setzen 100 Millionen Euro aus dem Härtefallfonds ein. Wir geben jetzt jedes Jahr 20 Millionen Euro für den Strukturwandel der kleinen Krankenhäuser aus. Sie haben die Verantwortung für die Betriebskostenfinanzierung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Emmi Zeulner [CDU/CSU]: So ist es!)
Ihr Minister zuckt mit den Schultern, wenn es darum geht, jetzt die Häuser zu stabilisieren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Genau das machen wir! Alle Bundesländer, bis auf Bayern!)
Wir werden einen kalten Strukturwandel erleben, und für den sind Sie verantwortlich und nicht wir, meine Damen und Herren. Das ist die Wahrheit und nichts anderes!
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Peinliche Wahlkampfrede!)
Sie werden jetzt sehen, was Sie mit dem Transparenzgesetz erst an Bürokratie anrichten. Wir haben gestern gemeinsam mit dem Medizinischen Dienst und anderen die Ergebnisse eines Modellprojekts in Bayern vorgestellt, das zeigt, wie Bürokratie abgebaut werden kann, was die Krankenhäuser angeht.
(Heike Baehrens [SPD]: Oh! – Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ja, Modellprojekt!)
Sie werden Bürokratie aufbauen. Es ist respektlos gegenüber den kleinen Häusern und den Menschen, die dort arbeiten, was Sie hier machen. Es ist respektlos!
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was Sie hier machen, ist Wahlkampf und nichts anderes!)
Sie haben im Wahlkampf mal mit dem Wort „Respekt“ geworben. Wo ist der geblieben gegenüber denen, die draußen im Land ihren Dienst tun?
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo ist Ihr Respekt vor der Ehrlichkeit gegenüber den Wählerinnen und Wählern und den Patientinnen und Patienten in diesem Land, die eine Krankenhausreform brauchen, die zukunftsfest ist?)
Ich kann den nicht mehr sehen.
(Beifall der Abg. Emmi Zeulner [CDU/CSU])
Ich will auch zu anderen Themen noch etwas sagen. Die größte Herausforderung ist das Thema Pflege. Das Thema Pflege wird zur Schicksalsfrage der Generationen in allen Bereichen. Und wenn der Bundeskanzler von einem Pakt für Deutschland spricht, dann biete ich Ihnen einen Pakt für die Pflege an.
(Zuruf von der SPD: Gibt es schon! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was hat die CDU 16 Jahre lang gemacht?)
Wir müssen alles dafür tun, die Arbeitsbedingungen zu verbessern, zum Beispiel über Springerpools, und Leiharbeit zurückzudrängen.
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben wir alles gemacht!)
Unsere Bundesratsinitiative liegt auf dem Tisch, meine Damen und Herren. Wir müssen Gehaltsstrukturen verbessern, wir brauchen steuerfreie Bestandteile für die Pflegekräfte und bezahlbaren Wohnraum – alles Dinge, die wir tun müssen.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ja, macht doch!)
Wenn wir Krankenhäuser bauen, aber keiner mehr dort arbeitet oder wenn pflegende Angehörige niemanden mehr finden, der sie unterstützt, dann ist alles das, über das wir jetzt hier reden, Makulatur, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Deswegen Reform und nicht Festhalten an alten Strukturen!)
Die Frage der Pflege ist die zentrale Frage, und die wird auch mit der Krankenhausreform nicht beantwortet. Die muss vorher beantwortet werden. Wir sind es denen, für die wir damals geklatscht haben, auch schuldig, dass wir diese Dinge jetzt tun.
Auch bei der Pflegereform sieht man: Sie fahren die sozialen Sicherungssysteme mit Vollgas an die Wand.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Blödsinn!)
Die Menschen draußen haben Angst: Was passiert in ein paar Jahren? Der demografische Wandel steht vor der Tür. Wir wissen doch, was kommt.
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist Ihr Vorschlag? – Zuruf der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie zucken mit den Schultern, und die FDP sagt, es werde keine Reform mehr im sozialen Bereich geben, wenn ich Ihren Generalsekretär richtig verstanden habe.
(Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist Ihr Vorschlag? – Kai Gehring [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was ist denn Ihr Vorschlag?)
Das kann ja alles nicht sein.
Also: Die GKV ist unterfinanziert. Das Finanzstabilisierungsgesetz hat nichts gebracht in dem Sinne, dass wir wirklich eine Strukturreform hingekriegt hätten. Wo ist die Initiative zur Eindämmung investorenbetriebener MVZ?
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die steckt im Versorgungsgesetz! Daher wird sie auch kommen!)
Wir haben eine Bundesratsinitiative eingebracht. Wenn es wirklich ernst gemeint ist, dass es bei der Versorgung nicht um Rendite gehen darf, sondern um die Menschen gehen muss, dann muss jetzt ein Gesetzentwurf gegen investorenbetriebene MVZ kommen, meine Damen und Herren. Das ist ein Einfallstor, jedes Jahr und jeden Tag. Dort besteht Bestandsschutz. Mit jedem Tag entstehen dort Dinge, die nach der Rendite gesteuert werden und nicht mehr nach den Bedürfnissen der Menschen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nehmen Sie auch die Ärztinnen und Ärzte mit! Ändern Sie endlich die GOÄ! Das ist schon lange überfällig. Sie können es jetzt relativ einfach tun.
Zum Medikamentenmangel. Darüber müssen wir reden. Da gehören alle an den Tisch. Ich verstehe nicht, warum der Bundesminister immer sagt, ein solcher Gipfel bringe nichts, da komme nichts raus. Es geht nur miteinander.
(Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau! Es geht nur miteinander!)
Wir werden im Herbst vor einer schwierigen Lage stehen, und deswegen dürfen wir nicht nur Briefe an den Großhandel schreiben und ihn auffordern, was er bevorraten soll. Der Großhandel nämlich sagt: Wir haben gar keine Medikamente, die wir bevorraten können, weil sie nicht verfügbar sind. – Vielmehr müssen wir uns alle an einen Tisch setzen und beratschlagen, wie wir diese Situation gut in den Griff kriegen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Diese Runden haben noch nie was gebracht!)
Das irrsinnigste Projekt – dabei bleibe ich – ist die Legalisierung von Cannabis, meine Damen und Herren. Das ist das irrsinnigste Projekt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Jawoll! – Emmi Zeulner [CDU/CSU]: So ist es! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Ach Quatsch!)
Bar jeder Realität – so sagen es auch die Kinder- und Jugendpsychologen –, bar jedes Expertenrates bringen Sie etwas auf den Weg, was gefährlich ist, was dazu führt, dass wir mehr Psychosen haben werden, was dazu führt, dass die Kriminalität nicht eingedämmt wird, was im Vollzug überhaupt nicht machbar ist. Ich glaube auch, dass Karl Lauterbach es eigentlich nicht umsetzen will, weil er sich als Bundesgesundheitsminister seiner Verantwortung bewusst ist. Das zeigt auch seine Kampagne, auch wenn man sie nicht versteht. Aber ich verstehe ihn, wenn er davor warnt, was Cannabis für Schäden auslösen kann. Wir wollen das nicht. Wir werden in Bayern alles tun, damit es in diesem Bereich keine Drogen in Bayern gibt.
(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der SPD: Irrsinn! Das ist ein Beitrag zum Gesundheitsschutz! – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Aber ihr sauft euch auf dem Oktoberfest ins Koma! Das ist doch lächerlich! – Maria Klein-Schmeink [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das entbehrt jeglicher Realität!)
– Schauen Sie: Stellen Sie halt eine Frage, und rufen Sie nicht rein! – Wir wollen keine zusätzlichen Drogen. Wir wollen kein Cannabis in unserem Land, meine Damen und Herren.
(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: So ist es!)
Die Herausforderungen liegen woanders: in der Pflege und bei den Medikamenten, aber nicht bei Drogen.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU – Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Das war Trick 17! Keine Drogen in Bayern, der war echt gut!)
Jetzt hat die Kollegin Maria Klein-Schmeink das Wort für Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7556982 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 119 |
Tagesordnungspunkt | Gesundheit |