Elisabeth Winkelmeier-BeckerCDU/CSU - Justiz
Frau Präsidentin! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben Halbzeit in dieser Legislaturperiode. Herr Minister, Sie haben einige neue Projekte angekündigt. Aber wenn man Halbzeitbilanz zieht, dann zeigt sich: Die sieht recht mau aus. So vieles ist noch nicht auf den Weg gebracht worden. Wir haben sogar, wie wir alle wissen und erlebt haben, Ausschusssitzungen ohne jede federführende Vorlage aus der Ampelkoalition gehabt. Ich muss sagen, das ist in meiner Laufbahn hier im Hause ein Novum. Das habe ich noch nicht erlebt, dass im Rechtsausschuss keine eigene Rechtspolitik der Koalition gemacht wurde.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zur Halbzeitbilanz kommt auch Kritik aus der EU-Kommission. Die sieht nämlich in ihrem aktuellen Rechtsstaatlichkeitsbericht in Deutschland Handlungsbedarf. Kritisiert wird, dass es in Deutschland keine weiteren Fortschritte gegeben hat, um für die Justiz genügend Ressourcen bereitzustellen. Es geht um personelle Ressourcen, es geht im Übrigen auch um Besoldung, und es geht auch etwa um IT-Ausstattung. Natürlich weiß ich, dass es da auch eine Verantwortlichkeit der Länder gibt. Aber der Anlass, heute hier auch darüber zu sprechen, ist der Pakt für den Rechtsstaat, den wir in der letzten Legislaturperiode mit den Ländern aufgelegt haben. Sie hatten sich im Koalitionsvertrag vorgenommen, diesen Pakt für den Rechtsstaat fortzusetzen, ihn sogar um einen Digitalpakt zu ergänzen. Aber da haben Sie bisher nicht geliefert, da haben Sie abreißen lassen. Das ist enttäuschend, und das wird zu Recht kritisiert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Ausstattung der Justiz ist ein generelles Problem. Ich möchte deshalb über einen Vorschlag berichten, der mir auf dem Richtertag in Weimar unterbreitet worden ist; der Minister wird sich an den Richtertag erinnern. Dass wir über den Haushalt der Justiz entscheiden, wird vielleicht nicht der Tatsache gerecht, dass die Justiz dritte Staatsgewalt ist, auf Augenhöhe mit Parlament und Regierung. Es passt eigentlich nicht, dass es von den Prioritäten der jeweiligen Justizminister und Finanzminister abhängt, wie der Justizhaushalt aussieht. Wir sollten mal gemeinsam darüber nachdenken, wie wir es ermöglichen können, dass die Justiz selber ihren Haushalt im Parlament als Haushaltsgesetzgeber vorstellt und verteidigt. Das könnte auch ein Beitrag dazu sein, andere Prioritäten zu setzen.
Nun haben wir begrenzte Ressourcen. Da muss man umso mehr darauf achten, dass damit auch gut umgegangen wird. Wir sollten zum Beispiel eine geplante Videodokumentation, die sehr viele Ressourcen kosten wird – das sagen alle, die in der Praxis damit konfrontiert werden sollen –, wir sollten vor allem aber auch die Massenverfahren noch einmal in den Blick nehmen. Hier brauchen wir wirklich Änderungen und Hilfe. Bei diesen Verfahren, in denen es häufig um Fluggastrechte, Kapitalanlagerechte, Verbraucherschutzrechte geht, wo die Rechts- und Beweislage sehr vergleichbar ist, brauchen wir doch Reformen. Beim Amtsgericht Köln hatten wir in diesem Jahr schon etwa 20 000 Verfahren zu Fluggastrechten; das sind etwa zwei Drittel der Verfahren in der Zivilabteilung.
Wir haben dazu als Union bereits einen Antrag eingebracht, der auch schon debattiert worden ist. Sie, Herr Minister, wenn Sie noch da wären – –
Er ist nur kurz seiner Verpflichtung als Abgeordneter nachgekommen, zu wählen.
Dafür habe ich Verständnis. – Sein Vorschlag erkennt zwar den Bedarf an; aber er geht in den Lösungen wirklich nicht weit genug. Es reicht nicht, wenn sich erst der BGH in der Revisionsinstanz ein Verfahren aussuchen soll, das er dann als Leitentscheidung weiterführt, sondern es muss weitere Maßnahmen geben. Unter anderem schlagen wir vor, dass man schon aus der ersten Instanz heraus ein solches Pilotverfahren, eine Vorabentscheidung, einholen können soll. Wir wollen, dass man einen strukturierten Vortrag verlangen können soll und dass die Rechts- und Beweisfragen auch schnell für die anderen Verfahren nutzbar gemacht werden können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Verfahren müssen dann auch ohne Zustimmung der Parteien ausgesetzt werden können. Da gibt es noch viele Ideen, die Sie aufgreifen können.
Ganz kurz möchte ich noch ein weiteres Thema ansprechen, und zwar hat Ministerin Paus angekündigt, dass sie § 218 StGB streichen möchte. Die Ampel hat dazu eine ziemlich freihändig und ohne Beteiligung der Gesellschaft zusammengesetzte Kommission gebildet und ihr gleich das gewünschte Ergebnis vorgegeben. Ich appelliere wirklich nachdrücklich an Sie, hier nicht ohne Grund nach der Aufhebung des Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche den gesellschaftlichen Kompromiss, den wir haben und der sich in einer guten und praktikablen Lösung widerspiegelt, –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– aufzukündigen. Halten wir an dieser guten, akzeptierten Lösung fest! Machen wir nicht die gleichen Fehler wie zum Beispiel die USA oder Polen, wo genau dieser Zwist geradezu ein Grund für einen großen Kulturkampf ist.
(Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Genau!)
Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.
Wir wollen hier an unserer Lösung festhalten.
Ich danke für die Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Maximilian Mordhorst [FDP])
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7557008 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 119 |
Tagesordnungspunkt | Justiz |