Steffen BilgerCDU/CSU - Ernährung und Landwirtschaft
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Bundesminister Özdemir, ich bin jetzt ein bisschen ratlos nach Ihrer Rede; denn daraus spricht ja doch viel Frustration, wenn man so stark die Opposition kritisieren und auf die Vergangenheit verweisen muss und Ihnen ansonsten nur wenige eigene Vorschläge in dieser herausfordernden Situation einfallen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie haben nicht zugehört, offenbar!)
Sie haben auch auf Unsicherheiten hingewiesen. Natürlich – das wissen wir doch alle – gibt es gerade sehr viel Verunsicherung im Bereich der Landwirtschaft. Aber dann ist doch umso wichtiger, dass auf der anderen Seite die Politik Verlässlichkeit bietet, wo immer es in ihrer Macht steht. Genau das, Herr Minister Özdemir, leisten Sie durch Ihr konkretes Handeln nicht, sondern genau das Gegenteil: Sie sorgen für zusätzliche Verunsicherung. Das belegt der Haushaltsentwurf für 2024 eindrucksvoll.
(Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Uijuijui!)
Sie reden von den großen Herausforderungen, die der Klimawandel bedeutet, schauen aber gleichzeitig zu, wie die sogenannten GAK-Mittel – Sie haben es angesprochen – für die Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes zusammengestrichen werden. Da geht es wirklich um harte Einschnitte, und zwar gerade für all das, wofür Sie sonst ja eigentlich immer so wortreich eintreten, nämlich für den Ökolandbau, für den Waldschutz, für die Klimaanpassung, für die nachhaltige ländliche Entwicklung. Sie machen sich Sorgen um den Zusammenhalt in unserem Land und kürzen ausgerechnet die Fördermittel für die ländlichen Regionen? Das passt nicht zusammen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir sind auch etwas verwirrt über Ihre Ausführungen zur Kürzung bei den GAK-Mitteln; denn beim Bauerntag Ende Juni haben Sie ja noch gesagt, dass bei den GAK-Mitteln von rund 1,1 Milliarden Euro statt knapp 300 Millionen Euro nur 150 Millionen Euro gestrichen würden. Ich weiß jetzt nicht, ob das so zu verstehen war, dass es eigentlich um eine noch größere Kürzung hätte gehen sollen. Stand jetzt ist aber nichts erreicht; es bleibt bei knapp 300 Millionen Euro Kürzungen. Einmal mehr große Ankündigungen, und am Ende bleiben Verunsicherung und Frustration bei allen Beteiligten.
(Beifall bei der CDU/CSU – Frank Schäffler [FDP]: Das ist doch Quatsch!)
Stichwort „Frustration und Enttäuschung“: Ich habe Verständnis dafür, dass das Kompetenznetzwerk Nutztierhaltung seine Arbeit eingestellt hat. Wer mag es den Mitgliedern verdenken, dass sie sich nicht länger bei der Sicherung einer soliden Finanzierung des Stallumbaus für mehr Tierwohl vertrösten lassen wollen, gerade wenn dem Minister nichts anderes einfällt, als nach zwei Jahren im Amt einfach die Schuld in der Vergangenheit zu suchen?
(Frank Schäffler [FDP]: 16 Jahre!)
Bis 2026 – das ist jetzt einfach eine Tatsache – steht dafür genau 1 Milliarde Euro zur Verfügung – viel zu wenig. Ihre Ankündigung von gerade eben, zu liefern, ist nicht glaubwürdig nach den Erfahrungen, die wir bisher gemacht haben.
(Beifall bei der CDU/CSU – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Bei allem mehr Geld ausgeben! Wo nehmen Sie es denn her?)
Ich will mal daran erinnern: Noch im Mai hieß es, die Koalition habe sich auf ein Finanzierungskonzept geeinigt. Bis heute liegt uns nichts vor.
(Frank Schäffler [FDP]: 16 Jahre, sage ich nur!)
Ich will Ihnen aber auch sagen: Wenn Sie die nötigen Mittel für den Stallumbau bereitstellen, dann werden Sie uns an Ihrer Seite haben. Wir stehen weiterhin zur wertvollen Arbeit der Borchert-Kommission und wollen uns nicht damit abfinden, dass die ganzen Bemühungen nun einfach erledigt sein sollen.
(Dr. Sebastian Schäfer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr habt es halt nur nicht umgesetzt! – Harald Ebner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sind sie auch nicht! Die werden umgesetzt!)
Da sind Sie von den Ampelfraktionen gefordert – ich bin mal gespannt –, wenn dieses wichtige Projekt offensichtlich in der Bundesregierung keine Priorität hat. Beweisen Sie, dass Sie dieses Thema wirklich ernstnehmen – jetzt, in den Haushaltsberatungen in den kommenden Wochen!
(Susanne Mittag [SPD]: Das sagt der Richtige!)
Sie sind in den Haushaltsberatungen aber auch in anderen Bereichen gefordert, liebe Ampelkoalitionäre. Kürzlich erreichte uns ein Hilferuf des Deutschen Tierschutzbunds. Die Tierheime sind am Limit. Im Koalitionsvertrag haben Sie Unterstützung versprochen. Und die Umsetzung? Fehlanzeige! Stattdessen haben Sie mit der Tierschutzbeauftragten die 49. Beauftragte dieser Bundesregierung berufen, Besoldungsstufe B 6. Ganz aktuell suchen Sie via Stellenausschreibung noch einen Social-Media-Experten oder eine Social-Media-Expertin zur Unterstützung der Tierschutzbeauftragten. Vor Ort brennt die Hütte, und Sie kümmern sich um schöne Bilder in den sozialen Medien.
(Beifall bei der CDU/CSU – Gabriele Katzmarek [SPD]: Das war aber jetzt billig, Herr Kollege!)
Ein Doppelspiel, um es mal freundlich zu sagen, betreibt diese Bundesregierung, wenn sie in Europa agiert. Daheim verspricht sie allerhand, was sie dann in Brüssel hintertreibt. Beispiel Pflanzenschutz. Von den EU-Verbotsplänen wären 30 Prozent unserer Rebflächen in Deutschland betroffen. Den deutschen Winzern versichert der zuständige Minister, sie sollten sich keine Sorgen machen; die Gebietskulisse für pauschale Verbote werde erheblich reduziert und so nicht kommen. Und wenn dann im Rat verhandelt wird und der Minister mal anwesend ist, gibt es aus Deutschland aber grundsätzliche Zustimmung zu den Plänen. Der deutsche Minister drückt aufs Tempo, wobei er explizit anderer Meinung ist als seine Kollegen aus anderen Weinbaunationen, die sich schützend vor den Weinbau stellen.
Dann kommt es aber auch vor, dass sich die EU-Landwirtschaftsminister treffen, wie am Dienstag in Cordoba, und Deutschland weder durch den Minister noch durch einen seiner drei Staatssekretäre vertreten ist.
(Zurufe von der CDU/CSU: Peinlich! – Stephan Protschka [AfD]: Hört! Hört!)
Sieht so Einsatz für deutsche Interessen auf europäischer Ebene aus?
Meine Damen und Herren, richtig leidenschaftlich wird es bei Minister Özdemir immer beim Thema Ernährung. Da begründet er seine Werbeverbote für Lebensmittel mit viel Pathos schon mal mit der Sorge um die Zukunft der Fußballnationalmannschaft. Verschiedene Entwürfe für ein Lebensmittelwerbeverbot liegen vor, und an diesen Plänen gibt es wirklich viel zu kritisieren. Sie sind weder sachlich begründet noch zielgenau. Alle möglichen Lebensmittel wären betroffen. Es ist schön, wenn der Ernährungsminister dafür kämpft, dass die Brezel Weltkulturerbe wird; noch schöner wäre es aber, wenn die Werbung für so ein Weltkulturerbe nicht verboten werden würde, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Susanne Mittag [SPD]: Och! Das ist ja so flach!)
Wer alle Produkte, die bestimmte Grenzwerte für Fett, Salz oder Zucker überschreiten, an den Lebensmittelpranger stellen will, der will ran an die Rezepturen, der überschreitet ganz bewusst die Grenzen, die der Staat bislang aus guten Gründen geachtet hat. Was wir essen, geht den Staat grundsätzlich nichts an. Wir brauchen kein Staatskochbuch aus dem grünen Ernährungsministerium.
(Christina Stumpp [CDU/CSU]: Richtig!)
Mein Fazit: Dieser Minister verliert sich weiterhin in ideologischen Wunschträumen, auch wenn er sich immer wieder wortreich davon distanziert, ideologisch zu handeln. Er hat keinen konkreten Plan, und wenn er dann doch mal einen hat, dann fehlen ihm entweder die Unterstützung der Ampelfraktionen oder das Geld für die Umsetzung. Das belegt dieser Haushalt eindrucksvoll. Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft, für ein Aufbruchssignal an den Berufsstand, für Vertrauen in diese Bundesregierung ist das zu wenig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Wort hat die Kollegin Esther Dilcher für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7557050 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 119 |
Tagesordnungspunkt | Ernährung und Landwirtschaft |