Stephan StrackeCDU/CSU - Arbeit und Soziales
Grüß Gott, Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Deutschland befindet sich in der Rezession. Wir sind das einzige Industrieland, in dem die Wirtschaft schrumpft. Und das Einzige, was bei der Ampel wächst, sind die Arbeitslosenzahlen und die Inflation.
(Marc Biadacz [CDU/CSU]: So ist es!)
Die Rekordinflation macht zig Millionen Menschen zu schaffen, weil sie immer weniger Geld haben, um sich das Leben noch leisten zu können, und kaum über die Runden kommen. Der Normalverdiener in unserem Land will sich ein gutes Leben leisten können; dazu braucht es echte Entlastungen für die hart arbeitende Mittelschicht. Und genau bei der Frage der Entlastungen herrscht bei dieser Bundesregierung Fehlanzeige.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Bundessozialminister ist stimm- und tatenlos. Sie versagen bei der Bekämpfung der Inflation. Das ist Ihre Bilanz dieses Jahres, Herr Bundessozialminister.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Minister Heil, der Haushalt ist immer der Realitätscheck Ihrer eigenen Politik. Und bestes Beispiel dafür ist das Bürgergeld. Sie haben großspurig versprochen, Langzeitarbeitslose deutlich besser als bisher in Ausbildung und Arbeit zu bringen. Statt mehr Unterstützung wird es in Wahrheit weniger Unterstützung geben.
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Viel weniger!)
So sieht Ihre echte Arbeitsmarktpolitik aus. Herr Minister, Sie wollen den Jobcentern 800 Millionen Euro weniger zur Verfügung stellen.
(Thomas Rachel [CDU/CSU]: Skandalös!)
Dadurch graben Sie den Jobcentern das Wasser ab, mit der Folge, dass Langzeitarbeitslose weniger und schlechter anstatt besser betreut werden können,
(Beifall bei der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Marc Biadacz [CDU/CSU])
und das in einer Situation, in der sich der Arbeitsmarkt zulasten der Arbeitslosen gedreht hat. Sie sind angewiesen auf mehr statt auf weniger Unterstützung, auf mehr Chancen für ein selbstbestimmtes Leben.
Herr Heil, Sie wollen Ihren Haushalt auf dem Rücken der Arbeitslosen sanieren.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: All das, was Sie in den letzten Jahren nicht wollten!)
Das ist schäbig und kein Anzeichen von Respekt gegenüber denjenigen, die tatsächlich der Hilfe bedürfen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie hinterlassen eine Spur des Schadens und ernten nichts als Frustration: Frustration bei den Jobcentermitarbeitern, weil sie deren Arbeit nicht wertschätzen und sie zur bloßen Zahlstelle degradieren. Sie ernten Frustration bei den Langzeitarbeitslosen, weil sie weniger statt mehr Chancen bekommen, und auch Frustration bei den arbeitenden Steuerzahlern; denn bei ihnen muss sich der Eindruck verfestigen, dass das Bürgergeld mehr mit der Erhöhung sozialer Transfers einhergeht als mit der Überwindung dieser Transfers durch gute und dauerhafte Arbeit. Und so wird der Sozialstaat zum bloßen Versorgungsstaat. Und das ist grundfalsch. Ändern Sie Ihre Politik, Herr Heil!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und der Bundesfinanzminister hat bei seiner Einführung in den Haushalt deutlich gemacht, dass er den Lohnabstand und die Erwerbsanreize, die das Bürgergeld offeriert, letztendlich infrage stellt. Ich sehe, dass Sie in der Koalition noch massiven Klärungsbedarf haben. Sie sollten sich an das, was Sie sich in Meseberg vorgenommen haben, nämlich Konflikte nicht mehr öffentlich auszutragen, auch tatsächlich halten, Herr Bundessozialminister.
(Beifall bei der CDU/CSU – Abg. Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Ich sehe eine Wortmeldung, Frau Präsidentin.
Wenn Sie die zulassen, nehmen wir die gleich.
Ja, gerne.
Herr Stracke, vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Sie erinnern sich sicher, als wir über das Bürgergeld gesprochen haben, dass wir persönlich stundenlang darüber geredet haben. Und Sie erinnern sich sicher auch, dass ich mit Frau Scharf, Sozialministerin aus Bayern, sehr intensiv geredet habe. Und Sie erinnern sich sicher auch, dass ich mit Herrn Gröhe sehr intensiv gesprochen habe. Sie erinnern sich sicher auch, dass ich mit Herrn Spahn sehr intensiv gesprochen habe.
(Zuruf von der AfD: Wer denn noch alles?)
Und warum? Wir haben einen Konsens gesucht, um im Bundesrat eine Einigung zu finden.
Ich erinnere mich an einen Zeitpunkt, als sich Herr Merz vor die Kameras gestellt hat und gesagt hat, dass das Bürgergeld so, wie es nach dem Kompromiss aussah, gut war. Sie haben allem zugestimmt, was damals im Raum stand. Und jetzt fangen Sie an, in jeder einzelnen Rede dagegen vorzugehen. Was versprechen Sie sich davon? Was wollen Sie damit sagen? Dass Sie damals unzurechnungsfähig waren, dass Sie jetzt Ihre Position völlig auf den Kopf gestellt haben,
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Falsch!)
dass Ihnen die Menschen plötzlich egal sind?
(Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Ihnen sind die Leute egal! Wer kürzt denn bei den Jobcentern? Euch sind die Leute egal! Geld für Plakate habt ihr! Aber nicht für Arbeitslose! – Gegenruf des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD])
Warum streuen Sie den Menschen Sand ins Auge?
Die zweite Frage.
Aber bitte schnell.
Das mache ich schnell. – Sie haben gerade von der Mittelschicht gesprochen. Sie hatten eine Möglichkeit, die Löhne für die Menschen, die hart arbeiten – 6 Millionen Menschen – anzuheben, und zwar, als wir hier über den Mindestlohn abgestimmt haben. Sie haben Ihre Zustimmung verweigert und wollten die Löhne für die Menschen nicht anheben.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Das ist keine Zwischenfrage! – Dr. Alice Weidel [AfD]: Ist das eine Frage?)
Warum versuchen Sie, den Menschen Sand in die Augen zu streuen, und sagen jetzt exakt das Gegenteil dessen, was Sie getan haben?
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Werter Herr Kollege, Sie lenken vollkommen ab. Auf Sie fällt es doch zurück; denn mit dem Vorschlag, mit dem Ihre Regierung hier jetzt ins Parlament geht, wollen Sie den Langzeitarbeitslosen weniger Geld zur Verfügung stellen und damit weniger Chancen vermitteln. Sie kürzen doch bei den Jobcentern und beabsichtigen, ihnen 800 Millionen Euro zu entziehen,
(Dr. Götz Frömming [AfD]: Genau!)
ihnen damit das Wasser abzugraben und im Ergebnis den Langzeitarbeitslosen damit weniger Chancen zu vermitteln. Das dürfen Sie uns doch nicht vorwerfen. Der richtige Adressat ist der Bundessozial- und -arbeitsminister; an den müssen Sie sich wenden.
(Beifall bei der CDU/CSU – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Entschuldigen Sie sich einfach für den Haushalt! – Gegenruf des Abg. Dr. Martin Rosemann [SPD]: Entschuldigen Sie sich für die 16 Jahre! Unglaublich! – Gegenruf des Abg. Kai Whittaker [CDU/CSU]: Das ist alles, was Ihnen einfällt?)
Klären Sie das bitte innerhalb Ihrer Koalition, statt es der Union vorzuwerfen, dass Sie zulasten derer sparen, die der Unterstützung eigentlich am meisten bedürfen,
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sagen Sie mal, wie Sie das Bürgergeld finden!)
gerade in einer Situation, in der es die Langzeitarbeitslosen immer schwerer haben, weil sich der Arbeitsmarkt durch Ihre Wirtschaftspolitik zu deren Ungunsten gedreht hat.
(Stephanie Aeffner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Dann sollten Sie aber nicht ständig erzählen, dass das Bürgergeld zu viel ist!)
Deswegen brauchen sie mehr Unterstützung, statt weniger. Und darauf weisen wir hin. Ihre Politik ist eine Belastung für die Menschen und nichts anderes.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das gilt auch für die beabsichtigte Zuständigkeitsverlagerung für die Hilfebedürftigen unter 25 Jahren. Wir wollen, dass die jungen Menschen einen guten Start in das Berufsleben bekommen. Dazu haben wir gut funktionierende Strukturen mit unseren Jobcentern vor Ort. Und genau diese Strukturen, Herr Heil, wollen Sie zerstören und auflösen. Sie ernten dafür breite Kritik, die Sie wegwischen: Kritik vom Deutschen Städte- und Gemeindebund, Kritik vom Deutschen Städtetag, Kritik vom Deutschen Landkreistag und von allen 16 Bundesländern. All diese Kritik wischen Sie mit einem Federstrich weg.
(Markus Kurth [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wir wischen überhaupt nichts weg! Wir nehmen das sehr ernst!)
Das ist Arroganz, meine sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Hermann Gröhe [CDU/CSU]: Geisterfahrer!)
So kann man nicht mit Kritik derjenigen umgehen, die den Sozialstaat vor Ort tragen. Sie erschweren die Vermittlung junger Menschen in Arbeit, und Sie belasten zusätzlich die Beitragszahler.
Das ist ja ein durchgängiges Muster Ihrer Ampelpolitik: Sie verschieben letztendlich Steuermittel hin zu einer Belastung der Beitragszahler. Das sind nichts anderes als Verschiebebahnhöfe. Wir sehen es in der Krankenversicherung, wir erleben es in der Pflegeversicherung und jetzt bei der Arbeitslosenversicherung und auch bei der Rentenversicherung durch die Kürzung der Zuschüsse. Sie belasten die hart arbeitende Mitte unserer Gesellschaft, und das in Zeiten von Inflation und schwächelnder Konjunktur. Es ist Irrsinn, gerade diejenigen zu belasten, die unseren Wohlstand erwirtschaften. Notwendig ist, Fleiß und Leistung zu belohnen, endlich eine Belastungsbremse –
Kommen Sie bitte zum Schluss.
– Frau Präsidentin! – bei den Sozialversicherungsbeiträgen von 40 Prozent einzuführen und die Überstunden steuerfrei zu stellen.
(Dr. Martin Rosemann [SPD]: Wer soll das bezahlen?)
Dafür steht die Union.
Herr Abgeordneter, kommen Sie jetzt bitte zum Schluss.
Sie stehen für nichts weiter als zusätzliche Belastungen.
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Martin Rosemann [SPD]: Wie bezahlen Sie das alles?)
Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen erhält jetzt Beate Müller-Gemmeke das Wort.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7557113 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 120 |
Tagesordnungspunkt | Arbeit und Soziales |