08.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 120 / Zusatzpunkt 3

Matthias MierschSPD - Gebäudeenergiegesetz

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrter Herr Dobrindt, ja, ich habe es befürchtet, dass eine solche Rede kommt. Sie zeigt, welche Herausforderungen wir in diesem Parlament auch in den nächsten Jahren noch haben werden. Denn wir haben es in der Großen Koalition nicht hinbekommen, die großen Sektoren „Gebäude“ und „Verkehr“ tatsächlich klimapolitisch und sozial gerecht zu gestalten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich muss Sie an dieser Stelle fragen: Gilt das Klimaschutzgesetz für Sie weiterhin?

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wer bricht es denn die ganze Zeit? Sie brechen es seit zwei Jahren! Rechtsbruch!)

Wollen wir 2045 klimaneutral sein, ja oder nein?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Stehen Sie zu diesem Ziel, ja oder nein?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der CDU/CSU)

Ich frage Sie: Welche Angebote außer einem allgemeinen Antrag, den Sie hier im Mai nach unseren Beratungen gestellt haben, haben Sie heute, um dieses Gesetz zu verbessern?

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Weil wir es abschaffen!)

Nichts, keinen einzigen!

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Heilmann hat nach seinem Erfolg – und das sei ihm zugebilligt – in der „taz“ am 19. Juli 2023 auf die Frage „Glauben Sie, dass es noch Änderungen geben wird?“ geantwortet – Zitat –: „Das kann ich Ihnen nicht sagen. Das hängt jetzt auch von uns ab, was wir vorschlagen werden. Daran arbeiten einige in der Union, unter anderem ich.“

(Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aha! Aha!)

Wo sind diese Vorschläge, liebe Kolleginnen und Kollegen?

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Lieber Herr Kollege Miersch, erlauben Sie eine Zwischenfrage von Thomas Heilmann?

Selbstverständlich.

Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen, Herr Dr. Miersch. – Sie haben mich gerade angesprochen. Ich habe diese Änderungsvorschläge erarbeitet und darauf gewartet, dass es im parlamentarischen Verfahren eine Gelegenheit gibt, dass wir das einbringen können.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Timon Gremmels [SPD]: Hier! Heute!)

Meine Idee ist, ehrlich gesagt, nicht, dass wir Anträge stellen, die sowieso abgelehnt werden.

(Widerspruch bei der SPD – Timon Gremmels [SPD]: Du warst doch Justizsenator! Du weißt doch, wie es geht!)

– Entschuldigung, jetzt hören Sie kurz zu. – Wenn Sie den § 84 unserer Geschäftsordnung kennen, dann wissen Sie ganz genau, dass, wenn Sie heute auch nur einen einzigen Änderungsantrag annehmen, wir heute nicht die dritte Lesung hätten, wir damit in der nächsten Sitzungswoche wären

(Britta Haßelmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wo sind die Anträge?)

und Sie den Bundesrat nicht erreichen würden. Warum erwarten Sie von der Opposition, dass wir Änderungsanträge stellen, von denen wir technisch schon vorher wissen, dass sie in gar keinem Fall behandelt werden?

(Beifall bei der CDU/CSU – Timon Gremmels [SPD]: Da wollen Sie ja gar nichts arbeiten! So seid ihr! – Weitere Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Einige aus Ihren Fraktionen haben diese Liste, die ich erarbeitet habe. – Es gab ja keine Ausschusssitzung. Warum eigentlich nicht? Da hätte man das alles wunderbar debattieren können.

Ich möchte Sie auf noch etwas hinweisen: Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich auf Artikel 42 des Grundgesetzes rekurriert, und da steht das Wort „verhandeln“. „ Verhandeln“ heißt – wenn Sie im Duden nachsehen –: aushandeln; es heißt: beraten, erörtern, vermitteln. Der Ort, an dem das geschieht, ist nicht die Debatte in der zweiten, dritten Lesung, sondern das ist in der Tradition unseres Deutschen Bundestages eine Ausschusssitzung. Und warum konnten wir in drei Monaten keine Ausschusssitzung machen?

(Metin Hakverdi [SPD]: Ich habe was, aber ich traue mich nicht! – Weiterer Zuruf von der SPD: Weil Sie keine beantragt haben!)

Ich frage Sie: Warum konnte der Familienausschuss diese Woche eine Sitzung machen? Warum konnte der Verteidigungsausschuss eine Sitzung machen? Warum konnte der Innenausschuss zwei Sitzungen machen? Aber der Klimaausschuss konnte – obwohl wir es am Dienstag noch mal beantragt haben – keine Sitzung machen.

(Katja Mast [SPD]: Sie können ja als einzelner Abgeordneter einen Antrag stellen!)

Und jetzt werfen Sie uns vor, wir hätten dazu nichts Konstruktives sagen können? – Blockieren Sie das doch bitte nicht!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Lieber Herr Kollege Heilmann, zunächst vielen Dank für die Ausführung. Denn Sie machen doch eines klar: Ihr Verständnis von Parlamentarismus scheint ein völlig anderes zu sein; jedenfalls als meines.

(Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und der AfD)

Ich kann hier und in Gremien nur diskutieren und um den besten Weg ringen, wenn ich Vorschläge von Ihnen habe, und ich habe keinen einzigen gehört.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich wäre dazu heute bereit gewesen.

Aber ich will Ihnen sagen, was ich bis jetzt von Ihnen als Änderungsvorschläge vernommen habe. Das Erste ist, dass Sie in einem weiteren Interview gesagt haben: Dieses Gesetz muss technologieoffener sein. Jetzt frage ich Sie: Welchen Gesetzentwurf meinen Sie? Natürlich hätte ich mir gewünscht, dass die Regierung zunächst einen anderen Vorschlag gemacht hätte – das hätte mir ein paar Stunden Arbeit erspart –,

(Beifall bei der FDP)

aber der Gesetzentwurf, über den wir heute abstimmen, sieht doch einen eigenen Paragrafen zum Thema Technologieoffenheit vor.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

Danke für Ihre Zwischenfrage, die mir Gelegenheit gibt, darauf hinzuweisen; Sie hätten diesen Vorschlag auch in Ihre Frage einbauen können.

Ich weiß nicht, ob Herr Spahn in diesem Atomwahn, dem Sie im Moment unterliegen, beispielsweise noch an Minireaktoren etc. arbeitet.

(Alexander Dobrindt [CDU/CSU]: Was ist denn das für eine hilflose Argumentation!)

Ich sage Ihnen: Wir haben von Holzpellets über Geothermie bis Nah- und Fernwärme in diesem Gesetz alle Möglichkeiten, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Sie haben einen zweiten Vorschlag gemacht. Davon haben Sie hier und heute nichts gesagt; aber ich will mich dem stellen. Sie haben gesagt, Sie würden auf den Emissionshandel und auf die Bepreisung setzen. Und da sage ich Ihnen, Herr Heilmann: Das können wir in 3 000 Ausschüssen beraten, das können wir hier heute bearbeiten, aber die Zustimmung zu diesem Pfad werden Sie von der SPD-Fraktion niemals bekommen.

(Beifall bei der SPD)

Denn wozu führt dieser Vorschlag? Ich habe Ihnen die Frage gestellt, ob das Ziel, bis 2045 Klimaneutralität zu erreichen, tatsächlich weiterhin gilt. Wenn Sie über die Bepreisung gehen, dann hat das zur Folge, dass Sie für viele, viele Menschen ein schleichendes, ein infames Verbot einführen. Denn Sie treiben dann den Preis für die Fossilen so hoch,

(Christian Dürr [FDP]: So ist es!)

dass sich die Menschen das Heizen schlichtweg nicht mehr leisten können, ohne die Möglichkeit zu haben, umzusteigen. Das ist unsozial. Dazu haben Sie kein Recht.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich nehme an, Sie haben die Frage von Herrn Heilmann jetzt beantwortet. Dann würde ich die Redezeit wieder weiterlaufen lassen.

Das war meine Antwort auf das, was ich bis jetzt von Herrn Heilmann gehört habe; ich warte auch auf andere Vorschläge, wenn sie denn heute im Laufe des Verfahrens noch vorgebracht werden. – Das ist der große Unterschied: Wenn Sie in diesen Bereichen so Klimaschutz machen, werden Sie weite Teile der Bevölkerung nicht mitnehmen können. Das ist nicht unser Weg.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: Genau, die Bevölkerung will euren Weg! Das habe ich ganz übersehen!)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube, dass an diesem Gesetz deutlich wird, dass sich Parlamentarismus lohnt.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ich sage nur: Bayern, 8 Prozent!)

Wir haben dieses Gesetz an vielen, vielen Stellen umfassend nachgebessert. Wir haben es mit einer Struktur versehen, dass als Erstes in den Jahren 2026 bzw. 2028 die Kommunen den Bürgerinnen und Bürgern mit einer kommunalen Wärmeplanung Struktur und Sicherheit geben. Das ist unser Ausgangspunkt, und der ist richtig und wichtig.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir nicht auf die eine Technologie setzen; denn die Regionen in Deutschland sind unterschiedlich aufgestellt. Es ist ein großer Unterschied, ob ich in einem Ballungszentrum oder auf dem Land wohne. Dieses Gesetz ermöglicht die Bandbreite neuer Technologien. Auch das ist ein wesentlicher Fortschritt im Vergleich zum Regierungsentwurf, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Am Ende haben wir auch ein Förderprogramm aufgesetzt für den Fall, dass die Heizungsanlage kaputt ist; nur über diese Fälle reden wir. Dann habe ich ohnehin ein Invest, das in der Regel auch heute schon im vier- bis fünfstelligen Bereich liegt. Unser Ziel ist es, eine Förderkulisse aufzusetzen, die ermöglicht, dass man sich in diesem Rahmen, wie bisher auch, eine neue Heizungsanlage, die aber dann zukunftstauglich ist, leisten kann, sodass wir niemanden im Stich lassen. Das haben wir hier vorgelegt.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zum Abschluss, Herr Heilmann: Ich hoffe, dass ich Ihnen die Unterschiede zwischen Ihnen und uns erklärt habe. Aber jetzt gibt es ja noch jemanden, der sich auch zu Wort gemeldet hat, nämlich der Chef der Jungen Union. Der erklärte vorgestern, dass er dieses Heizungsgesetz überhaupt nicht will, weil es zu viele Steuergelder kosten würde.

(Beifall bei Abgeordneten der AfD)

Er will also keine Förderung. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie haben das Recht, dass wir hier im Parlament beraten. Sie haben aber nicht das Recht, dass wir Ihren Vorschlägen zustimmen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das ist doch völliger Quatsch!)

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Marc Bernhard.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7557156
Wahlperiode 20
Sitzung 120
Tagesordnungspunkt Gebäudeenergiegesetz
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