08.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 120 / Zusatzpunkt 3

Kevin KühnertSPD - Gebäudeenergiegesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist mir ein Bedürfnis, mich an die Gäste hier oben auf den Tribünen zu richten: Wir sind nicht alle so. Normalerweise laufen die Diskussionen hier überwiegend echt ganz zivilisiert ab.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Und mit den Kollegen hier ganz rechts außen ist das so: Die machen ihre ganz eigene Wärmewende. Die produzieren bei ihrem populistischen Schäumen so viel Prozesswärme, dass man jedem Einzelnen einen Wärmetauscher um den Hals hängen und so eine mittelgroße deutsche Stadt gut mit Wärme versorgen kann.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)

Vielen Dank auch für Ihren Beitrag dazu, dass die Wärmewende in Deutschland gelingt!

(Tino Chrupalla [AfD]: Der hat wenigstens mal gearbeitet!)

Ich wollte mich aber eigentlich zu etwas anderem äußern. Nun sind heute häufiger die prognostizierten, die erwarteten – wie auch immer – Einsparungen angesprochen worden, die sich durch das Gesetz im Gebäudesektor bis zum Jahr 2030 ergeben; das ist das, wonach Sie gefragt haben. Mich irritiert zweierlei an Ihrer Irritation aufgrund der Zahlen, die Sie erfahren haben. Mich irritiert, dass eine Partei, die sich nicht zu schade war, in der Diskussion Leute vorzuschicken, die von einer drohenden „Heizungs-Stasi“ gesprochen haben,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Das war aber ein anderes Gesetz!)

im Gegenzug erwartet, dass plötzlich der Bundesregierung detailgenau bekannt ist, an welchem Tag in welchem Jahr welcher Haushalt in Deutschland in den nächsten 20 Jahren nun genau seine Heizung austauschen wird.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist wenig plausibel, was Sie hier fordern.

Die ganze Debatte um die Reform des Gebäudeenergiegesetzes ist von vielen Kritikpunkten und auch Änderungen, an denen viele hier im Haus ihren Anteil hatten, getragen gewesen. Eine dieser Änderungen ist gewesen, dass wir gesagt haben: Erst die kommunale Wärmeplanung –

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Wo ist die denn?)

damit wir vor Ort wissen: wo kommt die Wärme her, wie kann man sie erzeugen, wo können Abwärme und Ähnliches hergeholt werden? –, und dann wird das Gesetz scharfgestellt. Das wird nun zu Mitte 2028 überall in Deutschland der Fall sein. Und dass – Sapperlot, da sind Sie aber einer ganz großen Sache auf der Spur! – in den 18 Monaten zwischen der Wirksamkeit der letzten kommunalen Wärmeplanung in Deutschland und dem Beginn des Jahres 2030 – oh Wunder! – noch nicht der ganze Heizungsbestand in Deutschland ausgetauscht worden sein wird, spricht nicht gegen die Reform des Gebäudeenergiegesetzes, sondern einfach nur dafür, dass Sie nicht sonderlich gut rechnen können, wenn es darum geht, wie so ein Gebäudebestand in Deutschland umgerüstet werden kann.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Kühnert, ich habe die Uhr angehalten. Gestatten Sie eine Frage oder Bemerkung des Abgeordneten Brandner?

Nein.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Stephan Brandner [AfD]: Das ist aber schade, Herr Kühnert!)

Ich möchte gerne über die Mieterinnen und Mieter sprechen, die mir in dieser Debatte bislang noch zu kurz gekommen sind. Mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland wohnt zur Miete, und auch heute sind wieder Fehlbehauptungen darüber aufgestellt worden, wie es sich für sie verhält. Wir in der SPD-Fraktion sind stolz – das sage ich ganz eindeutig –, dass wir bei dieser Reform des Gebäudeenergiegesetzes einen Kompromiss schließen konnten,

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Bayern 8 Prozent!)

der klare Planungssicherheit für Millionen Mieterinnen und Mieter im Land bietet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Herr Bartsch hat gesagt, die Umlage beim Heizungsaustausch solle nicht einen Euro mehr kosten, und genau das ist gewährleistet. Wir sind bei 50 Cent pro Quadratmeter. Jeder Mieter, jede Mieterin in Deutschland weiß: In einer 70-Quadratmeter-Wohnung können nicht mehr als 35 Euro umgelegt werden. Und die Gesamtumlage über alle anderen Energieeffizienzmaßnahmen, die es jetzt schon gibt, steigt gar nicht an gegenüber dem, was geltende Gesetzeslage in Deutschland ist. Das ist gut.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Marc Bernhard [AfD]: Wer bezahlt denn jetzt den Rest?)

Es kommt noch eine Verbesserung hinzu.

(Abg. Caren Lay [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Wollen wir, Frau Lay? Ich wäre bereit.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN)

Kollege Kühnert, gut, dann halte ich jetzt die Uhr an, verrate aber dann auch schon – gleiches Recht für alle –, dass die andere, die nicht zugelassene Zwischenfrage nachher noch zu einer Kurzintervention führt. – Sie sind bereit?

Vielen Dank, Herr Kühnert, dass Sie diese Zwischenfrage zulassen. – Auch uns liegt das Thema, dass die Mieterinnen und Mieter nicht stärker belastet werden, wie Sie wissen, sehr am Herzen.

Wir finden es natürlich gut, dass Sie Schlimmeres verhindert haben mit einer zweiten, höheren Modernisierungsumlage, die ja der Plan der FDP war. Aber was Sie jetzt verschweigen, ist, dass es auch weiterhin die Möglichkeit gibt, die alte, unfaire Modernisierungsumlage anzuwenden, sie eben dann anzuwenden, wenn nicht nur die Heizung ausgetauscht, sondern gleichzeitig auch gedämmt wird, was ja in ganz vielen Fällen nötig sein wird. Dann gelten eben nicht mehr diese 50 Cent pro Quadratmeter; dann sind wir schon bei 3 Euro pro Quadratmeter pro Monat, was Mieterinnen und Mieter einfach nicht mehr tragen können. Ich muss es Ihnen nicht erklären; denn im Wahlkampf haben Sie selber noch gesagt, wir müssten an die alte Modernisierungsumlage ran. Jetzt sind zwei Jahre ins Land gezogen, und noch ist nichts passiert, noch kein Referentenentwurf zum neuen Mietrecht ist da.

Jetzt aber so zu tun, wie Sie es in der Presse machen, dass die Mieterinnen und Mieter hiervon profitieren würden, das ist einfach Augenwischerei. Das, was Sie hier vorgelegt haben, hat mit einer sozialen Wärmewende einfach nichts zu tun.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir bleiben dabei: Die Modernisierungsumlage muss fallen; denn ansonsten ist sie ein weiteres Instrument zur Verdrängung von Mieterinnen und Mietern.

(Zuruf von der FDP: Frage!)

Daran wird auch dieses Gesetz nichts ändern. Es wird die Situation sogar weiter verschärfen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank für Ihre Anmerkung, Frau Lay. – Sie haben recht, die Reform des Gebäudeenergiegesetzes löst nicht alle bestehenden Ungerechtigkeiten und Probleme auf dem Mietwohnungsmarkt.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Es wäre auch eine komische Erwartung, dass man das so hinkriegen könnte. Das Problem, das Sie ansprechen, benennen wir in der Sozialdemokratie genauso wie Sie; aber wir können eben auch zählen: Es gibt für diese Forderung leider in diesem Parlament nach der vergangenen Wahl keine Mehrheit. Diese Koalition, mit der wir diese Gesetzesreform hingekriegt haben, ist eine lagerübergreifende Koalition, in der sich ganz unterschiedliche Perspektiven – so wie das draußen an jedem Stammtisch passiert – mit den Fragen der Zeit auseinandersetzen.

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Am Stammtisch gehen die besser miteinander um! – Zuruf der Abg. Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE])

Dabei ist ein Kompromiss herausgekommen.

Aber ich will Ihnen sagen, was wir hier für die Mieterinnen und Mieter konkret besser gemacht haben: Wir haben dafür gesorgt, dass diese 50-Cent-Umlage, von der ich gesprochen habe, nur dann Anwendung finden kann – das ist wichtig –, wenn die vom Staat bereitgestellte Förderung vorher auch tatsächlich in Anspruch genommen und auf diese Berechnungsgrundlage umgelegt wurde.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das haben wir nämlich bis heute nicht. Heute sind die Mieterinnen und Mieter im Land bei vielen Modernisierungsmaßnahmen die Gelackmeierten, weil man einfach auf die Förderung verzichten und das Ganze der Einfachheit halber an die verschiedenen Etagen des Wohnhauses, das man besitzt, weiterreichen kann. Damit ist jetzt Schluss, liebe Kollegin Lay. In dieser Förderung kann ich wahrlich nichts Schlechtes daran erkennen.

Mit den 50 Cent ist übrigens auf mittlere Sicht nicht mal eine Kostensteigerung verbunden; denn wenn man sich heute einen Haushalt, wie es ihn ja millionenfach in Deutschland gibt, anguckt, der mit Gas heizt – jeder zweite tut das mit Gasetagenheizung oder Ähnlichem –, dann stellt man fest, dass die Mieterinnen und Mieter heute alleine durch den CO

(Jens Spahn [CDU/CSU]: Och!)

Das, was wir hier für Mieterinnen und Mieter machen, ist in den nächsten Jahren warmmietenneutral und geht in vielen Fällen sogar darüber hinaus; und darauf sind wir stolz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das ist ein konkretes soziales Angebot, was wir hier als Reaktion auf die Situation im Land machen.

Deutlich geworden ist in dieser Debatte in den letzten Monaten aber auch – das soll nicht verschwiegen werden, und das können wir uns alle auch für die nächsten Wahlkämpfe merken –: Die Zeit ist vorbei,

(Stefan Keuter [AfD]: Ihre Zeit, ja!)

in der klimapolitische Auseinandersetzungen vordergründig über Jahreszahlen und die Limbostangen, die man sich dabei hinhält, geführt werden. Es geht um konkrete Konzepte, und es geht um die Beantwortung der sozialen Frage. Daher muss die Lehre für alle beteiligten Demokratinnen und Demokraten aus dieser Debatte sein: Wer vom Klima spricht, der darf über die soziale Gerechtigkeit nicht schweigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])

Ich kann für meine Fraktion sagen: Wir werden darüber nicht schweigen, wenn es um Löhne im Land geht, wenn es um die angemessene Anpassung von Sozialleistungen für die Ärmsten im Land geht, wenn es um Vergabegesetze und gerechte Besteuerung von besonders hohen Einkommen und Vermögen geht. Darüber werden wir nicht schweigen; denn nur so schaffen wir es auch wirklich, 2045 klimaneutral zu sein.

(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])

Ich danke Ihnen und freue mich jetzt, dass wir endlich einen Punkt hinter die Reform setzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP – Jens Spahn [CDU/CSU]: 16 Prozent, sage ich nur! 16 Prozent!)

Ich erteile dem Abgeordneten Brandner das Wort zu einer Kurzintervention.

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