Jürgen HardtCDU/CSU - Aktuelle Stunde: Erdbeben in Marokko und Flutkatastrophe in Libyen
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch im Namen der CDU/CSU-Fraktion darf ich den Opfern dieser beiden großen Naturkatastrophen in Marokko und Libyen unsere aufrichtige Anteilnahme übermitteln.
In Libyen sind 11 000 Menschen gestorben, 30 000 mindestens obdachlos. Ich glaube, die Zahlen sind aber deutlich zu niedrig. Das sind die aktuellen offiziellen Zahlen; sie werden höher sein. Und bei dem Erdbeben in Marokko wird man auch noch nicht wirklich wissen, was tatsächlich am Ende passiert ist. 3 000 Tote, 6 000 Verletzte in Marokko; das sind erschütternde Zahlen.
Ich möchte anregen, Frau Präsidentin, dass wir vielleicht morgen früh auch im Bundestag der Opfer gedenken und damit unsere Solidarität zum Ausdruck bringen. Das ist heute Morgen nicht geschehen.
Ich meine, die Hilfe, die Deutschland und die Europäische Union im Bereich Libyen leisten, ist gut; das ist zügig angelaufen. Ich habe auch großes Vertrauen in diejenigen, die das vor Ort machen müssen – Technisches Hilfswerk und andere, die daran beteiligt sind. Insofern wünscht die CDU/CSU-Fraktion allen, die jetzt mithelfen, die vielleicht auch die eine oder andere schwierige Situation erleben, dass sie heil und gesund an Geist und Körper wieder von diesem Einsatz zurückkommen, vielleicht auch mit dem erfüllten Gefühl, tatsächlich an einer schwierigen Stelle geholfen zu haben.
Ich finde allerdings auch: So richtig viel Stoff für eine Aktuelle Stunde ergibt das aus der heutigen Sicht nicht, weil wir als Bundestag zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr machen können. Es hätte vielleicht das eine oder andere Thema gegeben, das heute wichtiger wäre, zum Beispiel mit Blick auf den polnischen Visaskandal und die möglichen Auswirkungen auf Deutschland. Aber das werden wir vielleicht dann nächste Woche aufarbeiten.
Wenn ich auf die Ursachen dieser Naturkatastrophen blicke, so stelle ich fest: Es wird natürlich niemand behaupten können, dass man ein Erdbeben oder ein solches Unwetter verhindern kann. Aber es ist natürlich schon so: Wenn man entsprechende Vorkehrungen im Bereich der Sanitätsversorgung, im Bereich des Baulichen trifft, wenn man seine Staudämme ordentlich wartet, dann kann man die Auswirkungen solcher Katastrophen natürlich vermindern. Und darauf will ich jetzt meinen Blick richten, insbesondere was Libyen angeht.
Deutschland hatte in der Berliner Libyen-Konferenz den Lead für einen Friedensprozess Libyens, der dieses Land eigentlich in einen selbsttätig handelnden, funktionierenden staatlichen Akteur zurückverwandeln sollte, in dem es dann zum Beispiel eine Struktur und Verwaltung gibt, mit deren Hilfe Gewässer, Staudämme usw. usf. gewartet werden. Wir haben mit diesem Berliner Prozess, damals noch maßgeblich von Angela Merkel verantwortet, eine Befriedung dahin gehend herbeigeführt, dass Waffenstillstand erreicht wurde. Aber wir haben eben keine weiteren anschließenden Aktionen durchgeführt, und deswegen ist für mich Libyen leider ein negatives Beispiel dafür,
(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Aber nicht nur von uns, Herr Hardt! Auch von Ihnen!)
dass die Bundesregierung, vielleicht auch in der Aufregung um die eigenen Fragen, die man im Inneren lösen muss, zu wenig tut, um bei den Konflikten dort, wo sie etwas leisten kann, etwas voranzubringen. Und da ist Libyen auch nur ein einziges Beispiel.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Ich fordere die Bundesregierung auf, die Ereignisse in Libyen jetzt auch zum Anlass zu nehmen, darüber nachzudenken, wie der Libyen-Prozess belebt werden kann, wie die Wahl des Präsidenten, die ja dort seit anderthalb Jahren auf Halde liegt, tatsächlich durchgeführt werden kann
(Tobias B. Bacherle [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: An der UN vorbei, oder wie?)
und wie wir selbst dann als Deutschland und Europa den Aufbau staatlicher Strukturen in Libyen voranbringen können.
Zur Situation in Bergkarabach von heute: Noch vor wenigen Wochen war die Rede davon, dass ein Fünferteam – Macron, Scholz, Michel und die beiden Regierungschefs von Armenien und Aserbaidschan – weiter an dem Friedensprozess arbeiten; daraus ist nichts geworden. Im Gegenteil: Gestern hat es diesen grauenhaften Versuch gegeben, das Problem militärisch zu lösen und damit sozusagen – aus Sicht Aserbaidschans – den Sack zuzumachen. Auch das ist ein Versagen der deutschen und europäischen Politik, der Diplomatie, die sich eigentlich zum Ziel gesetzt hatte, diesen Konflikt friedlich beizulegen.
Ich möchte die letzten Sekunden meiner Redezeit noch dazu verwenden, nach Afrika zu schauen. Ich muss feststellen, dass wir, wenn es darum geht, Fantasie und etwas Mut aufzubringen und vielleicht auch die Bereitschaft, sich in schwierige Konflikte hineinzubegeben, wo man nicht zu 100 Prozent weiß, dass man erfolgreich sein wird, sowohl in Äthiopien, was den Äthiopien-Eritrea-Konflikt angeht, als auch in Niger und auch im Sudan einfach vermissen, dass die deutsche Bundesregierung in der ersten Reihe steht, wenn es um die diplomatische Lösung solcher Konflikte geht.
Und ich würde Annalena Baerbock, den Bundeskanzler und alle anderen Mitglieder der Regierung wirklich ermutigen, auch im Interesse Deutschlands und Europas, einen größeren Beitrag dazu zu leisten, dass diese Konflikte eingehegt, vielleicht sogar gelöst werden, bevor sie, wie jetzt zum Beispiel bei dieser Naturkatastrophe in Libyen, zu einem nicht funktionierenden Staat führen, der von einer solchen Flut betroffen ist, mit vielen Tausend Opfern.
In diesem Sinne: Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Für die Bundesregierung spricht jetzt die Kollegin Dr. Bärbel Kofler.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7578542 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 121 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Erdbeben in Marokko und Flutkatastrophe in Libyen |