20.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 121 / Zusatzpunkt 1

Peter HeidtFDP - Aktuelle Stunde: Erdbeben in Marokko und Flutkatastrophe in Libyen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kaltschnäuzig war Ihre Rede, Herr Keuter. Unabhängig von allen politischen Fragen ist es für mich eine Frage der Menschlichkeit und des Humanismus, hier für Opfer da zu sein und ihnen helfen zu wollen. Dass Sie das nicht über Ihre Lippen bringen können, zeigt, wes Geistes Kind Sie sind. Ich finde das erschreckend.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Zahl der Naturkatastrophen nimmt ständig zu, und die Folgen für die Menschen sind schwerwiegend und oft tödlich. In den letzten Tagen haben uns die schlimmen Nachrichten über das Erdbeben in Marokko und die Flutkatastrophe in Libyen erreicht, und unsere Gedanken sind bei den vielen Opfern.

Internationale Hilfe für beide Länder hat zwar begonnen, doch sie ist längst noch nicht voll in Anspruch genommen worden. Im Fall Marokkos haben wir unsere Hilfe direkt angeboten, aber bisher wurde das Hilfsangebot nicht angenommen. Laut dem UN-Kinderhilfswerk sind rund 100 000 Kinder betroffen. Vor diesem Hintergrund ist es für uns selbstverständlich, dass unser Ziel darin besteht, den Menschen vor Ort zu helfen und Leben zu retten. Die Zeit drängt. Wir müssen die Entscheidung der marokkanischen Regierung in Bezug auf die Priorisierung einzelner Länder akzeptieren. Wir werden aber – die Kollegin Kofler hat es ja gesagt – die Kommunikation mit der Regierung fortsetzen und unsere Hilfsangebote bei Bedarf an die aktuellen Bedürfnisse anpassen.

In Libyen erleben wir derzeit, was geschieht, wenn ein sogenannter Failed State von einer Katastrophe dieses Ausmaßes betroffen ist. Ohne eine funktionierende staatliche Struktur sind die Folgen durchaus katastrophaler als bei einem funktionierenden Staat. Die Überschwemmungen, die durch das Zusammenbrechen der Staudämme freigesetzt wurden, hatten das dreifache Ausmaß dessen, was im Ahrtal passiert ist. Der Bedarf an humanitärer Hilfe ist entsprechend groß und wird von den Vereinten Nationen auf über 70 Millionen Dollar geschätzt. Die deutsche Hilfe in Libyen läuft auf Hochtouren; die ersten Hilfsgüter sind auf dem Weg. Mein Dank gilt all den Kräften wie dem THW, die den Menschen in dieser Katastrophe zur Seite stehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es bleibt in der Tat zu hoffen, dass diese Hilfe bei den Betroffenen ankommt. Die Lage vor Ort ist herausfordernd; denn es gibt einen Machtkampf zwischen zwei rivalisierenden Regierungen plus den Milizen. Das hat dazu geführt, dass es insgesamt 140 staatliche Einrichtungen gibt, die zwischen diesen Regierungen aufgeteilt worden sind. Die örtlichen Behörden sind überlastet, und das wirkt sich negativ auf die Logistik der Hilfsgüter aus. Eine wirksame Koordination ist in dieser Situation kaum möglich, vor allen Dingen dann, wenn sich diese Regierungen – oder wie immer man sie nennen will – auch noch gegenseitig die Schuld zuschieben.

Was mich in dieser Situation hoffnungsvoll stimmt, ist zum einen die große Solidarität mit den Opfern in den überschwemmten Gebieten. Die Hilfslieferungen kommen aus allen Teilen Libyens, gerade auch aus dem Westen, obwohl ja dort der Konflikt existiert. Hier scheint ein neuer Zusammenhalt zu entstehen. Zum anderen zeigen uns auch die Proteste, dass es in dem Land gärt. Ich glaube, dass die Regierungen in Libyen aufgefordert sind, politische Veränderungen herbeizuführen. Wir sollten als Bundesrepublik Deutschland eine solche Bewegung klar unterstützen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Zersplitterung und die Machtkämpfe im Lande stellen uns auch vor die Frage, ob unsere Hilfe bei den Menschen ankommt. Aktivisten warnen davor, dass es sehr viel Korruption gibt und dass eben nicht immer im Interesse der Bevölkerung gehandelt wird. Der Staudamm ist ja wahrscheinlich auch deshalb eingestürzt, weil er eben nicht ordnungsgemäß gewartet worden ist. Das Land erhält durch die Hilfsmaßnahmen massive materielle und finanzielle Unterstützung. Sie darf nicht in falsche Hände geraten. Sie ist ausschließlich für die Menschen bestimmt, die durch die Katastrophe alles verloren haben. Wir müssen also die Hilfsgüter vor möglichen Angriffen von Milizen schützen und sicherstellen, dass die Verteilung der Hilfsgüter direkt an die Betroffenen erfolgt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darüber hinaus sollten wir uns auch dafür einsetzen, dass Journalisten aus der ganzen Welt Zugang zu den Krisengebieten haben, um mögliche Versäumnisse und Nachlässigkeiten der Regierung zu dokumentieren, sie also unser Ohr vor Ort sind. Nur so können wir die Betroffenen wirklich schützen.

Es liegt in unserem ureigenen Interesse, dass die Menschen in Libyen eine Lebensgrundlage in ihrer Heimat behalten, dass sie dort eine Perspektive haben und nicht gezwungen sind, zu fliehen. Das zeigt uns Freien Demokraten, wie wichtig die Einhaltung der Menschenrechte ist. Wir müssen in Libyen stärker dafür sorgen, dass die Menschenrechte eingehalten werden. Wir sollten in der Tat wieder stärker den Fokus auf Libyen richten. Die Zersplitterung des Landes muss nach unserer Auffassung überwunden werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nur wenn uns das gelingt, haben die Menschen in Libyen eine Perspektive.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Einen schönen guten Tag von meiner Seite, liebe Kolleginnen und Kollegen und liebe Besucherinnen und Besucher auf den Tribünen!

Unsere nächste Rednerin am Pult ist für die Fraktion Die Linke Amira Mohamed Ali.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7578545
Wahlperiode 20
Sitzung 121
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Erdbeben in Marokko und Flutkatastrophe in Libyen
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