20.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 121 / Zusatzpunkt 1

Carl-Julius CronenbergFDP - Aktuelle Stunde: Erdbeben in Marokko und Flutkatastrophe in Libyen

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Leid in den Dörfern südwestlich von Marrakesch und in Derna muss unbeschreiblich groß sein. Das Erdbeben in Marokko und die Dammbrüche in Libyen haben Zigtausenden Menschen Tod, Zerstörung und Verzweiflung gebracht. Ganze Familien wurden ausgelöscht. Viele Überlebende vermissen ihre Angehörigen, haben Haus und Hof verloren. Es drohen Obdachlosigkeit, Trinkwasserknappheit und Seuchen. Das vollständige Ausmaß der Katastrophen ist noch immer unklar. Beobachter befürchten, dass die Zahl der Opfer erheblich über den veröffentlichten Zahlen liegen könnte. Viel können wir nicht tun; aber ich finde es gut, dass heute von Parlament und Regierung eine starke Botschaft an die Menschen in Libyen und Marokko ausgeht, die da lautet: Ihr seid nicht allein. Wir stehen bereit, Euch zu helfen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb begrüße ich als Vorsitzender der Parlamentariergruppe Maghreb – ich nehme an, auch im Namen der ganzen Gruppe –, deshalb begrüßen wir, dass wir heute die Gelegenheit haben, unseren Nachbarn am südlichen Mittelmeer unser Mitgefühl auszudrücken und, noch wichtiger, unser Hilfsangebot zu erneuern und zu bekräftigen. Eine Abrechnung mit der Arbeit der Bundesregierung oder die Überbetonung der eigenen politischen Agenda sind hingegen heute Nachmittag fehl am Platz, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Nun sind Hilfsangebote noch keine Hilfe; die hat Libyen angefordert – deshalb wurde das EU-Katastrophenschutzprogramm ausgelöst, Frau Staatsministerin, Sie haben darauf hingewiesen – und nimmt breite Hilfe auch aus Deutschland in Anspruch. Das gibt auch mir die Gelegenheit, dem Technischen Hilfswerk ein herzliches Dankeschön für seine spontane Einsatzbereitschaft sowohl in Marokko als auch in Libyen auszusprechen. Auch zwei Helfer aus meinem Wahlkreis, dem Hochsauerlandkreis, standen abflugbereit am Flughafen, um in Marokko Überlebende zu suchen und zu bergen.

Mein Eindruck ist, seitdem ich 1990 als Helfer beim THW ausgeschieden bin, dass die Leistungsfähigkeit im Katastrophenschutz beim THW signifikant verbessert wurde.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

– Na ja, hoffentlich nicht meinetwegen.

(Matthias W. Birkwald [DIE LINKE]: Der war gut!)

Daher von dieser Stelle aus: Gut so und danke THW!

(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Gedanke noch zu Libyen: Wenn sich bestätigt, dass die Teilung des Landes zwischen Ministerpräsident Dbaiba und General Haftar bislang nicht zu einer Blockade der Hilfslieferungen geführt hat, dann ist das sehr begrüßenswert.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Libyen braucht Stabilität und keine Einflussnahme von außen; Kollege Tobias Bacherle hat darauf hingewiesen.

Staaten mit stabilen und demokratischen Institutionen bewältigen Naturkatastrophen besser. Deshalb darf ich heute wahrhaftig die Hoffnung äußern, dass sich Libyen, wenn die schlimmsten Folgen der Flut bewältigt sind, dazu entscheiden könnte, bestehende Konflikte beizulegen und stattdessen den Weg zu Frieden, staatlicher Einheit und freien Wahlen einzuschlagen. Die Menschen in Libyen hätten es nach dieser Katastrophe mehr denn je verdient, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Das Königreich Marokko hat auf die meisten ausländischen Hilfsangebote, so auch aus Deutschland, verzichtet. Ja, das hat auch mich irritiert. Aber nein, es steht mir, es steht uns nicht zu, über diese Entscheidung vorschnell zu urteilen. In letzter Konsequenz können wir über die Gründe für die äußerst selektive Inanspruchnahme ausländischer Hilfe nur spekulieren. Vielleicht spielten alte Verletzungen eine Rolle, vielleicht gab es objektive Gründe, vielleicht wollte man die immense Hilfsbereitschaft der marokkanischen Bevölkerung, die hier unbedingt Erwähnung finden sollte, zusätzlich mit dem Appell mobilisieren: Wir schaffen das alleine. – Wir wissen das nicht mit Sicherheit und können letztlich auch keinen Einfluss nehmen.

Wenn aber hinter der Zurückhaltung in Rabat ein Misstrauen gegenüber der Europäischen Union steht, weil in der Vergangenheit vielleicht zu oft der Eindruck entstanden ist, nicht als Partner auf Augenhöhe angesprochen worden zu sein, dann können wir, ja dann sollten wir daran etwas ändern.

(Dr. Karamba Diaby [SPD]: Das wissen wir leider nicht!)

Marokko und Libyen sind unsere Nachbarn, sie sind Mittelmeeranrainer wie Frankreich, Spanien und viele mehr. Politische Einflussnahme oder wirtschaftliche Übervorteilung passen nicht in mein Bild von einem Mittelmeerraum, der auf Partnerschaft und Kooperation gründet.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Sanae Abdi [SPD])

Auch in Marokko wird sich die Frage nach dem Wiederaufbau stellen und der wirtschaftlichen Perspektive danach. Deshalb schlagen wir Freien Demokraten vor, das Europa-Mittelmeer-Assoziationsabkommen zu einer zollfreien Freihandelszone Mittelmeer auszubauen.

(Beifall bei der FDP)

Die jüngsten Naturkatastrophen in Libyen und Marokko waren vielleicht nicht die letzten. Stärkere wirtschaftliche Verflechtungen können helfen, mehr Vertrauen in anderen Feldern der Zusammenarbeit zu entwickeln. Vertrauen kann beitragen, die Hindernisse zu überwinden, die jetzt vielleicht noch im Weg gestanden haben, Hilfe anzunehmen. Den betroffenen Menschen wäre es zu wünschen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Und für die Unionsfraktion hat das Wort Dr. Jonas Geissler.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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