Nils SchmidSPD - 1. Todestag Jina Mahsa Amini im Iran
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, dass wir in dieser Vereinbarten Debatte die Solidarität mit der Protestbewegung, der Demokratiebewegung im Iran zum Ausdruck bringen, parteiübergreifend. Denn eines ist klar – Herr Röttgen hat darauf hingewiesen –: Es geht auch um Worte, es geht auch darum – andere haben ebenfalls darauf hingewiesen –, dass dieser revolutionäre Aufbruch nicht in Vergessenheit gerät; es geht darum, dass wir alles in unserer Kraft Stehende tun, dass dem Wunsch nach Veränderung im Iran zum Durchbruch verholfen wird. Denn wir wissen eines: Wir wünschen uns nichts sehnlicher, als dass die geknechtete Bevölkerung des Irans endlich Freiheit und Demokratie erleben darf.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir wissen, dass revolutionäre Veränderungen nicht von heute auf morgen zum Durchbruch, zum Ziel kommen. Revolutionen haben Rückschläge, Revolutionen haben nur Teilerfolge. Der Durchbruch zur demokratischen Republik in europäischen Ländern hat manchmal auch mehr als ein Jahr und manchmal gar Jahrzehnte gebraucht. Es gab Rückschläge hin zu Diktaturen und nichtdemokratischen Regierungsformen. Deshalb müssen wir uns darauf einstellen, dass auch diese Revolution nicht sofort den vollen Erfolg erreicht.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die weltpolitische Lage in den letzten Monaten die Stellung des Irans eher gestärkt hat, Stichwort „Zusammenarbeit mit Russland bei Waffenlieferungen zum Kampf gegen die Ukraine“, Stichwort „regionale Entspannungspolitik mit Saudi-Arabien“. Das alles hat mit uns und unseren Möglichkeiten wenig zu tun. Und die brutale Repression hat das Regime kurzfristig gestärkt.
Das ändert nichts daran, dass wir die Revolutionäre im Iran unterstützen wollen. Aber es zeigt auch die Begrenztheit und die Komplexität von Außenpolitik auf. Es ist eben nicht so – denn hier wurde ein Popanz aufgebaut –, dass das JCPoA das einzige, leitende Merkmal der deutschen oder europäischen Iranpolitik wäre. Ganz im Gegenteil: Wir haben ja bewusst harte Sanktionen verhängt, trotz des Bemühens, den Iran davon abzuhalten, sich atomar zu bewaffnen. Denn eines ist doch wohl klar – umgekehrt wird ein Schuh daraus, JCPoA hin oder her –: Niemand kann wünschen, dass dieses Regime Atombomben baut. Der einzige Weg, es daran zu hindern, sind diplomatische Bemühungen. Denn eine Militärintervention scheidet doch wohl aus, meine sehr verehrten Damen und Herren. Deshalb halte ich diese pauschale Verdammung und dieses Vorurteil, es sei alles am Atomabkommen ausgerichtet, für fehlgeleitet. Und Sie haben auch keine Alternative, wie wir den Iran sonst daran hindern können, die Atombombe zu bauen, aufgezeigt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Agnieszka Brugger [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Ich bin schon froh, dass der Abbruch der diplomatischen Beziehungen von der Opposition nicht mehr gefordert wird. Auch da müssen wir doch ehrlich sein und gewisse Zielkonflikte einräumen. Parteiübergreifend setzen sich ganz viele Abgeordnete für die Freilassung der deutschen Staatsbürger mit doppelter Staatsangehörigkeit ein, die im Iran widerrechtlich festgehalten werden. Wenn man, ähnlich wie die USA und andere europäische Staaten, zu einer schnellen Freilassung kommen will, dann muss man mit denen reden, die gerade die Macht innehaben, und vielleicht muss man auch mal Hände schütteln. So zu tun, als sei das alles nur verdammungswürdig, ist aus meiner Sicht unaufrichtig. Denn wenn wir uns für die Freilassung dieser Menschen einsetzen, dann bedeutet das eben auch, Gesprächskanäle zu diesem Regime zu unterhalten. Ich bin dafür, dass die deutsche Bundesregierung, wie andere Regierungen auch, alles dafür tut, deutsche Staatsbürger aus den furchtbaren Gefängnissen im Iran herauszuholen. Dafür hat die Bundesregierung unsere volle Unterstützung.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Jochen Haug [AfD])
Das Letzte, was ich sagen will: Die Unterstützung der Zivilgesellschaft hat Fahrt aufgenommen. Man kann nicht alles öffentlich sagen. Aber allein die Tatsache, dass die Patenschaften vieler MdBs für Inhaftierte ungebrochen weitergehen und fortdauern, halte ich für ein ganz tolles Signal. Und wir werden alles dafür tun, die Zivilgesellschaft auch von außen zu stärken.
Kommen Sie bitte zum Schluss.
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die nächste Rednerin in der Debatte ist für die Unionsfraktion die Kollegin Dorothee Bär.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7578564 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 121 |
Tagesordnungspunkt | 1. Todestag Jina Mahsa Amini im Iran |