21.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 122 / Tagesordnungspunkt 9, 12

Christine Aschenberg-DugnusFDP - Krankenhausstrukturreform

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Deutschland verfügt im internationalen Vergleich über eine hochwertige Krankenhausversorgung. Unsere Unikliniken – Maximalversorger – zum Beispiel erbringen Tag für Tag hochwertige Spitzenmedizin. Das muss nach diesen intensiven Debatten über die Qualität an dieser Stelle auch mal gesagt werden.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dass es dennoch Handlungsbedarf gibt, steht für uns außer Frage. In Deutschland haben wir zwar die höchste Krankenhausdichte im Vergleich zu unseren europäischen Nachbarländern, aber die hohe Anzahl an Krankenhäusern bedeutet eben nicht unbedingt eine hohe Versorgungsqualität. Derzeit sehen wir in einigen Bereichen der Versorgung Qualitätsmängel, die auf diverse Gründe zurückzuführen sind. Dazu gehören unter anderem die Fehlanreize durch die DRG-Vergütung, der Personalmangel und vor allem – man kann es gar nicht oft genug sagen – die jahrzehntelangen Investitionsdefizite der Länder, meine Damen und Herren. Da muss etwas getan werden.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Andrew Ullmann [FDP]: So ist es!)

Wir müssen die Fehlentwicklungen und Versäumnisse der letzten Jahre dringend korrigieren. Unser Ziel ist es, die Versorgungsqualität in den Mittelpunkt zu stellen und die Versorgung bedarfsgerecht weiterzuentwickeln. Mit dem Eckpunktepapier zur Krankenhausreform haben wir hier den ersten Grundstein gelegt.

Heute, meine Damen und Herren, geht es um die Erhöhung der Transparenz über die Leistungserbringung der Krankenhäuser: Das ist ein weiterer zentraler Baustein für unsere Reform. Wir bringen mit dem heutigen Gesetz ein Transparenzportal für die Bürgerinnen und Bürger, für die Versicherten, für die Patienten auf den Weg; denn in Deutschland können Patienten wählen, in welchem Krankenhaus sie sich behandeln lassen wollen. Wir glauben an den mündigen, informierten Patienten, und dieser hat nun mal ein Recht darauf, zu erfahren, welches Krankenhaus welche Leistungen mit welcher technischen und personellen Ausstattung und vor allen Dingen zu welcher Qualität erbringt. Das ist wichtig.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Patienten sehen dann, wie oft ein Krankenhaus bestimmte Eingriffe vornimmt und wie hoch die Komplikationsdichte ist. Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, manche Bundesländer behaupten, man werde den Bürger mit komplexen medizinischen Qualitätsinformationen überfordern. Das, finde ich, ist ein fragwürdiges Patientenbild; darüber können wir doch alle nur den Kopf schütteln, meine Damen und Herren.

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: So ist es!)

Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage aus der Fraktion Die Linke, von Nicole Gohlke?

Ja, bitte.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Vielen Dank, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Die Nachrichten sind ja wirklich voll mit Meldungen über bankrotte Krankenhäuser. Das ist vor allem dem Umstand geschuldet, dass die Häuser in einen ruinösen Wettbewerb untereinander gezwungen werden. Das hat diese Koalition zu verantworten, natürlich auch gemeinsam mit der Union.

Jetzt soll das eigentlich begrüßenswerte Transparenzgesetz aber den Wettbewerb zwischen den Häusern noch verschärfen. Wenn zum Beispiel jemand mit einem Herzinfarkt dringend in einer Klinik behandelt werden muss, dann muss er doch überall gut versorgt werden können.

(Zuruf des Abg. Dr. Andrew Ullmann [FDP])

Denn er kann ja nicht noch 30 Kilometer weiterfahren, weil dort die Kennzahlen besser sind. Daher lautet meine Frage: Wie bringen Sie den Wettbewerbsgedanken im Transparenzgesetz mit dem Sicherstellungsgedanken und dem Anspruch einer flächendeckend guten Akutversorgung zusammen?

(Beifall bei der LINKEN)

Frau Kollegin, vielen Dank für diese vorbereitete Frage, die Sie gerade abgelesen haben. – Ich glaube, Sie haben das Transparenzgesetz, das wir auf den Weg bringen, nicht verstanden.

(Dr. Andrew Ullmann [FDP]: So ist es!)

Es ist einfach Fakt, dass bestimmte komplexe Behandlungen nur in dafür speziell ausgerichteten Kliniken erbracht werden sollen. Davon hängt das Leben der Menschen ab. Statistiken besagen, dass Sie, wenn Sie sich mit einer Krebserkrankung in einer dafür nicht vorgesehenen Klinik behandeln lassen, einem höheren Sterberisiko und einem höheren Risiko ausgesetzt sind, nach der Behandlung unter weiteren schwerwiegenden Erkrankungen zu leiden. Das kann doch nicht sein! Diese Transparenz müssen wir herstellen; das sind wir den Patientinnen und Patienten schuldig.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])

Wir können doch nicht so tun, als ob jedes Krankenhaus jede Behandlung in gleicher Qualität erbringen kann. Darum geht es doch auch gar nicht. Wir wollen Transparenz darüber herstellen, wer was besonders gut kann.

(Zuruf des Abg. Ates Gürpinar [DIE LINKE])

Natürlich können Krankenhäuser auch andere Behandlungen gut durchführen, aber bestimmte Erkrankungen können sie eben nicht gut behandeln. Dafür ist dieses Krankenhaustransparenzgesetz da, und ich verstehe nicht, wie man dagegen sein kann; das muss ich jetzt mal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Simone Borchardt [CDU/CSU]: Das gibt es bereits! – Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Das hat sie ja nicht gesagt!)

Wir bringen die Reformen auf den Weg, um diese Insolvenzen zu verhindern. Wir wissen doch ganz genau: Wenn wir nichts tun würden, dann würden 25 Prozent der Kliniken in die Insolvenz gehen. Deswegen bringen wir das Gesetz auf den Weg. Hören Sie endlich auf, hier irgendwelche Unwahrheiten zu verbreiten! Das ist doch unmöglich.

(Zuruf der Abg. Diana Stöcker [CDU/CSU])

Machen Sie doch mal mit, und ändern Sie etwas! Da können Sie etwas für die Bevölkerung und für die Kliniken tun. Aber sich einfach nur hinzustellen und zu sagen: „Jetzt werden da ohne Strukturveränderungen weitere Milliarden reingestopft“, ohne zu sagen, wo das Geld herkommt, das ist nicht unser Ansatz. Deswegen handeln wir hier anders, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Völliger Unsinn! – Diana Stöcker [CDU/CSU]: Völlig daneben!)

Unser Anspruch ist es, jeden Patienten in diesem Lande in die Lage zu versetzen, informierte Entscheidungen über die eigene Gesundheitsversorgung treffen zu können. Dazu gehört eben auch, sich über die Art und Qualität der Leistungen der Krankenhausstandorte zu erkundigen. Deswegen werden wir die Veröffentlichung der entsprechenden Informationen, allgemein verständlich – das ist uns ganz wichtig –, interaktiv und übersichtlich aufgearbeitet, in diesem Portal auf den Weg bringen. Dabei geht es ausschließlich um Informationen zum Wohl der Patienten. Denn die bisherigen Qualitätsberichte waren weitgehend unbrauchbar; auch das muss man mal sagen.

Natürlich werden wir darauf achten, dass die Pflichten nicht mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verbunden sind; das wurde schon gesagt.

(Ates Gürpinar [DIE LINKE]: Das steht aber drin!)

Ganz im Gegenteil: Bei der Erhöhung der Transparenz denken wir den Bürokratieabbau im Gesundheitswesen natürlich von Beginn an mit.

(Lachen der Abg. Simone Borchardt [CDU/CSU])

Für das Portal werden bereits vorhandene Routinedaten und die Ergebnisse der Qualitätssicherung genutzt. Da können Sie behaupten, was Sie wollen. Das ist Fakt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Außerdem werden wir uns als FDP dafür einsetzen, dass mit der Einführung des Transparenzportals auch die Staatsferne und Unabhängigkeit der Selbstverwaltung gewahrt wird.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Konkret heißt das: Das für die Qualitätsberichte zuständige Institut für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen muss auch weiterhin völlig unabhängig agieren können. Das ist für uns ein wichtiger Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich kann nicht verstehen, was man gegen Transparenz einzuwenden hat.

(Simone Borchardt [CDU/CSU]: Das gibt es schon!)

Denn wir können unserer Bevölkerung doch nicht die Informationen vorenthalten, wo sie am besten ihre Krebserkrankung – ich habe es gerade gesagt – oder ihren Herzinfarkt behandeln oder wo sie sich am besten ihre neue Hüfte einsetzen lassen können. Und die Bevölkerung, meine Damen und Herren auf der Besuchertribüne, kann sich darauf verlassen, dass die Informationen durch ein unabhängiges Institut aufgearbeitet und veröffentlicht werden – einfach handhabbar und verständlich. Das kommt Ihnen allen zugute.

Ich freue mich auf die weiteren Beratungen und die Anhörung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Der nächste Redner ist Ates Gürpinar für die Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7578666
Wahlperiode 20
Sitzung 122
Tagesordnungspunkt Krankenhausstrukturreform
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