21.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. EP / Session 122 / Zusatzpunkt 4

Tim KlüssendorfSPD - Steuererhöhungen für Gas, Fernwärme und Gastronomie

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Görke, es wäre ja vielleicht ratsam, dass Sie, wenn Sie hier einen Antrag stellen, zwei Maßnahmen der Bundesregierung weiterzuführen, vielleicht rhetorisch ein bisschen abrüsten und nicht mit solchen Dingen wie „Wo leben Sie eigentlich?“ oder „Sie greifen in die Taschen“ hantieren.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Es kann ja eigentlich keinen besseren Beleg dafür geben, dass diese Maßnahmen sinnvoll und richtig waren, als dass Sie heute fordern, dass wir sie verlängern.

(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das war aber nicht eure Bundesregierung, sondern unsere Bundesregierung!)

Aber zurück zum Inhalt. Wir haben mit den beiden Maßnahmen, die heute zur Debatte stehen, glaube ich, ein ganz wichtiges Zeichen für die Entlastung der Bürgerinnen und Bürger gesetzt. Die Maßnahmen sind angekommen, und sie waren in den vergangenen Krisen ein ganz wichtiger Baustein bei unserem Bemühen, die Menschen nicht alleinzulassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Maßnahmen waren auch nicht aus Versehen so temporär angelegt, wie sie es sind. Wir haben bei der Gastro eine Befristung gehabt, die wir zunächst zweimal verlängert haben, um uns immer wieder die Situation anzuschauen und zu prüfen, inwiefern diese Unterstützung noch weiter notwendig ist. In diesem Jahr wird es genauso sein; wir werden wieder im Zuge der Haushaltsberatungen prüfen, ob wir eine Unterstützung weiter gewährleisten können oder ob es diesmal im Haushalt in der Abwägung nicht mehr reicht, um diese Subvention fortzusetzen. Das heißt, es wird seriös von uns geprüft, und wir haben dazu noch keine Entscheidung getroffen. Das heißt, Ihrem Antrag können wir in dieser Form noch nicht zustimmen.

Zum Thema Gas muss ich als selbstbewusster Parlamentarier heute auch ein paar kritische Worte zu unserer eigenen Regierung fallen lassen. Dass man eine Einsparung in Höhe von 2,1 Milliarden Euro aus einer „FAZ“-Berichterstattung erfährt und dazu bisher keine tatsächliche Gesetzesinitiative vorliegt, finde ich kritisch; und es wird sicherlich auch in den nächsten Wochen und Monaten Thema sein, wie wir damit umgehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Antje Tillmann [CDU/CSU])

Aber da es heute um den Antrag der Linken geht, habe ich mir einmal die Mühe gemacht, mich damit zu beschäftigen. Herr Görke, ich glaube, ich muss Ihrer Erinnerung da ein bisschen auf die Sprünge helfen, wie Sie damals eigentlich zur Einführung der Mehrwertsteuermäßigung bei Speisen in der Gastronomie standen.

(Markus Herbrand [FDP]: Das wird bestimmt lustig!)

Da habe ich ein paar Zitate mitgebracht. Ich lese mal vor:

„Diese Ermäßigung wollten die Hotel- und Gaststättenverbände ja schon immer – unabhängig von Corona; das hat damit gar nichts zu tun.“

(Armand Zorn [SPD]: Hört! Hört!)

„Sie ist und bleibt die falsche Maßnahme, und sie hilft übrigens auch nicht.“

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der SPD: Aha!)

„Kneipen, Bars und Klubs bekommen gar keine Entlastung, sondern bestenfalls die großen Sternerestaurants.“

(Zuruf von der SPD: Aha!)

„Was soll das dann?“

Stefan Liebich, Fraktion Die Linke, hier am Pult bei der Einführung der ermäßigten Umsatzsteuer auf Speisen in der Gastronomie.

(Maximilian Mordhorst [FDP]: Ja, die sind gespalten! Das haben schon alle mitbekommen!)

Es ging sogar noch weiter. Sie haben sogar davor gewarnt, dass diese Ermäßigung nie wieder abgeschafft werden könnte, nämlich – noch mal wörtliches Zitat –:

„Sie glauben doch selber nicht, dass Sie das in einem Jahr wieder zurücknehmen werden.“

Sie haben das selber heraufbeschworen und stellen jetzt diesen Antrag im Deutschen Bundestag. Da muss ich sagen: Das ist mindestens ein bisschen doppelmoralisch,

(Christine Aschenberg-Dugnus [FDP]: Nicht nur ein bisschen!)

erst die Maßnahmen ablehnen und dann selber dafür sorgen wollen, dass sie verlängert werden. Das, finde ich, ist kein ordentlicher Umgang mit diesem Thema.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie des Abg. Kay Gottschalk [AfD] – Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das ist ein Erkenntnisgewinn!)

Möchten Sie eine Zwischenfrage zulassen?

Ja.

Bitte, Herr Görke.

Vielen Dank, Frau Präsidentin, dass Sie meine Zwischenfrage zulassen. – Herr Kollege Klüssendorf, Sie müssen hier auch die ganze Wahrheit sagen. Sie haben nämlich etwas Wichtiges nicht gesagt, nämlich dass wir uns zu Beginn dieser Debatte über die Unterstützung in der Gastronomie ausdrücklich dafür ausgesprochen haben, Zuschüsse auszureichen und nicht diese Hilfskrücke über die Mehrwertsteuersenkung zu nehmen.

Nun haben Sie diese Pläne aber abgelehnt,

(Tim Klüssendorf [SPD]: Nein!)

und ich finde, dass wir dann auch so fair sein müssen, anzuerkennen, dass das, was sich bewährt hat –

(Stefan Schmidt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach so!)

der DEHOGA geht mit seinen Positionen ja weit darüber hinaus; die Industrie- und Handelskammern Deutschlands fordern das ja auch –, jetzt wenigstens ein Weg sein könnte. Vielleicht wägen Sie das bitte in Ihrem Statement ab, wenn Sie das Protokoll noch mal nachvollziehen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wägen das gerne ab. Sie haben die Zuschüsse angesprochen. Das gibt mir noch mal die Gelegenheit, zu betonen und zu unterstreichen, wie weitgehend die Unterstützung für diese Branche war. Das war nämlich nicht nur die Mehrwertsteuerentlastung, sondern wir haben eine ganze Reihe weiterer Hilfspakete geschnürt, um genau diese Branche gezielt zu unterstützen.

(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Und jetzt fallt ihr denen in den Rücken!)

Vielen Dank, dass Sie das selber noch mal erwähnt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zur Finanzierung, weil Sie ja jetzt auch wieder damit argumentiert haben: Da sind wir gar nicht weit voneinander weg, dass man zum Beispiel höhere Vermögen besteuern sollte. Da bin ich bei Ihnen. Nur, ich habe nicht den Eindruck, dass Sie in den letzten Monaten oder in den letzten beiden Jahren irgendeinen Beitrag dazu geleistet hätten. Denn was braucht man nämlich, um solche Steuerreformen durchzusetzen? Man braucht gesellschaftliche und politische Mehrheiten.

Ich weiß nicht, ob Ihr Beitrag im Zuge Ihrer angehenden Selbstauflösung wirklich was dazu leistet,

(Antje Tillmann [CDU/CSU]: Das ist jetzt echt gemein!)

weil ich glaube, wenn man politische Mehrheiten in diesem Hause erzeugen will, dann ist es vielleicht angeraten, sich nicht nur mit sich selbst und mit der Gründung neuer Parteien zu beschäftigen, sondern auch für die Inhalte einzutreten; und das haben Sie in den letzten Monaten tatsächlich sehr vermissen lassen.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Was ist das denn für ein dummes Zeug? Ein dummes Zeug! – Weitere Zurufe von der LINKEN)

– Das ist kein dummes Zeug.

Im Ergebnis muss ich sagen, dass wir über beide Maßnahmen noch sprechen werden. Es sind wichtige Maßnahmen, die jetzt auslaufen. Auch ich glaube nicht, dass es der sinnvollste Weg ist, während einer Heizperiode eine zugesagte Steuerunterstützung zu entziehen. Das heißt, wir werden in den Haushaltsberatungen darüber noch Entscheidungen treffen, genauso wie zur Frage der Umsatzsteuerermäßigung auf Speisen in der Gastronomie.

(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Hochmut kommt vor dem Fall!)

Ich freue mich auf die weiteren Diskussionen. Wir werden den Antrag heute in den Ausschuss überweisen; das heißt, wir werden Gelegenheit haben, im Finanzausschuss darüber weiter zu reden, und heute auch noch mal, gleich in doppelter Weise, weil noch Anträge von der Union und von der AfD vorliegen.

(Heiterkeit der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich freue mich also auf die weiteren Debatten, und vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat Olav Gutting für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

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Electoral Period 20
Session 122
Agenda Item Steuererhöhungen für Gas, Fernwärme und Gastronomie
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