Till MansmannFDP - Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Die Gastronomie ist immer noch in der Krise, sie ist immer noch nicht wieder auf dem Vorkrisenniveau angekommen. Und nach den pandemiebedingten Schließungen von 2020/21 sind neue Belastungen dazugekommen: Die Energiepreise sind hoch, die Nahrungsmittelpreise sind gestiegen, es gibt Personalengpässe.
Aber die eigentliche Ursache für die schlechte Lage war immer noch die Pandemie, genauer: die staatlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie damals. Geschätzte Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion, es waren doch Ihre Maßnahmen, die das Drama erst ausgelöst haben. Viele erinnern sich ungern.
(Zuruf von der CDU/CSU: Dünnes Eis!)
Ich rufe es Ihnen gerne in Erinnerung: Das war die Zeit, in der Sie es den Menschen verboten haben, allein vor einem Schaufenster zu stehen oder auf einer Parkbank ein Buch zu lesen oder in einem Biergarten oder in einer Weinlaube zu sitzen. Einige Leute aus der Gastronomie und der Kulturbranche würden sich freuen, wenn heute mal gesagt würde, dass man bei den Maßnahmen, die die Gastronomen so massiv geschädigt haben, hier und da übers Ziel hinausgeschossen ist.
(Beifall bei der FDP)
Dabei haben viele Gastronominnen und Gastronomen clevere Hygienekonzepte vorgelegt; sie haben Trennwände aufgebaut und in Filteranlagen investiert. Das alles haben Sie ignoriert, liebe Kolleginnen und Kollegen. Immerhin haben Sie dann zur Unterstützung der Gastronomie irgendwann die Umsatzsteuer temporär gesenkt. Die Befristung, über die wir heute sprechen, die kam von Ihnen.
Wir haben das dann erst mal weiter befristet, wir haben das dann verlängert. Wir Freie Demokraten haben auch beschlossen, dass wir uns dafür einsetzen wollen, dass diese Befristung nun überwunden wird, dass wir die Umsatzsteuersenkung in der Gastronomie verlängern und entfristen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Matthias Hauer [CDU/CSU]: Deshalb stimmt ihr dagegen? Ihr macht doch genau das Gegenteil!)
Aber wir wollen das zu einem Zeitpunkt diskutieren, wo uns auch die entsprechenden Daten vorliegen. Sie machen es sich ziemlich einfach, indem Sie das einfach so fordern, ohne es richtig vorzurechnen. Das ist eine wohlfeile, oppositionelle Bequemlichkeit, die Sie da an den Tag legen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Beim Erfinden harter Maßnahmen waren Sie deutlich produktiver, als Sie es heute sind. Wir haben uns in Deutschland in den letzten Jahren sehr daran gewöhnt, bei jeder Krise das identifizierte Problem mit einem Riesenhaufen Geld zuzuschütten.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Doppel-Wumms!)
Es ist aber nicht unser Geld, es ist das Geld der Bürger. Und manchmal ist es noch nicht mal Steuergeld. Das Kurzarbeitergeld, das ein ganz wesentlicher Faktor in der Pandemiebekämpfung war,
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ihr macht doch den Doppel-Wumms!)
kam aus einer Kasse, die über die Unternehmen, mit der Leistung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, gefüllt worden ist.
Daran müssen wir heute immer denken. Wir müssen heute immer daran denken, dass wir jetzt die Resilienz und die finanzielle Stabilität für die Zukunft wiederaufbauen müssen, damit wir sicher in die nächste Krise hineingehen können, wenn sie dann kommt. Und sie wird irgendwann kommen. Deswegen ist es so wichtig, jetzt Haushaltsdisziplin zu bewahren und sehr sorgfältig durchzurechnen, mit welchen Maßnahmen wir unsere Unternehmen künftig unterstützen.
Die FDP-Fraktion hat sich entschieden, dass wir uns dafür einsetzen wollen, die Umsatzsteuersenkung für die Gastronomie zu entfristen. Wir werden das dann diskutieren, wenn uns die Zahlen vorliegen,
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Welche Zahlen?)
und dann versuchen, mit unseren Kollegen in der Ampel eine Einigung herzustellen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Die Leute brauchen Planungssicherheit! – Michael Donth [CDU/CSU]: Dann stimmt doch heute zu! – Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist denn Finanzminister?)
Vielleicht noch etwas Grundsätzliches: Viel wichtiger, als andauernd am Umsatzsteuerrecht herumzudoktern, ist: Wir sollten wirklich mal ganz grundsätzlich an die Umsatzsteuer herangehen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Dabei müssen wir natürlich sehen, dass man Nahrungsmittel im Supermarkt heute zum Großteil zum ermäßigten Steuersatz bekommt, wir aber in der Gastronomie im Wesentlichen noch die Systematik haben, dass sie dort nicht vergünstigt sind. Das passt nicht ganz zu dem Umstand, dass in der Gastronomie mit einem hohen Personaleinsatz Dienstleistungen erbracht und Arbeitsplätze gesichert werden.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Bald nicht mehr!)
Deswegen: Wenn wir die Umsatzsteuer systematisch anpacken, dann sollten wir darüber nachdenken, an der Stelle Gleichheit herzustellen.
(Zuruf von der LINKEN: Ihr wisst schon, dass ihr regiert, ja?)
Dann haben wir auch den problematischen Unterschied zwischen Außer-Haus-Verkauf und Im-Haus-Verzehr – wo die Dienstleistung eigentlich größer ist – vom Tisch.
Ich freue mich, in diese Diskussion zu gehen. Aber Ihr Gesetzentwurf kommt zur Unzeit. Deswegen wollen wir ihn diesmal nicht unterstützen.
Vielen Dank.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7578742 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 122 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Umsatzsteuergesetzes |