Michael SchrodiSPD - Änderung des Umsatzsteuergesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Vorrednerinnen und Vorredner haben es schon gesagt: Die großen Herausforderungen der letzten Jahre haben wir mit vielen staatlichen Hilfen – Gaspreisbremse, Kurzarbeitergeld – gemeistert. Ich glaube, wie mein Vorredner Tim Klüssendorf sagte: Es gab wenige Branchen, die so viele Hilfen bekommen haben wie die Gastronomie.
Ich erinnere daran, was wir, CDU/CSU und SPD gemeinsam, beispielsweise mit den November- und Dezemberhilfen gemacht haben:
(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Da lief der Laden noch, als wir noch dabei waren, nicht wahr?)
75 Prozent des Umsatzes des Vorjahres. Das war – das muss man deutlich sagen – eine Überkompensation.
(Sebastian Brehm [CDU/CSU]: Die Hälfte geht doch an die Steuer!)
Wir haben das bewusst gemacht, weil wir gesagt haben: Wir wollen der Gastronomie helfen. – Wir haben damals bei der Absenkung des Mehrwertsteuersatzes auf 7 Prozent auch eins deutlich gemacht: „Ja, okay, die Mehrwertsteuer soll eigentlich an Verbraucherinnen und Verbraucher weitergegeben werden. In dem Fall aber“ – mit einem Augenzwinkern – „behaltet es ein. Das ist wichtig für euch in dieser Krisensituation.“
Man sieht also: Die Menschen in der Gastronomie können sich auf die SPD in der Bundesregierung, in der Großen Koalition und in der neuen Ampelkoalition, verlassen.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ha! Die sind verlassen!)
Wir helfen der Gastronomie, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Anja Karliczek [CDU/CSU]: Dann stimmen Sie also zu gleich! Wunderbar! – Zuruf des Abg. Jens Spahn [CDU/CSU])
Manche aber laufen mit dem Füllhorn Mehrwertsteuersenkung hier durch diesen Bundestag. Überall soll die Mehrwertsteuersenkung als Allzweckwaffe Probleme lösen.
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: Ihr wollt doch erhöhen!)
Den Vogel schießt wieder die CSU im bayerischen Wahlkampf ab. Der Söder Markus fordert in den Bierzelten des Freistaates: Mehrwertsteuersenkung auf sämtliche Nahrungsmittel und Getränke, also auch auf Kaviar und Champagner.
(Fritz Güntzler [CDU/CSU]: Das hat Ihr Landwirtschaftsminister doch auch gefordert! – Zurufe der Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU] und Matthias Hauer [CDU/CSU])
„Prost Mahlzeit!“, sage ich. Uli Hoeneß freut sich darüber, die Menschen aber nicht, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Widerspruch bei der CDU/CSU)
Zwei Anmerkungen dazu:
Erst mal steuersystematisch – ich hoffe, Sie sind auch für eine steuersystematische Fragestellung und Diskussion offen –: Vorgesehen ist der ermäßigte Umsatzsteuersatz nur für lebensnotwendige Waren des täglichen Bedarfs. Das waren ursprünglich Lebensmittel, Kulturgüter und Nahverkehr.
(Stephan Brandner [AfD]: Reitpferde! – Zuruf des Abg. Sebastian Brehm [CDU/CSU])
Wir sollten uns genau anschauen, mit welchen Instrumenten wir hier Hilfen zur Verfügung stellen. Das kann man in Krisenzeiten tun, aber es sollte nicht zur Normalität werden.
Zum Zweiten. Was die CDU/CSU hier macht, ist: Sie ruft „Freibier für alle!“, und am Ende will sie die Zeche prellen. Denn Sie versprechen Steuersenkungen in Milliardenhöhe, machen jedoch seit Monaten keinen einzigen Vorschlag dazu. Wir sollen die Schuldenbremse aber auch noch einhalten. Diesen Bierzeltpopulismus glauben Ihnen nicht einmal die Menschen beim Gillamoos, meine sehr geehrten Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Herr Kollege, es gibt einen Zwischenfragenwunsch von Herrn Donth. Möchten Sie die Zwischenfrage zulassen?
Sehr gerne.
Sie wissen, dass ich ansonsten sehr restriktiv bin. Ich lasse hier jetzt keine riesige Zwischenfragenarmada zu, sondern nur einige wenige Fragen. – Bitte schön.
(Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Fragen gehören zum Parlament! Das Salz in der Suppe!)
Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Vielen Dank, Herr Kollege, dass Sie die Zwischenfrage zulassen. – Ich habe Ihnen jetzt zugehört. Zum einen haben Sie darauf hingewiesen – Sie haben noch die Kurve gekriegt –, dass auch die Union dabei war, als man die Mehrwertsteuer gesenkt hat. Sie haben aber auch darauf hingewiesen, dass die Große Koalition ja immens viel Geld in die Hand genommen hat, um die Gastronomie zu stützen. Das ist absolut richtig. Die Gastronomen haben zusätzlich noch Schulden gemacht – der DEHOGA hat es abgefragt –: In Baden-Württemberg sind es 1,5 Milliarden Euro, die die Betriebe jetzt abstottern müssen. Aber sehen Sie nicht auch die Gefahr, dass, wenn Sie die Mehrwertsteuer jetzt wieder von 7 auf 19 Prozent erhöhen, ein hohes Risiko besteht – und alle Umfragen bestätigen das –, dass die Betriebe, die wir mit viel Steuergeld am Leben gehalten haben, jetzt doch schließen müssen? Das ist die erste Frage.
Die zweite Frage – weil Sie ja darauf hinweisen: wo soll das Geld für Steuersenkungen herkommen? – lautet: Wir haben bei der Umsatzsteuer durch die Inflation Mehreinnahmen im mittleren zweistelligen Milliardenbereich.
(Zuruf der Abg. Frauke Heiligenstadt [SPD])
Schon vor zweieinhalb Jahren haben wir die Mehrwertsteuer abgesenkt. Auf Schwäbisch ausgedrückt: Dieser Ausfall ist schon verschmerzt. – Also, wie wollen Sie den Gastronomen klarmachen, dass sie jetzt darunter leiden sollen, dass zusätzlich 3,3 Milliarden Euro Mehrwertsteuer eingenommen werden sollen? Die Frage ist, ob es überhaupt so viel wird.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zu den inflationsbedingten Mehreinnahmen. Auch bei der Mehrwertsteuer stehen unserem Staat – dem Bund, den Ländern und Kommunen – massive Mehrausgaben bevor, nicht nur krisenbedingt, sondern weil die Teuerungsrate ja auch bei den öffentlichen Haushalten ankommt. Und es ist eine Milchmädchenrechnung, immer nur die Einnahmenseite zu sehen, sondern sie müssen die Ausgabenseite auch sehen, die genauso mitwächst. Insofern ist da kein Puffer drin, den wir noch für irgendwelche zusätzlichen Steuersenkungsmaßnahmen, die Sie hier in den Raum stellen, verwenden könnten.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Andreas Mattfeldt [CDU/CSU]: Die Ampel hat ein Ausgabenproblem!)
Zum Zweiten. Ich kenne die Debatte und natürlich auch die Befürchtungen der Gastronomie schon seit Jahrzehnten, dass Maßnahmen, die wir auf den Weg gebracht haben, ihr schaden könnten.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Das ist Ihnen egal!)
Ich erinnere zum Beispiel an die Debatte zur Frage des Rauchverbots in Gaststätten. Ich weiß noch genau, wie der Teufel an die Wand gemalt wurde, wie sehr das zu einem flächendeckenden Gaststättensterben führen würde.
(Nina Warken [CDU/CSU]: Ja, das haben wir doch aber! – Gegenruf der Abg. Maja Wallstein [SPD]: Aber doch nicht wegen des Rauchverbots!)
Das ist nicht eingetroffen.
(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Es gibt nur noch ganz wenig Kneipen auf dem Land!)
Wir werden uns auf das konzentrieren, was wir in vielen Gesprächen, auch mit dem DEHOGA, hören: Das entscheidende, das drängendste Problem für die Gastronomie
(Matthias Hauer [CDU/CSU]: … ist die Ampel!)
ist gerade der Fachkräftemangel. Und anstatt sich endlich mal dafür zu öffnen,
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
dass wir Menschen brauchen, die zu uns kommen und hier arbeiten – nicht nur in der Gastronomie –, führen Sie unsinnige Obergrenzendebatten. Das schadet der Gastronomie, das hilft dem Arbeitsmarkt und auch der Gastronomie nicht weiter.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Nina Warken [CDU/CSU]: Die Leute wollen ja gar nicht arbeiten, sondern lieber Bürgergeld beziehen! Es lohnt sich doch gar nicht, zu arbeiten!)
Zu dem Punkt passt auch der Entschließungsantrag, den Sie hier vorgelegt haben, der untauglich ist, der übrigens Ihr Bild von den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern noch mal deutlich zeigt. Sie wollen steuerliche Begünstigungen von Überstunden. Sie wollen die tägliche Höchstarbeitszeit flexibilisieren. Bereits jetzt ist es doch so, dass es wegen der unattraktiven Arbeitszeiten schwer ist, Menschen für die Arbeit in der Gastronomie zu finden. Jetzt sollen die wenigen, die noch da sind, länger arbeiten, flexibler werden.
(Anja Karliczek [CDU/CSU]: Das stimmt überhaupt nicht! Das hat niemand gesagt!)
Sie treiben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in die Selbstausbeutung. Das treibt die Menschen nicht hin, sondern weg aus der Gastronomie.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf der Abg. Anja Karliczek [CDU/CSU])
Gleichzeitig, wie ich schon gesagt habe, weigern Sie sich, anzuerkennen, dass wir auch Menschen brauchen, die in der Gastronomie arbeiten wollen. Das sind auch Menschen aus dem europäischen und sonstigen Ausland.
Noch eins. Wir erhalten Post mit Argumenten, die für eine Verlängerung sprechen. Wir lesen auch die Einschätzungen von Ökonominnen und Ökonomen aller Denkrichtungen, die von einer Verlängerung abraten, die sagen: Wenn wir 3,3 Milliarden Euro Mindereinnahmen hätten, dann würden wir das Geld eher in Schulen, in die Bahn stecken. Die Professorin Langenmayr von der Universität Eichstätt-Ingolstadt beispielsweise hat dringend davon abgeraten; das konnte man heute im „Spiegel“ lesen.
Wir werden als Koalition unter Berücksichtigung der Belange der Gastronomie wie auch im Rahmen des Haushalts eine Entscheidung fällen.
Herr Schrodi.
Einem so billigen und für die Gastronomie auch schädlichen Antrag können wir aber natürlich nicht zustimmen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Sebastian Brehm hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7578750 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 122 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Umsatzsteuergesetzes |