Sebastian RoloffSPD - Pakt für Wachstum und Wohlstand
Vielen Dank. – Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Dr. Wiener, wenn man Ihnen eins nicht nachsagen kann, dann, dass Sie etwas schönreden würden. Das stimmt.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Er ist ein Profi! Er ist ein Kenner!)
– Ja, er ist ein Profi, insbesondere im Schwarzmalen.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Nein! Er hat das studiert! – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Ich habe das 30 Jahre beruflich gemacht! Ich weiß, wovon ich rede!)
Da kann man sich natürlich auch fragen: Mit welcher Farbe malen Sie sonst? Wir haben diese Woche gelernt: mit Türkis oder was das sein soll, Rhöndorf. Ich hoffe, dass Sie sich politisch nicht an den österreichischen Kolleginnen und Kollegen orientieren, sondern es bei der Farbe bleibt.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
Das schließt nämlich ganz hervorragend an eine Äußerung von Herrn Linnemann an, der ja bei Ihnen nicht ganz unwesentlich ist.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Super Typ!)
Der sagt: „Wir sind nicht nur der kranke Mann Europas, sondern laut Internationalem Währungsfonds der kranke Mann der Welt.“ Herr Linnemann, die Formulierung des kranken Mannes Europas ist nicht von Ihnen. Die wird seit 1998 von dem Ökonomen Holger Schmieding genutzt. Ich finde sehr spannend, was Holger Schmieding zur aktuellen Situation der deutschen Wirtschaft im August 2023 sagte: Diejenigen, die Deutschland wieder auf dem Krankenlager oder dem Sterbebett sehen, würden das Wesen der deutschen Wirtschaft missverstehen und verwechseln kurzfristige Konjunkturschwäche mit den längerfristigen Möglichkeiten. – Man kann es nicht schöner sagen. Ihr Zitatgeber!
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ja, die Situation ist herausfordernd. Kritik zu üben, ist das gute Recht der Opposition, alles in Ordnung. Ob das hilft, wenn Sie allmählich beim Herbeireden eines wirtschaftlichen Kollapses ein bisschen absurde Züge an den Tag legen, ist Geschmackssache.
(Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Drei Quartale Schrumpfung in Folge! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Herbeireden?)
Aber wir können gerne einmal mehr darüber reden, warum wir in der aktuellen Situation sind; Herr Wiener hat es ja auch gefragt.
Ich sage es gerne noch mal: Wir waren energiepolitisch sehr abhängig von Russland. Das ist gerade für unsere energieintensive Industrie ein großes Problem. Wir sind eine Exportnation; das war über Jahrzehnte unsere große Stärke. Jetzt ist natürlich klar, dass sich ein Schwächeln von China zum Beispiel ganz massiv auch auf uns auswirkt, nicht nur beim Wachstum, sondern auch bei den Lieferketten. Die weltweite Transformation des Mobilitätssektors trifft einen Automobilstandort – und wer würde bestreiten wollen, dass wir ein wesentlicher Automobilstandort sind? – stärker als andere Länder. Das ist alles logisch zu erklären. Die weiteren Herausforderungen – hohe Inflation wegen des russischen Angriffskrieges, Zinslasten, Fachkräftemangel, Bürokratie und zu lange Genehmigungsverfahren – tun entsprechend ihr Übriges. Das darf und soll man kritisieren. Jetzt aber so zu tun, als wenn eine Regierung, die knapp zwei Jahre im Amt ist, allein dafür verantwortlich wäre, ist etwas, was man machen kann, aber nicht wirklich seriös ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Wir arbeiten in der Koalition daran, die Versäumnisse abzuarbeiten und die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Scheint ja richtig in die Hose zu gehen!)
Wir haben das Energieangebot maßgeblich erhöht und bauen die erneuerbaren Energien und die Netze aus. Wir haben die Fachkräfteoffensive, die Sie in Ihrem Antrag fordern, längst gestartet und den inklusiven Arbeitsmarkt verbessert. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz führt dazu, dass wir das modernste Einwanderungsmodell weltweit haben; es ist schon unterwegs. Nächste Woche reden wir über das Bürokratieentlastungsgesetz IV. Das Wachstumschancengesetz ist schon beraten worden. Beim Thema Genehmigungsverfahren hat der Kanzler eine nationale Kraftanstrengung von Bund und Ländern – das geht ja so ein bisschen in die Richtung Ihres Wachstumspakts – angeboten, um in diesem Jahr noch Maßnahmen zu erarbeiten und auf den Weg zu bringen. Dementsprechend sind wir da auf einem weit besseren Weg, als Sie es skizzieren.
Es ist aber natürlich so, dass wir darüber hinaus noch ein paar Maßnahmen brauchen. Ich habe es auch schon angekündigt: Solange wir uns nicht geeinigt haben, fordere ich einen befristeten Industriestrompreis. Das tue ich an dieser Stelle auch weiterhin.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Ach! Wieder eine Variante!)
Ich bin mir aber sehr sicher, dass wir uns da in der Regierung bald einigen. Natürlich kann die Opposition da, sofern sie mal weniger Populismus, dafür mehr Fakten an den Tag legt, gerne mitarbeiten.
Was meine ich mit Populismus, wenn ich höre, dass Sie gerade schon wieder mit Zwischenrufen sehr aktiv sind? Auch in diesem Antrag ist es so: Alles, was Sie fordern – das ist teilweise auch nicht falsch, ich habe es gesagt –, passiert im Rahmen der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel. – Alle Ihre Anträge im Wirtschaftsausschuss diese Woche forderten Mehrausgaben. Ihre „Sauerländer Erklärung“, die so ein bisschen der wirtschaftspolitische Befreiungsschlag hätte sein sollen, beinhaltet mehrere Investitionsoffensiven
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Wir müssen uns nicht befreien!)
– doch, das glaube ich schon bei der Performance von Herrn Merz –
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
und Steuersenkungen, aber bei Beibehaltung der Schuldenbremse. Sie können alles fordern, aber sagen nicht, wie es finanziert wird. Ich glaube, ein bisschen Klarheit wäre da nicht schlecht.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Ich komme zur Bewertung der Lage. Es ist ja legitim, dass Sie positive Faktoren der deutschen Wirtschaft nicht so nennen, weil das nicht in die Argumentation passt. Wir müssen aber zur Kenntnis nehmen, dass die Erzeugerpreise im August zum Beispiel 12,6 Prozent niedriger waren als ein Jahr zuvor. Das zeigt, dass unsere Maßnahmen offensichtlich greifen. Und ja, der IWF hat auch schon ein BIP-Wachstum von 1,3 Prozent für das nächste Jahr prognostiziert. Klar ist auch, dass wir dieses Jahr einen leichten Rückgang haben. Das liegt aber auch an Sondereffekten: Coronahilfsprogramme, die auslaufen etc. Dementsprechend ist das erklärbar. Wir sehen eher eine leichte Delle und sind wieder auf einem guten Weg. Wir müssen natürlich daran arbeiten, dass es stärker wird.
(Julia Klöckner [CDU/CSU]: Leichte Delle! – Dr. Klaus Wiener [CDU/CSU]: Leichte Delle? Das finde ich zynisch! – Julia Klöckner [CDU/CSU]: Das ist zynisch!)
– Ich habe es gerade erklärt. Sie können es ja noch mal nachlesen. – Wir sind aber nicht in einer klassischen Rezession. Ob Sie sie herbeireden wollen oder nicht, weil es Ihnen in die Argumentation passt, ist Geschmackssache. Aber man macht es halt seriös, oder man plärrt nur herum.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Leif-Erik Holm hat das Wort für die AfD.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7578772 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 122 |
Tagesordnungspunkt | Pakt für Wachstum und Wohlstand |