21.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 122 / Zusatzpunkt 9

Thomas HackerFDP - Änderung des Filmförderungsgesetzes

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Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Popcorn kaufen – XXL, süß oder salzig –, den richtigen Platz im Dunkeln suchen, es sich bequem machen, zurücklehnen und die Vorfreude genießen, vielleicht noch eine Eiswerbung, solange man sie noch sehen darf: „Like Ice in the Sunshine“. Und los geht’s: Thriller, Krimi oder Schnulze? Komikverfilmung, Kriegsdrama oder Schülerkomödie? Literaturverfilmung, Dokumentation oder Experimentelles? Ja, das Kino ist bunt. Ja, das Kino zieht an. Ja, das Kino lebt.

Fast 1 Million Besucher kamen vor zwei Wochen zum zweiten Kinofest in 771 teilnehmenden Kinos. Die Besucherzahlen steigen. Das sind die guten Nachrichten. Ja, das Kino lebt. Es lebt vor allem von den Filmen: „Avatar“, „Super Mario“, „Barbie“ und „Oppenheimer“, das waren die Blockbuster des Jahres. „ Barbie“ und „Oppenheimer“ als „Barbenheimer“ oft im Doppelpack, so schräg sich das für einen Boomer auch anhören mag. Das Kino lebt von den Filmen.

Heute diskutieren wir die Zukunft der deutschen Filmförderung. Der vorliegende Gesetzentwurf ist dürr. Im Ergebnis werden die bestehenden Regeln der Filmförderung wieder verlängert, diesmal um ein zusätzliches Jahr. Schön wäre es, wenn wir diesen Gesetzentwurf heute nicht mehr zu beraten bräuchten. Es war die sogenannte Große Koalition,

(Michelle Müntefering [SPD]: Ja!)

die den deutschen Film in die Freiheit entlassen wollte und scheiterte. Offenbar reichten zwei weitere Jahre nicht, um ein in sich schlüssiges Konzept vorzulegen, erarbeitet mit der Filmbranche im Dialog, erarbeitet mit allen, nicht abgeschrieben bei einem.

Doch wie ist die Lage der Filmbranche? Im „Tagesspiegel“ beschrieb Achim Rohnke die aktuelle Situation der gesamten Branche vor wenigen Tagen so:

„Deutsche Filme und Serien werden im Ausland gedreht, in Babelsberg und Berlin stehen die Studios leer … Wo andernorts Dynamik herrscht, verharrt Deutschland im Stillstand.“

Bitter. Und wir antworten mit einem Weiter-so.

Dabei scheint die Lösung so schwer nicht zu sein. Unsere Nachbarn machen es uns vor: Spanien, Großbritannien, Tschechien und zuletzt Österreich. Die Lösung: Steuer- oder Zuschusssysteme, unbürokratisch, ohne lange Antrags- und Entscheidungswege, einfach und planbar, auch über mehrere Jahre hinweg, weg von Entscheidungsrunden in den Hinterzimmern. Und es wirkt: Eine befreite Filmindustrie schafft dort Arbeitsplätze und Filmerfolge.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wenn das Bekenntnis des Bundeskanzlers zu einer weitreichenden Entscheidung für den deutschen Film im nächsten Jahr diese Reform auch für Deutschland sieht, stehen wir Liberale an seiner Seite. Es wäre ein wichtiges, ein überfälliges Signal an eine zutiefst verunsicherte Branche.

Anders dagegen Vorschläge, die seit letzter Woche kursieren, wohl direkt aus dem Giftschrank der Bundeskultur. Wer sie da nur hineingestellt hat? Statt eines Befreiungsschlags soll Bevormundung kommen, statt die Zukunft der Branche zu ermöglichen, soll ihr ein Korsett angelegt werden. Eingriffe in die Vertragsfreiheit, eine der elementaren Grundlagen unserer sozialen Marktwirtschaft, mit staatlich verordneten Nachschlagszahlungen oder einem sogenannten Rechterückfall sollen vorgenommen werden.

Es soll eine Investitionsverpflichtung zum Einkauf von deutschen Filmprodukten durch Fernsehsender und Streamer von sage und schreibe 20 Prozent des eigenen Umsatzes geben, auch wenn das europarechtlich gar nicht geht; 75 Prozent davon in originär deutschsprachigen Produktionen, obwohl der Filmmarkt ein weltweiter Markt ist und die Zusammenarbeit über Ländergrenzen hinweg auf der Tagesordnung steht. Dieses filmpolitische Klein-Klein wird es mit uns nicht geben.

Der deutsche Film braucht eine Zukunft. Für die kulturelle Filmförderung haben wir ein Instrumentarium, das die notwendige Unterstützung liefert. Wenn wir aber den deutschen Film und deutsche Filmproduktionen in den Kinos, Sendern und Streamern in Europa und der Welt erleben wollen, dürfen wir der Branche kein Korsett anlegen. Damit rauben wir ihr die Luft.

Mit einer steuerlichen Anreizförderung geben wir der deutschen Filmbranche die Luft zum Atmen. Wir geben ihr Möglichkeiten, im Wettbewerb mit anderen europäischen Filmstandorten zu bestehen, internationale Produktionen in Deutschland abzudrehen und so den deutschen Film auf die Weltbühne zurückzubringen. Dies zu schaffen, ist unsere Aufgabe, im Dialog im Parlament, im Dialog mit der ganzen Branche und nicht durch einsame Entscheidungen.

Wenn wir dies schaffen, geben wir dem deutschen Film und der deutschen Filmwirtschaft eine Zukunft. Wenn wir dies schaffen, können wir uns auf eine vergnügliche, spannende, unterhaltsame und manchmal auch nachdenkliche oder traurige Zeit mit deutschen Filmen oder Filmen aus Deutschland freuen – idealerweise im Kino, aber sicherlich manchmal auch auf der Couch.

Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vielen Dank, Kollege Hacker. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Dr. Petra Sitte, Fraktion Die Linke.

(Beifall bei der LINKEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7578789
Wahlperiode 20
Sitzung 122
Tagesordnungspunkt Änderung des Filmförderungsgesetzes
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