Volker UllrichCDU/CSU - Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Frage nach dem Charakter des Strafverfahrens und die Änderung einer jahrzehntealten Praxis ist ein rechtspolitisch bedeutendes Vorhaben. Ich frage mich schon ein bisschen, weswegen die Koalition diese Debatte in 26 Minuten am Abend fast versteckt. Es wäre vor dem Hintergrund der Bedeutung angebracht, diese Debatte am Vormittag in der Kernzeit zu führen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Herr Minister Buschmann, der Verweis auf die US-amerikanische Strafrechtspraxis vermag gerade kein Argument zu sein, weil wir aus guten Gründen in Deutschland viele Elemente der amerikanischen Strafrechtspraxis nicht übernommen haben und nicht übernehmen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist zumindest ein Stück weit erfreulich, dass Sie von Ihren ursprünglichen Plänen, eine audiovisuelle Aufzeichnung vorzusehen, also Bild und Ton, abgerückt sind. Aber das Lob ist nur sehr eingeschränkt, unter anderem weil Sie eine Experimentierklausel für die Länder vorsehen, dass diese die Möglichkeit erhalten, eben doch Videoaufzeichnungen im Gerichtssaal vorzunehmen. Das ist aus unserer Sicht brandgefährlich – zum einen, weil Sie die Idee eines einheitlichen Prozessrechts in Deutschland, das seit über 150 Jahren gilt, mit dieser Idee ad acta legen, und zum anderen, weil Sie bei der Frage der Videoaufzeichnung vollkommen übersehen, dass sich durch eine Kamera ja auch das Aussageverhalten von Zeugen ändert.
In Ihrer Rede hat mir übrigens eines ganz gefehlt, nämlich die Frage des Zeugenschutzes und der Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten. Eine solche Änderung geht nicht, ohne die Rechte der Zeugen zu beachten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben auch nicht über die künftigen Belastungen der Justiz gesprochen. Bis zum Jahr 2030 werden fast 40 Prozent der Richter und Staatsanwälte in den Ruhestand gehen. Die Justiz wird sich aber weiterhin größeren Verfahren gegenübersehen. Das Hauptaugenmerk einer vorausschauenden Justizpolitik muss doch darauf liegen, den Pakt für den Rechtsstaat zu verstetigen, für mehr Stellen in der Justiz und für bessere Ausstattung zu sorgen, und nicht darauf, die Justiz durch ein solches Reformvorhaben über Jahre hinweg zu verunsichern. Nichts anderes tun Sie mit diesem Gesetzentwurf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zudem ist überhaupt nicht geklärt, wie Sie bei einer augenblicklichen Fehlerrate von 20 bis 30 Prozent bei einer automatischen Transkription das technisch hinbekommen. Deswegen wäre der klügere Ansatz, erst die Technik abzuwarten, die Justiz gut auszustatten und dann in einigen Jahren mit diesem Gesetzentwurf an die Öffentlichkeit zu gehen. Aber bis dahin wird die FDP sicherlich nicht mehr regieren.
(Beifall bei der CDU/CSU – Stephan Thomae [FDP]: Ihr aber auch nicht!)
Das Wort hat Sonja Eichwede für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7578837 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 122 |
Tagesordnungspunkt | Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz |