21.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 122 / Tagesordnungspunkt 17

Thomas SeitzAfD - Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In Strafverfahren vor Land- und Oberlandesgerichten dokumentiert bisher das Protokoll nur die wesentlichen Förmlichkeiten. Richter, Staatsanwalt und Verteidiger schreiben als Grundlage für Verfahrensanträge, Plädoyers und das Urteil mit, was Angeklagte, Sachverständige und Zeugen angeben. Wenn zukünftig der Inhalt der Hauptverhandlung dokumentiert wird, sollen sich die Beteiligten besser auf den Verlauf der Verhandlung konzentrieren können, so der Ansatz der Reform. Hierzu soll eine Tonaufzeichnung gefertigt und das Gesagte automatisch verschriftlicht werden. Warum? Weil es ersichtlich nicht umsetzbar ist, unzählige Stunden Tonaufzeichnung nochmals anzuhören.

Fakultativ können die Länder zukünftig auch eine Bildaufzeichnung vorsehen. Diese Öffnungsklausel lehnen wir wie der Bundesrat strikt ab.

(Beifall bei der AfD)

Bei einer so wichtigen Verfahrensfrage darf es keinen vermutlich von der Kassenlage bestimmten Flickenteppich geben.

Bei Spracherkennungssystemen wird die Software durch Training auf die individuelle Sprechweise eingestellt. Mit durchgehend hoher Sprechdisziplin beim Diktat lässt sich die Fehlerquote minimieren. Die vorgesehene Transkriptionssoftware muss dagegen auch mit zufälligen Sprechern zurechtkommen, aber auch mit Erfolg. Viele Zeugen sind es nicht gewohnt, vor Zuhörern zu sprechen, und vor allem durch die Umgebung vor Gericht zusätzlich eingeschüchtert oder aufgeregt. Für eine brauchbare Aussage muss man einen Zeugen zudem reden lassen, wie er es gewöhnt ist, egal ob es um Dialekt oder Umgangssprache geht. Die Beteiligten in der Verhandlung kommen damit gut zurecht, aber auch die Software?

Zudem: Kaum ein Zeuge redet druckreif. Das bedeutet sehr viele Füll- und Verlegenheitswörter, unvollständige Sätze oder Teilsätze, die nicht zusammenpassen. Das Verständnis einer automatischen Mitschrift ist auch deshalb schwerer als das der mündlichen Aussage. Will man wirklich, dass die Beteiligten nicht mitschreiben müssen, dann muss das Skript im Nachgang zur Verhandlung auch gelesen werden. Spätestens in langwierigen Verfahren, wenn es um Hunderte von Seiten geht, ist es notwendig, wichtige Einzelheiten herauszuschreiben. Es gibt dann also eine nachträgliche Mitschrift statt einer aus der Verhandlung. Selbst wenn die Qualität der Transkription besser ausfällt als befürchtet, wird es in jedem Fall zu einer Zusatzbelastung bei den Beteiligten kommen. Aber ist die Strafjustiz nicht bereits ausreichend belastet und überlastet? Und wenn man bereit ist, mehr Geld für Richter und Staatsanwälte auszugeben, könnte man dieses dann nicht sinnvoller einsetzen?

Ebenso geht der Gesetzentwurf nicht auf den Mehraufwand bei den Verteidigern ein. Die anwaltliche Vergütung muss diesen zeitlichen Mehraufwand aber berücksichtigen.

Trotz dieser absehbaren Umsetzungsprobleme, vieler rechtlicher Probleme und der finanziellen Auswirkungen lehnen wir eine Reform nicht grundsätzlich ab. Zielführend wäre es aber, zunächst durch eine mindestens fünfjährige Erprobung an wenigen Gerichten belastbare Erkenntnisse aus der Praxis zu gewinnen, bevor eine flächendeckende Reform auf den Weg gebracht wird.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7578839
Wahlperiode 20
Sitzung 122
Tagesordnungspunkt Hauptverhandlungsdokumentationsgesetz
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