Nina ScheerSPD - Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist immer wieder erstaunlich, welche Forderungen aus genau den Reihen kommen, die es in den letzten Jahren eben nicht geschafft haben, genau die Maßnahmen, genau die Fragestellungen, die wir uns heute vornehmen, an die erste Stelle zu setzen.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
Ich möchte etwas mal ganz konkret ansprechen: Wenn Sie, Herr Jung, davon sprechen, es müsse alles schneller gehen, es gehe alles zu langsam, dann aber schon im nächsten Halbsatz sagen, wir sollten doch lieber erst mal etwas auf europäischer Ebene aufbauen, dann müssten Sie doch eigentlich merken, dass das ein Widerspruch in sich ist.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Felix Banaszak [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Sie können doch hier nicht einerseits ein konkretes, sofortiges Handeln fordern und andererseits, bevor etwas getan wird, einen europäischen Willensbildungs- und Meinungsbildungsprozess in Gang setzen wollen. Aber genau das fordern Sie ja, wenn Sie sagen, dass Sie beides gleichzeitig wollen. Das ist also widersprüchlich. Und damit verstecken Sie sich genau vor den Herausforderungen, die wir mit der Nationalen Wasserstoffstrategie angehen.
Ich möchte auch noch mal daran erinnern, dass die zuvor gültige, 2020 unter Schwarz-Rot von Herrn Altmaier in Gang gesetzte Nationale Wasserstoffstrategie für 2030 einen Anteil erneuerbarer Energien bei der Gewinnung von Wasserstoff von gerade mal 13 Prozent vorgesehen hätte. 13 Prozent! Im Grunde genommen war es eine kleine Mogelpackung;
(Jens Spahn [CDU/CSU]: Ach herrje!)
denn man braucht ja Wasserstoff als Ersatz für das Fossile. Sonst macht Wasserstoffanwendung keinen Sinn. Wir brauchen Wasserstoff als Ersatz für Gas und als Speichermedium, weil wir ja alle wissen, dass beim Hochlauf der erneuerbaren Energien neben einem gesunden Netzmanagement
(Zuruf des Abg. Dr. Rainer Kraft [AfD])
und einem guten Ausgleich im Mix der Erneuerbaren unbedingt auch Speicher gebraucht werden, und natürlich Wasserstoff und seine Derivate, die wir mit reinnehmen, als Ersatz für die fossilen Gase. Eine solche Vielschichtigkeit der alternativen Gase als Ersatz für die fossilen, die gilt es anzustoßen. Und sie wird natürlich nicht angestoßen, wenn man dabei die Basis erneuerbarer Energien untergräbt; dann kommt man nämlich nicht dorthin, wo man hinwill.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Insofern steht hier in Rede, dass wir uns mit der neuen Wasserstoffstrategie, die von der Bundesregierung im Sommer auf den Weg gebracht und beschlossen wurde, um die Verfügbarkeit kümmern – das ist eben bisher nicht der Fall gewesen; das wurde nicht durch die Wasserstoffstrategie abgedeckt –, aber auch darum, die Mengen an Wasserstoff, die wir sektorübergreifend brauchen werden, deutlich nach oben zu setzen, nämlich – mein Kollege Andreas Rimkus hat es schon genannt – von 5 auf 10 Gigawatt, und natürlich die Anwendung zu etablieren. Denn was bringen die Mengen, wenn wir sie nicht in die Anwendung bringen? Dafür brauchen wir natürlich auch geeignete Rahmenbedingungen.
Wenn Sie dann sagen, wir würden uns dabei nicht um europäische Anliegen kümmern, ist das auch falsch.
(Zuruf des Abg. Andreas Jung [CDU/CSU])
Dann haben Sie die neue Nationale Wasserstoffstrategie nicht gelesen; denn darin ist auch enthalten, dass neben dem Kernnetz von 1 800 Kilometern auch 4 500 Kilometer europäisches Netz angelegt werden. Auch die gilt es zu etablieren; denn wir wissen ja, dass wir im Energiemarkt nicht auf einer Insel leben, sondern einen europäischen Verbund haben, wenngleich natürlich gilt – das hat auch schon die Ökonomin Elinor Ostrom gesagt und dafür den Nobelpreis bekommen –, dass Dezentralität überlegen ist. Deswegen setzen wir zuerst mit Reallaboren, mit der Schaffung von entsprechenden Rahmenbedingungen, mit dem Vorrang der Erneuerbaren, mit einem ganzen Konglomerat an Maßnahmen viele Anreize, dezentral Erneuerbare zu gewinnen und in Elektrolyseure zu bringen, auch etwa mit einem Instrument wie „Nutzen statt Abregeln“, das wir gerade als Koalition auf den Weg bringen.
Wir wissen aber auch, dass wir als klassisches Importland, was Energie angeht – wir sind nicht nur Exportland –, nicht sofort komplett auf Importe verzichten können und gerade im Wasserstoffbereich auch auf Partner angewiesen sein werden – aber diversifiziert; wir machen nicht die Fehler der Vergangenheit.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Michael Sacher [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Deswegen ist dreierlei abgebildet: die Anreizwirkung für den heimischen Markt, die Dezentralität – und hier gilt es, die entsprechenden Mengen mit der Schaffung von Rahmenbedingungen für die Etablierung der Nutzung erneuerbarer Energien zu erhöhen – und darüber hinaus die handelsbezogenen Mengen, die wir durch Importe ins Land bringen. Insofern ist es eine Nebelkerze, wenn hier vonseiten der Union das Gegenteil unterstellt wird.
In diesem Sinne: Ich bin überzeugt, dass wir hier einen wichtigen Baustein schaffen, und möchte noch mal der Behauptung entgegentreten, dass hier nicht gehandelt würde. Das Gegenteil ist der Fall. Die Zukunft haben wir mit der Nationalen Wasserstoffstrategie skizziert.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)
Nächster Redner: für die AfD-Fraktion Marc Bernhard.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7580516 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 123 |
Tagesordnungspunkt | Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie |