22.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 123 / Tagesordnungspunkt 35

Kristine LütkeFDP - Pflegestudiumstärkungsgesetz

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Sehr geehrter Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich wundere mich schon manchmal ein bisschen: Je später der Freitagnachmittag, desto dreister die Aussagen mancher Kollegen hier im Raum.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Manch einer vergisst auch, dass die Ausbildung ausländischer Fachkräfte oftmals noch besser ist als die, die man hier in Deutschland bekommt.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Von daher möchte ich das an dieser Stelle zunächst einmal klarstellen.

Ich bin Pflegeunternehmerin. Deswegen weiß ich aus erster Hand um die Situation des Fach- und Arbeitskräftemangels. Ich weiß auch aus erster Hand, wie schwierig es ist, qualifiziertes und vor allem auch motiviertes Pflegepersonal zu finden. Und ich weiß, wie dringend die zu Pflegenden auf die Unterstützung durch die Pflegekräfte angewiesen sind. Mit jedem Jahr wird es schwieriger. Immer weniger junge Menschen müssen sich um immer mehr ältere Menschen kümmern. An kaum einer Stelle wird das so deutlich wie im Pflegebereich.

Der Wettbewerb um die besten Schulabgänger ist jedes Jahr hart, und er wird noch härter. Laut Statistischem Bundesamt sank im Jahr 2022 die Zahl der Auszubildenden in den Pflegeberufen im Vergleich zum Vorjahr um 7 Prozent. Um das mal konkret zu machen: Das sind über 4 000 junge Frauen und Männer, die wir in der Pflege mehr als gut gebrauchen könnten.

Das zeigt: Um junge Menschen für einen Pflegeberuf zu begeistern, brauchen wir dringend attraktive Berufsbilder und Perspektiven.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört neben der dualen Berufsausbildung eben auch das Hochschulstudium.

An der Stelle möchte ich aber auch ganz klar sagen: Als FDP-Fraktion sehen wir die zunehmende Akademisierung von Ausbildungsberufen ja generell eher kritisch; denn die berufliche Bildung ist in Deutschland eine jahrzehntelange Erfolgsgeschichte. Das Fundament unserer Gesellschaft sind in großen Teilen das Wissen und die Fähigkeiten, die Millionen von Menschen während ihrer Ausbildung erlernen und erlernt haben.

Wir müssen also auch den Wert der Auszubildenden im Pflegebereich und deren Arbeit besser wertschätzen. Deshalb ist es auch begrüßenswert, dass durch den Gesetzentwurf erstmals auch digitale Kompetenzen als Ausbildungsziele in den Pflegeberufen festgeschrieben und digitale Unterrichtsformate ermöglicht werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist auch für die Auszubildenden ein wichtiger Schritt, um diese Branche zukunftsfest zu machen, um neue Fähigkeiten zu vermitteln, sodass wir in diesem Bereich die Möglichkeiten der Digitalisierung und die von künstlicher Intelligenz nutzen können. Das macht die Berufe attraktiver, und das ermöglicht vor allem auch mehr Zeit mit den zu Pflegenden.

Gleichzeitig geht es in dem Gesetz nicht einfach nur um eine weitere Akademisierung eines Ausbildungsberufs. Es geht vielmehr darum, die Attraktivität des bereits bestehenden Studiengangs zu steigern, dadurch langfristig mehr junge Menschen für das Studium zu begeistern und damit die evidenzbasierte Pflege voranzubringen.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hier machen wir nun erste richtige Schritte zu einer Verbesserung der Bedingungen; denn Studierende werden in Zukunft für die gesamte Dauer ihres Studiums eine angemessene Vergütung erhalten. Dadurch stärken wir das Berufsbild der Pflege bei Abiturientinnen und Abiturienten, machen das Studium attraktiver und tragen auch zur Fachkräftesicherung bei.

Gleichzeitig werden durch das Gesetz endlich die beruflichen Anerkennungsverfahren für ausländische Pflegekräfte vereinheitlicht und vereinfacht. So schaffen wir die Möglichkeit, statt durch aufwendige Prüfungen zur Gleichwertigkeit von Abschlüssen ausländische Berufsabschlüsse durch eine Kenntnisprüfung anzuerkennen – ein längst überfälliger Schritt, um dem Fachkräftemangel in der Pflege wirksam entgegenzutreten; denn ausländische Fachkräfte sind für die Versorgung pflegebedürftiger Menschen nahezu unerlässlich geworden.

Dennoch gibt es auch noch einige offene Punkte im Gesetzgebungsverfahren. Ein paar sind mir aus meiner praktischen Erfahrung in einer Leitungsfunktion auch besonders wichtig, nämlich die Klarstellung, dass Studierende in der Praxis mit am Bett und in der Versorgung eingesetzt werden müssen und dass examinierte Fachkräfte durch Studierende ergänzt, aber eben nicht ersetzt werden können. Sonst demotivieren wir ebenjene Pflegefachkräfte.

Die Übertragung heilkundlicher Tätigkeiten auf Pflegekräfte muss baldmöglichst geregelt werden; denn die Pflegekraft soll selbst entscheiden, ob Rollstuhl oder Rollator, ob Ergotherapie oder Physiotherapie notwendig ist.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Matthias W. Birkwald [DIE LINKE])

Zum Schluss noch eine persönliche Anmerkung. Berufe und Tätigkeiten in der Pflege sind von hohen medizinischen, organisatorischen und psychologischen Anforderungen geprägt. Die meisten von uns kommen spätestens im Alter damit in Berührung. Wir können jetzt gemeinsam dazu beitragen, dass mehr Menschen langfristig in den Genuss von guter Pflege kommen, weil wir die Rahmenbedingungen für die Ausbildung gemeinsam verbessern.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7580613
Wahlperiode 20
Sitzung 123
Tagesordnungspunkt Pflegestudiumstärkungsgesetz
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