Mechthild HeilCDU/CSU - Aktuelle Stunde: Gemeinsam für unser Handwerk
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herzlich willkommen hier an einem wunderbaren Mittwochnachmittag zu den Sonntagsreden von Grün, Gelb und Rot.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Was soll da eigentlich ein anderer denken, der diese Debatte verfolgt, eine Frau, die in der Zimmerei arbeitet, oder ein Mann, der Maurermeister ist, wenn er Ihnen heute in dieser Debatte zuhört? Sonntagsreden. Aber wir brauchen keine Sonntagsreden, sondern wir wollen, dass Sie handeln, dass Sie endlich etwas für das Handwerk tun. Deswegen danke für die Aktuelle Stunde heute!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das Handwerk hat Probleme. Das Handwerk fängt an mit der Ausbildung. Da brauche ich mich nur bei mir im ländlichen Raum umzuschauen. Ländlicher Raum, das heißt: lange Anfahrtswege, nicht nur zu den Betrieben, sondern natürlich auch zur berufsbildenden Schule. Da werden Klassen zusammengelegt, die Anfahrtswege werden immer größer. Und was tun Sie? Sie schreiben zwar in Ihren Koalitionsvertrag: „Führerschein mit 16“ – wir sehen aber nichts davon.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie führen zwar ein 49-Euro-Ticket ein, aber auf dem Land haben wir nichts davon.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Ausstattung von Berufsschulen fällt weit hinter die Ausstattung von Universitäten zurück. Und was machen Sie? Sie kürzen 12 Millionen Euro im Haushaltsentwurf für das Jahr 2024. Die Gleichwertigkeit von Berufsausbildung sieht da anders aus.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Natürlich heißt Handwerk auch, sich selbstständig zu machen. Ich selbst habe das mal gemacht, nicht als Handwerkerin, aber als Architektin. Wenn ich dann heute mit Gründerinnen und mit Gründern rede, die schon länger dabei sind, dann sagen die mir alle unisono: Ich sitze nur noch im Büro. Das, was ich eigentlich mal wollte, mit meiner Hände Arbeit etwas tun, meine Leidenschaft für meinen Beruf leben, wirklich etwas tun in meinem Beruf – das kann ich nicht mehr, denn die Verwaltung, die Bürokratie, die steigen mir über den Kopf.
(Dr. Anja Reinalter [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: 16 Jahre wer?)
Wenn Sie es ernst meinen mit „gemeinsam für das Handwerk“, dann hören Sie doch auf mit den Nachweisen, den Statistiken, den Formularen, den ganzen Kennzeichnungspflichten, die Sie den Handwerkern auflasten.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Machen Sie doch Ernst damit, dass Sie die Handwerker ernst nehmen und ihnen das Leben erleichtern.
(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Und die letzten 16 Jahre?)
Das ist Ihre Aufgabe, liebe Kollegen von der Ampel!
Handwerker sein, das heißt aber auch: Man muss immer besser werden, man muss sich dem Wettbewerb immer ganz neu stellen.
(Andreas Audretsch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist die Realität! Face it!)
Das heißt – wir haben es eben schon gehört –, der Digitalisierung muss man sich stellen, man muss neue Ideen bringen und sich immer weiterentwickeln. Ich habe mir vor ein paar Monaten mal einen Seilroboter angeguckt. Ich weiß nicht, ob Sie die schon mal gesehen haben; bestimmt bei Fernsehaufführungen, bei Sportveranstaltungen. Die fliegen mit Kameras versehen über das Stadion und machen tolle Bilder. Das Gleiche kann man auf einer Baustelle machen: Da werden Steine versetzt, den ganzen Tag, 24 Stunden lang, an sieben Tagen die Woche. Eine wahnsinnig tolle Technik; das geht sehr schnell, sehr fix. Aber was tun Sie dafür? Wie fördern Sie so etwas? Das kann ein kleiner Handwerker nicht selber erfinden und nicht selber leisten, sondern dafür muss es Forschungsmittel geben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Und wo sind die in Ihrem Haushalt? Nirgendwo.
Sie haben es angesprochen: Zum Handwerk gehören Frauen wie Männer. Dass eine Frau oder auch ein Mann einfach nur mitarbeitet, aber nicht sozialversicherungspflichtig beschäftigt ist, das sollte wirklich der Vergangenheit angehören. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist im Handwerk in den kleinen Betrieben, in den mittelständischen Betrieben existenziell; sie entscheidet über den Erfolg oder den Misserfolg ganz oft mit. Und was tun Sie? Ich vermisse hier den Arbeitsminister, und ich vermisse auch die Familienministerin in dem Punkt. Nichts kommt von Ihren Fraktionen dazu! Wenn Sie heute schon so ein Thema aufsetzen, dann hätte ich gerne auch eine Antwort dazu gehört.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Sie haben es auch angesprochen: Sie wollen mehr für junge Leute tun. Sie haben sogar davon gesprochen, auch Geflüchtete in den Arbeitsmarkt im Handwerk einzubringen.
(Zuruf von der SPD: Und die CDU?)
Ja, und was erlebe ich vor Ort? Das erste Lehrjahr läuft noch, aber im zweiten und dritten Lehrjahr scheitern ganz viele der jungen Menschen in der Ausbildung, und zwar nicht, weil sie kein Engagement mehr haben; nicht, weil sie sich nicht interessieren; nicht, weil sie die Arbeit nicht können – sondern sie scheitern in der Berufsschule. Sie scheitern an den Fachausdrücken, an dem, was in der Berufsschule geleistet wird, fernab von dem, was sie im Handwerk in ihrem Alltag gebrauchen. Tun Sie was dagegen!
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich erlebe es so, dass die Hilfe nur von privaten Initiativen kommt. Das sind Lehrer, die in ihrer Freizeit helfen; das sind die Frauen und die Männer in den Betrieben, die diesen jungen Auszubildenden helfen. Tun auch Sie etwas dazu!
Und wenn Sie schon so eine Debatte mit diesem lyrischen Begriff „gemeinsam für das Handwerk“ aufsetzen, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann kann ich Ihnen nur mit einem Zitat von Erich Kästner antworten: „Es gibt nichts Gutes, außer: Man tut es.“ Schaufenster zu dekorieren, wie Sie das tun, das ist auch eine hohe Handwerkskunst; aber Sie müssen bedenken: Hinten muss man auch was zum Verkaufen haben, und da mangelt es bei Ihnen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner ist Andreas Audretsch für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7590855 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 124 |
Tagesordnungspunkt | Aktuelle Stunde: Gemeinsam für unser Handwerk |