27.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 124 / Tagesordnungspunkt 4

Holger BeckerSPD - Besserstellungsverbot für gemeinnützige Forschungseinrichtungen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Egal ob an Universitäten, an Fachhochschulen, bei Start-ups, bei etablierten Unternehmen, in gemeinnützigen Forschungseinrichtungen von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena über Helmholtz bis hin zur Zuse-Gemeinschaft: Forschung in unserem Land hat sehr vielfältige Gesichter und ist auch immer eins: eine der zentralen Grundlagen unseres gesellschaftlichen Wohlstands.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Deswegen ist es aus meiner Sicht eminent wichtig, die Bedingungen für Forschung in unserem Land so günstig wie möglich zu gestalten und Forschung in der Breite zu stärken und zu unterstützen. Eine Regel dabei sollte sein: Was vereinfacht werden kann, sollte vereinfacht werden.

Wir verhandeln hier heute den Antrag der Kolleginnen und Kollegen von der Union zur Flexibilisierung des sogenannten Besserstellungsverbots. Gerade mir als Forschungspolitiker aus dem Osten Deutschlands ist es wichtig, zu diesem Thema zu sprechen, weil auch das Programm Industrielle Gemeinschaftsforschung, kurz IGF, im Wesentlichen davon betroffen ist – ein Programm, von dem in hohem Maße die neuen Bundesländer profitieren, insbesondere – aber nicht nur – Sachsen und Thüringen.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Ja, das stimmt! – Stephan Albani [CDU/CSU]: Ihr wollt es kürzen!)

Dieses seit 1954 existierende Programm zielt darauf ab, insbesondere kleine und mittlere Unternehmen in die Lage zu versetzen, sich zusammenzutun, um vorwettbewerbliche Herausforderungen ihrer Branche durch gemeinsame Forschung anzugehen. So hilft ein Programm wie IGF kleinen und mittleren Unternehmen dabei, ihre Produkte weiterzuentwickeln, up to date zu bleiben und am Ende des Tages noch wettbewerbsfähiger zu werden.

Was hat es nun mit dem Besserstellungsverbot auf sich? Wie bereits erwähnt: Das Prinzip des Besserstellungsverbots besteht darin, dass die Bewilligung staatlicher Zuwendungen unter der Bedingung erfolgen soll, dass ein Zuwendungsempfänger seine Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht besserstellt als vergleichbare Beschäftigte des Bundes.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Er kann sie nicht mal gleichstellen! – Lars Rohwer [CDU/CSU]: Das sieht unser Vorschlag vor!)

Dies entspricht den haushalterischen Grundsätzen der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit. Das ist im Prinzip auch nicht falsch.

Die dagegen im Wissenschaftsfreiheitsgesetz bedachten Einrichtungen sind von dem Besserstellungsverbot ausgenommen. Das sind die großen Forschungseinrichtungen – Helmholtz, Max Planck, Leibniz, Fraunhofer –, aber auch kleinere wie die Max Weber Stiftung oder acatech. Deren Argumentation – das haben wir vorhin schon mal gehört – ist: Wenn man die besten Köpfe international anziehen möchte, muss man ihnen ein entsprechendes Angebot machen. Darüber hinaus ergibt sich aber auch in der Forschung das Problem, wirkliche Äquivalenzbesoldung zu identifizieren, insbesondere wenn es über die Tarifgruppen des TVöD hinausgeht.

Nun unterliegen die Institutionen der IGF eben nicht dem Wissenschaftsfreiheitsgesetz und fallen damit unter das Besserstellungsverbot.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Ja, das ist doof!)

Das sind tatsächlich nicht wenige in den Bundesländern. Ich nenne hier mal beispielhaft – aber es sind noch viel mehr – die Innovationsallianz Baden-Württemberg, die Sächsische Industrieforschungsgemeinschaft und den Forschungs- und Technologieverbund Thüringen.

Unterschiedliche Lesarten haben in den letzten Jahren gerade innerhalb dieser Förderrichtlinie für die Industrielle Gemeinschaftsforschung, indem explizit hinsichtlich des Besserstellungsverbotes abgefragt wurde, für wirklich viel Unsicherheit und Unklarheit gesorgt. Die Institutionen der IGF wurden bei Antragstellung aufgefordert, Ausnahmegenehmigungen – das haben wir schon gehört – zum Besserstellungsverbot zu erwirken. Dass diese Ausnahmegenehmigungen oft lange brauchten, zeigt, wie kompliziert die vorliegende Materie tatsächlich ist.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Nee! Die ist total einfach!)

– Na ja. Die Hängepartie der letzten Jahre war jedenfalls alles andere als einfach.

Was Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, mit dem Antrag hier vorschlagen – pauschal die gemeinnützigen Forschungseinrichtungen in das Wissenschaftsfreiheitsgesetz, ein Bundesgesetz, mit aufzunehmen –, da bin ich tatsächlich ein bisschen skeptisch.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Sie müssen sich um die Forschungsförderung bemühen, erst mal!)

Denn das widerspricht der Logik des Gesetzes. Das sind alles Institutionen, die eine Bundesgrundförderung haben,

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Nein!)

und darunter fällt die IGF tatsächlich nicht. Das ist dieses Thema. Sobald sie eine Grundförderung haben, haben wir auch Bundesvertreter in den entsprechenden Aufsichtsgremien.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Das muss ja gar nicht sein! – Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das ist doch gar nicht notwendig!)

Das klingt für mich jetzt nicht mehr nach Wissenschaftsfreiheitsgesetz.

(Beifall bei der SPD – Stephan Albani [CDU/CSU]: Beim Forschungsantrag wird die Forschungswürdigkeit ja überprüft!)

Dass sich allerdings das BMWK, das BMF und das BMBF in der Sache zusammensetzen, um dieser Hängepartie ein Ende zu bereiten, ist sicherlich richtig. Das ist der richtige Ansatz, und da sind sie auch dabei. Es ist ja nicht so, dass da nichts passieren würde.

(Lars Rohwer [CDU/CSU]: Nur ist noch nichts rausgekommen! – Gegenruf der Abg. Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Aber das ist ja zumindest schon mal die Erkenntnis! Da muss man schon froh sein!)

Deswegen denke ich, die Lösung, die sich des Weges über das Haushaltsgesetz bedient, ist die wesentlich praktikablere Lösung.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Nein! – Lars Rohwer [CDU/CSU]: Die letzte Änderung ist schiefgegangen! – Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das wird noch länger dauern!)

Der pragmatische Ansatz ist tatsächlich, wie schon geschildert, zunächst mal zu sagen: Die Personen werden bis zu einem entsprechenden Level des öffentlichen Ansatzes gefördert. Darüber hinaus sollen sie schauen, wo sie das Geld herbekommen.

(Stephan Albani [CDU/CSU]: Ja, das ist unser Vorschlag!)

Ich bin mir relativ sicher, dass wir in der ministeriellen Ausführung des Haushaltsgesetzes auch tatsächlich dahin kommen werden.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Oh! Haben Sie das auch abgestimmt? – Lars Rohwer [CDU/CSU]: Oh!)

Also, es ist ein dickeres Brett zu bohren. Aber ich glaube, wir finden eine Lösung dafür.

(Daniela Ludwig [CDU/CSU]: Das wäre schön!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, das Thema ist tatsächlich sehr wichtig, und es wird uns inhaltlich sicherlich auch weitestgehend einen. Ich gehe fest davon aus, dass das Thema in den nächsten Wochen durch Regierungshandeln zufriedenstellend und hoffentlich auch rechtssicher gelöst wird – zum Wohl der Forschung in unserem Lande.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Das Wort hat Lars Rohwer für die CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7590911
Wahlperiode 20
Sitzung 124
Tagesordnungspunkt Besserstellungsverbot für gemeinnützige Forschungseinrichtungen
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