Jens SpahnCDU/CSU - China-Strategie der Bundesregierung
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Fangen wir mit den Gemeinsamkeiten in der Analyse, bei der Bestandsaufnahme an. Warum braucht es eine neue China-Strategie? Weil China sich in den letzten zehn Jahren verändert hat. Vor allem ist China aggressiver geworden, auch militärisch, erhebt Ansprüche in der Region weit über das eigene Territorium hinaus. China ist imperialer geworden. Zu lange haben wir bei einem anderen Thema von einem rein privatwirtschaftlichen Projekt gesprochen. Aber die Seidenstraße ist kein rein wirtschaftliches Projekt, es ist auch ein imperiales Projekt. Die Kommunistische Partei mit Xi Jinping drängt in ihrer Logik in den letzten Jahren und Monaten immer wieder und immer weiter nach vorne, mit fatalen Folgen für Menschenrechte, Wirtschaft und Gesellschaft.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Gleichzeitig ist China der größte Handelspartner der EU. Alle Seiten haben von diesen wirtschaftlichen Beziehungen profitiert – alle Seiten! – und tun es bis heute. Deswegen geht es darum, auch für uns als Exportnation, die richtige Balance zu finden, auch im nationalen Interesse.
Und Frau Lötzsch, ich muss sagen: Es ist schon interessant, hier einmal mehr sozusagen das Hufeisenmodell beobachten zu können.
(Beifall bei der CDU/CSU – Zurufe von der LINKEN: Oh! – Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Peinlich!)
Ihre Begeisterung für autoritäre Regime, Ihre Begeisterung für kommunistische Regime, Ihre Begeisterung für Putin, Ihre Blindheit gegenüber kommunistischen autoritären Systemen – das ist nicht im nationalen Interesse und nicht im europäischen Interesse. Das gehört auch klar ausgesprochen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Wir sind bei dem Grundgedanken, der daraus folgt, ähnlicher Meinung – Stichwort „De-Risking“. Dieses muss man dann natürlich auch füllen: Was ist eigentlich damit gemeint, Risiken zu minimieren? Es geht nicht um die klassischen unternehmerischen oder Investitionsrisiken, die es im außenwirtschaftlichen Bereich immer gibt, sondern es geht vor allem darum, die Risiken hinsichtlich Abhängigkeit, die Risiken für unsere Souveränität zu erkennen, zu minimieren, zu managen. Das gilt auch für technologische Risiken, bei den Rohstoffen oder für außenpolitische Risiken. Und es ist übrigens auch ein Risiko, wenn der Absatzmarkt von China abhängt, wenn einzelne große Unternehmen in Deutschland 40 Prozent ihres Gewinnes auf dem chinesischen Markt machen.
Das ist wahrscheinlich eine Jahrhundertaufgabe; deshalb haben wir als Union Ihnen zu Beginn dieses Jahres ein Angebot gemacht. Eine Strategie in der Außenpolitik gegenüber einem Land wie China sollte nicht von vierjährlichen Wahlrhythmen abhängen. Vielmehr ist es ist im nationalen Interesse unseres Landes, dass es eine breit getragene China-Strategie gibt. Aber wir müssen sehen – wie bei der Migration, wie in der Wirtschaftspolitik, wie in der Energiepolitik –: Sie schlagen die ausgestreckte Hand aus, meine Damen und Herren! Wir bieten Ihnen in unserem nationalen Interesse bei diesem Thema einmal mehr an, miteinander eine im Bundestag breit getragene China-Strategie zu entwickeln und nicht einfach nur einseitig eine vorzulegen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wir werden auch sehr bald konkret auf Sie zukommen mit einem Vorschlag, nämlich dem Vorschlag, miteinander einen China-Check einzuführen, sodass wir einmal jährlich hier im Deutschen Bundestag – von einer Kommission aus Expertinnen und Experten aufbereitet – über die Abhängigkeiten reden: Wo sind wir überhaupt abhängig von China, wirtschaftlich und in anderen Bereichen? Welche dieser Abhängigkeiten ist überhaupt ein Problem – nicht jede Abhängigkeit in den wirtschaftlichen Beziehungen ist per se ein Problem –, und wie kann man mit diesem Problem umgehen?
(Zuruf der Abg. Dr. Alice Weidel [AfD])
Sich das jährlich auf wissenschaftlicher, auf fundierter Basis systematisch anzuschauen und dann hier im Bundestag zu beraten, das ist unser Angebot, unser Ansinnen. Damit werden wir auf Sie in den nächsten Wochen zukommen, und dann werden wir sehen, wie ernst Sie es mit den Gemeinsamkeiten in der China-Politik meinen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist naheliegend, hier Konfuzius zu zitieren: „Der überlegene Mensch ist bescheiden in seinen Reden, aber er übertrifft sich im Handeln.“ Er übertrifft sich also im Handeln und nicht beim Reden. Und hier liegt das Problem, meine Damen und Herren in der Bundesregierung. Zu oft tun Sie – so auch in den letzten Wochen – das Gegenteil dessen, von dem Sie aufgeschrieben haben, dass es richtig wäre. Nur einige Beispiele:
Es wäre richtig – da sind wir miteinander erst einmal theoretisch einer Meinung –, zu diversifizieren, mehr Handelsbeziehungen mit anderen zu haben, um Risiken hinsichtlich der Handelsbeziehungen zu China zu minimieren. Doch wenn wir hinschauen, was konkret passiert, dann stellen wir fest: Sie machen das Gegenteil. Sie haben mit Ihren Sonderwünschen und Ihren zusätzlichen Ideen, mit Ihren Lawinen an neuen Ideen und neuen Vorschlägen das Projekt Mercosur, ein Jahrhundertprojekt angesichts der Ausgangslage in der Welt, ein wirkliches Jahrhundertprojekt, so überfrachtet, dass jetzt das Risiko besteht, dass es vielleicht gar nicht dazu kommt; die ersten Länder in Südamerika wollen aussteigen. Es ist Ihre Verantwortung, wenn dieses große Projekt am Ende nicht gelingt, wenn es an der deutschen Bundesregierung scheitert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wer es tatsächlich ernst mit Diversifizieren meint, wer es ernst damit meint, die Risiken hinsichtlich China zu reduzieren, der darf Handelsverträge nicht immer mehr mit anderen Themen überfrachten, die da gar nicht hineingehören, sondern der braucht mehr Geschwindigkeit bei neuen Handelsverträgen: mit Japan, mit Indien, mit den USA, mit dem Vereinigten Königreich, mit vielen anderen Ländern auf der Welt. Hier könnten Sie ein Motor sein in Europa, aber zu sehen ist nichts von dieser Bundesregierung.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Dann letzte Woche: neue Sektorleitlinien für Exportkreditgarantien. Klingt furchtbar technisch, hat aber fatale Auswirkungen. Dadurch werden Turbinen künftig von den Amerikanern, von den Japanern, von den Chinesen geliefert werden, aber eben nicht mehr aus Deutschland. Der Welt ist damit wenig geholfen, der deutschen Außenwirtschaft ist damit gar nicht geholfen, und für das Thema „Souveränität und Reduzierung von Abhängigkeiten“ tun Sie der ganzen Sache noch einen Tort an. Ziehen Sie diese Leitlinien zurück, und helfen Sie der deutschen Industrie beim Export!
(Beifall bei der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, Souveränität fängt zu Hause an. Die Voraussetzung ist eigene Stärke, auch eigene wirtschaftliche Stärke. Denn was haben wir anderen Ländern zu bieten? Schauen wir objektiv hin: Eines der größten Angebote, das wir machen können, um geostrategisch im Austausch zu sein, ist unsere wirtschaftliche Stärke; dazu gehören starke wirtschaftliche Beziehungen. Diese Stärke ist aber gerade gefährdet. Wir sind das einzige Industrieland, dessen Leistung schrumpft. Jeden Tag werden Investitionsentscheidungen in Deutschland gegen Deutschland getroffen. Es sind nicht diejenigen das Problem, die darauf hinweisen, was da gerade passiert, sondern die Schönredner in der Bundesregierung sind das Problem, wenn es darum geht, die wirtschaftliche Stärke in Deutschland zu erhalten und dafür zu arbeiten, dass wir Industrieland bleiben.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Daher abschließend, Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir reichen Ihnen in dieser Frage sehr bewusst die Hand für eine China-Strategie, die breit getragen ist. Aber es gibt eine Voraussetzung: die Bereitschaft, vom Reden ins Handeln zu kommen und tatsächlich auch zu zeigen, dass man es ernst damit meint, die Abhängigkeiten von China zu reduzieren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die SPD-Fraktion Dr. Nils Schmid.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Source | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
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Electoral Period | 20 |
Session | 125 |
Agenda Item | China-Strategie der Bundesregierung |