28.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 125 / Zusatzpunkt 2

Kevin KühnertSPD - Maßnahmen für bezahlbares Bauen und Wohnen

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist wirklich eine Leistung: Also, es wurde ein Paket vorgelegt. Da ist zur Hälfte schon mal das drin, was ihr in eurem Antrag gefordert habt, und es ist anscheinend ein „Totalausfall“, wie wir jetzt gelernt haben. Aber gut. Vielleicht sprechen wir kurz über die Sachen, die zugegebenermaßen nicht in diesem Paket drin sind und die ihr, lieber Jan-Marco Luczak, in eurer Vorlage gefordert habt.

Es findet sich ja zum Beispiel noch weiter unten im Antrag der Punkt – dazu hast du jetzt gar nicht gesprochen –: Ihr fordert uns zum Unterlassen weiterer Regulierungen im Mietrecht auf, die die Schaffung von dringend benötigtem Wohnraum verhindern würden. Das sollten wir jetzt mal angehen. Das ist also ein großes Problem. Das haben wir zugegebenermaßen nicht adressiert – ehrlich gesagt, auch aus Überzeugung.

Ich frage mich etwas. Als ich das letzte Mal nachgeguckt habe, da warst du noch Schatzmeister bei der Berliner CDU, also im Vorstand von Kai Wegner. Ihr habt in der Berliner CDU das Paket „Faires Wohnen für alle“ vorgelegt, in dem ihr euch für Mietenkataster, die Abkehr von der bestehenden Modernisierungsumlage, die Regulierung von Indexmietverträgen, die Bekämpfung von Mietwucher und vieles andere mehr aussprecht. Ich finde das total klasse. Vielleicht geht ihr einfach noch mal in Klausur und klärt, ob es jetzt ein schlimmes Verbrechen am Wohnungsmarkt ist, so was zu machen, oder nicht eigentlich berechtigter Schutz von Mieterinnen und Mietern. Ich würde sagen: Zweites.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE] – Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

Herr Kühnert, erlauben Sie die Zwischenfrage?

Na klar.

(Heiterkeit bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Dr. Holger Becker [SPD]: Kennt ihr euch?)

– Im Wahlkampf schon mal gesehen.

(Heiterkeit – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Aber nicht duzen!)

Frau Präsidentin! Herr Kühnert, vielen Dank, dass Sie die Frage zulassen. – Was ich gemeint habe – das ist ganz zentral –: Sie wissen, dass Ihre Bundestagsfraktion vor wenigen Wochen ein Papier beschlossen hat, in dem es um einen bundesweiten Mietenstopp geht – einen bundesweiten Mietenstopp! Das haben Sie als Fraktion vorgeschlagen. Das schlagen Sie vor in einer Lage, in der wir sehen, dass die Baugenehmigungszahlen flächendeckend einbrechen. Und warum brechen sie ein? Weil – ich hatte das in meiner Rede kurz angesprochen – das Bauen in unserem Land momentan so teuer ist, dass am Ende Mieten von 18, 19, 20 Euro und mehr herauskommen, sodass solche Projekte gar nicht mehr refinanziert werden können und nicht mehr wirtschaftlich tragbar sind.

Wenn Sie jetzt sagen, Sie würden einen bundesweiten Mietenstopp machen, dann führt das am Ende möglicherweise dazu, dass die Mieten geringer sind. Ja!

(Daniel Föst [FDP]: Können wir zur Frage kommen?)

Nur, das eigentliche Problem ist doch: Dann werden diese neuen Mietwohnungen gar nicht erst entstehen. Das heißt, Sie bewirken mit Ihrer Politik, einem bundesweiten Mietenstopp, am Ende einen Investitionsstopp. Sie machen damit eine Politik für all diejenigen, die momentan eine Wohnung haben.

Noch mal: Da sind wir gar nicht dagegen. Natürlich wollen auch wir soziale Leitplanken. Aber unser Ansatz als Union ist, auch an diejenigen zu denken, die momentan in den Schlangen bei den Wohnungsbesichtigungen stehen: 500 Leute und mehr. Ich will mal sagen: –

Kommen Sie bitte zu Ihrer Frage.

– Von den 500 Leuten, die bei einer Wohnungsbesichtigung in der Schlange stehen, gehen am Ende 499 nach Hause und haben keine Wohnung, weil es eben nur diese eine Wohnung gibt.

(Bernhard Daldrup [SPD]: Wo ist denn jetzt die Frage?)

Deswegen ist das Drehen an der Regulierungsspirale am Ende nicht das Allheilmittel, –

(Daniel Föst [FDP]: Das ist doch keine Frage, oder?)

Herr Luczak, bitte stellen Sie Ihre Frage.

– sondern wir müssen dafür sorgen, dass mehr Wohnungen in unserem Land gebaut werden, damit alle Leute eine bezahlbare Wohnung bekommen.

(Beifall des Abg. Henning Rehbaum [CDU/CSU] – Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Er muss keine Frage stellen! Das steht in der Geschäftsordnung!)

Ein Kollege wollte noch klatschen; zumindest das wollte ich noch zulassen. Die anderen waren schon in Trance.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Herr Kollege, das, was wir als Koalition überhaupt an Mietenregulierung im Koalitionsvertrag festgelegt haben, bewegt sich etwa im Rahmen dessen, was Ihr Regierender Bürgermeister in Berlin auch gefordert hat. Ich halte einfach mal fest: Schon das war in den letzten Jahren der gemeinsamen Zusammenarbeit in der Großen Koalition nicht möglich durchzusetzen. Man kann ja über einen grundsätzlichen Mietenstopp und die Frage, ob 6 Prozent in drei Jahren nun eine angemessene Größe sind oder nicht, unterschiedlicher Auffassung sein. Aber wenn selbst die eigenen Leute zu der Einschätzung kommen: „Das geltende Regelwerk reicht gerade in überlasteten Wohnungsmärkten nicht aus, um die Leute im Bestand zu schützen“, dann sollte es einem als Fraktion, glaube ich, schon zu denken geben, ob man da noch auf der Höhe der Zeit ist.

Ich habe im Vorfeld dieser Diskussion noch mal in ein altes Plenarprotokoll zum Wohnungsgipfel der Bundesregierung 2021 reingeguckt. Der Bauminister war – damals im Nebenberuf – Horst Seehofer

(Zuruf der Abg. Christina-Johanne Schröder [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

und hat hier eine große Bilanz, die viel schlechter war als alles, worüber wir heute sprechen, vorgetragen.

(Ulrich Lange [CDU/CSU]: Oh! Pinocchio!)

In einer bemerkenswerten Schlussbemerkung hat er sich an den damals noch in der Opposition befindlichen Kollegen Föst gerichtet und folgende Worte gesprochen, die ich Ihnen jetzt gerne mitgeben möchte. Er hat nämlich gesagt:

„Wenn ihr einfach so weitermacht und mit Bezug auf ein paar Immobilienfunktionäre, die ich schätze, die wichtig sind, eine Politik betreibt, ohne Rücksicht auf die Mieter – also 60 oder 70 Prozent der Bevölkerung – zu nehmen, die oft die Hälfte ihres Einkommens aufwenden müssen, um die Miete zu bestreiten, wenn ihr einen so großen Teil der Bevölkerung ausgrenzt,“

dann werdet ihr zu Recht aus dem Parlament fliegen.

(Roger Beckamp [AfD]: Sollten sie mal!)

Ich weiß nicht, ob das übernächste Woche passiert; ist auch nicht mein Bier. Aber ich möchte euch und Ihnen gerne diesen Ratschlag mitgeben: Behalten Sie auch in Ihrer Rolle in der Opposition die Interessen von Mieterinnen und Mietern zumindest noch ein bisschen im Blick. Auch die werden in diesem Land für den sozialen Frieden gebraucht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist eben so: Wenn man sich die Rede von Seehofer damals anguckt, stellt man fest: Gefeiert hat er sich für über 700 000 Wohnungen im Bauüberhang, also genehmigte Wohnungen, die aber gar nicht realisiert worden sind. Und das ist immer euer Problem in der Debatte gewesen. Die Annahme war: Wenn nur genügend Wohnungen genehmigt sind, dann baut sich das irgendwann schon von alleine.

(Zuruf des Abg. Florian Müller [CDU/CSU])

Ihr habt den Blick dafür verloren, dass da viele dabei waren, die selbst in den Niedrigzinszeiten nicht ins Bauen gekommen sind, häufig aus spekulativen Gründen, auf der Suche nach einer noch größeren Rendite.

Jetzt brüllt ihr uns im Prinzip zu, dass wir dem Haufen derjenigen, die schon bei niedrigen Zinsen nicht gebaut haben, mit Noch-und-nöcher-Förderungen helfen sollen, ihre irrsinnigen Renditevorstellungen zu erreichen. Guckt euch doch an, wer die Projektentwickler sind, die jetzt im Moment vielfach die Grätsche machen! Nicht selten sind es eben auch solche, die vor allem für große Luxusbauprojekte in den Innenstadtlagen zuständig gewesen sind. Es ist nicht die Aufgabe unserer Politik – das sage ich ganz klar –, mit staatlichen Mitteln, mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, solche Renditeträume zu erfüllen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unser Auftrag ist es, bezahlbares Wohnen in der Breite zur Verfügung zu stellen.

(Zuruf des Abg. Ulrich Lange [CDU/CSU])

Dabei brauchen wir die Länder und die Kommunen vor Ort; das haben die Mitglieder des Bündnisses am Montag auch noch mal deutlich adressiert. Zwei Drittel der vereinbarten Maßnahmen gehen in den Kompetenzbereich von Ländern und Kommunen. Nun haben hier Kolleginnen und Kollegen der Unionsfraktion sowohl aus Bayern als auch aus Hessen heute in der Sitzung gesprochen.

Ja, die Bilanz ist doch dürftig; das stellt man fest, wenn man hinguckt. Die CSU guckt jetzt in Bayern zurück auf fünf Jahre, in denen Herr Söder mit seiner BayernHeim,

(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

die er vor fünf Jahren als Show Act gegründet hat, 10 000 bezahlbare Wohnungen schaffen wollte. Keine einzige hat er gebaut; 200 und ein paar Zerquetschte hat er angekauft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist die dürftige Bilanz. Das geht alles in die Gesamtzahlen mit ein. Vor Ort werden große Töne gespuckt, aber es wird nichts gemacht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Ulrich Lange [CDU/CSU])

Oder: Herr Aiwanger sorgt in der Landesregierung dafür, dass die Grundsteuer C in Zukunft in Bayern nicht durchgesetzt werden kann. Da kann man sich doch hier nicht vollmundig hinstellen und sagen: „Wir müssen mal was für die Baulandmobilisierung in Deutschland tun“, wenn man es vor Ort nicht schafft, dafür zu sorgen, dass der Schwanz mal aufhört, mit dem Hund zu wedeln.

(Zuruf der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Herr Aiwanger sorgt dafür, dass ihr dieses Instrument nicht anwenden könnt. Damit werden bebauungsreife, beplante Grundstücke nicht bebaut. Da fehlen konkrete Wohnungen.

(Zurufe der Abg. Lisa Badum [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Emmi Zeulner [CDU/CSU])

Oder denken Sie, Herr Kollege Meister, an das Beispiel des Alten Polizeipräsidiums in Hessen. Die Landesregierung hat für 212,5 Millionen Euro ein Filetstück in bester Innenstadtlage an einen privaten Investor verscherbelt. Da sollten Hochhäuser und sonst was entstehen. Nichts ist gebaut worden; der Investor ist in die Insolvenz gegangen. Keine bezahlbare Wohnung für irgendwen ist entstanden.

Wir fokussieren uns auf das Kerngeschäft, –

Kommen Sie zum Schluss, bitte.

– darauf, dass gemeinwohlorientierte kommunale Genossenschaften und alle, die das Soziale im Blick haben, bauen können, –

Herr Kühnert, Ihre Redezeit ist vorbei.

– dass der Erwerb von selbstgenutztem Wohneigentum möglich ist, und auf nichts anderes. Dafür kämpfen wir, und dafür brauchen wir Ihren Antrag nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7591026
Wahlperiode 20
Sitzung 125
Tagesordnungspunkt Maßnahmen für bezahlbares Bauen und Wohnen
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