28.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 125 / Tagesordnungspunkt 9

Anna KassautzkiSPD - Nationale Datenstrategie der Bundesregierung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Fraktionen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir reden heute über Daten und die Datenstrategie der Bundesregierung. Alle zentralen Digitalisierungsvorhaben stehen und fallen am Ende mit Daten; denn wenn wir es schaffen, das Potenzial von Daten zu nutzen, werden sich viele Probleme einfacher lösen lassen, und wir können Ungerechtigkeiten in unserer Gesellschaft besser angehen, schlichtweg weil wir sie sehen und einordnen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Ich starte mal mit einem Beispiel, mit dem sogenannten Gender Data Gap. Frauen sind in Datensätzen unterrepräsentiert. Jetzt könnte man sagen: Gut, da geht es um Daten; warum brauchen wir jetzt auch da Gleichberechtigung? Na ja, Frauen sind seltener Teil von medizinischen Studien, weil der weibliche Zyklus Auswertungen komplizierter macht und weibliche Labormäuse tatsächlich auch teurer sind. Herzinfarktsymptome bei Frauen sind aber mitunter Bauchschmerzen und Übelkeit, und Medikamente wirken anders, weil sie eben vor allem an Männern getestet werden.

Weil Entwickler/-innen- und Ingenieursteams oft männlich dominiert sind, finden sich Frauenstimmen und -gesichter weniger häufig in Trainingsdatensätzen für KI. Smartphones sind für typisch männliche Hände konzipiert und für kleinere Hände oft umständlicher zu bedienen; ich spreche da aus eigener Erfahrung.

(Stephan Brandner [AfD]: So kleine Hände haben Sie gar nicht! – Gegenruf des Abg. Dr. Jens Zimmermann [SPD]: Ruhig, Brauner!)

Auch die digitale Welt ist eine männliche.

Und erst seit dem letzten Jahr gibt es Autocrashtest-Dummys, deren Maße den Körpern von Frauen entsprechen.

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Endlich! Da haben wir lang darauf gewartet!)

Das Verletzungsrisiko von Frauen bei Autounfällen ist nach wie vor deutlich höher als von Männern. Einfach, weil wir keine Daten haben.

Wenn Frauen in Daten unterrepräsentiert sind, dann sind sie auch in Ergebnissen unterrepräsentiert. Die Ergebnisse bilden eben nicht die Realität ab. Und das kann wahnsinnig gefährlich werden, und zwar, wenn der Herzinfarkt eben nicht rechtzeitig erkannt wird, wenn das Medikament oder der Airbag nicht wirkt, weil man das falsche Geschlecht hat.

(Beatrix von Storch [AfD]: Ich denke, das Geschlecht ist eine Konstruktion?)

Das kostet Leben. Wir haben solche Verzerrungen in Datensätzen nicht nur bei Frauen, wir haben sie auch bei anderen unterrepräsentierten Gruppen. Das Gute ist aber: Wenn wir das sehen, wenn wir eben nicht wegschauen, wenn es eben nicht unsichtbar ist, dann können wir was daran ändern. Denn Daten sind die beste und einzig rationale Entscheidungsgrundlage.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir brauchen Studien über Medikamente und Crashtests. Wir brauchen KI, die genauso zuverlässig schwarze Menschen erkennt wie weiße Menschen. Aber diese Entscheidungsgrundlage schafft sich eben nicht von alleine. Und dazu braucht es diese Datenstrategie – einen Plan, wie wir Daten zukünftig und zum Wohle aller nutzen wollen.

Wenn wir über die Nutzung von Daten sprechen, dann sprechen wir auch immer über den Schutz von Daten, gerade bei Gruppen, die benachteiligt sind oder verfolgt werden. Datennutzung und Datenschutz – das sind zwei Seiten einer Medaille; denn wer Datenschutz und Datennutzung gegeneinander ausspielen will, hat weder das eine noch das andere verstanden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Datennutzung ist nur möglich, wenn Daten bereitgestellt werden. Und damit Daten bereitgestellt werden, braucht es Vertrauen, dass mit diesen Daten, besonders mit sensiblen personenbezogenen Daten, kein Unfug passiert.

Die allermeisten Daten sind aber vom Datenschutz gar nicht betroffen; denn sie sind nicht personenbezogen oder personenbeziehbar. Hier wollen wir als Bund mit gutem Beispiel vorangehen und, wo möglich, unsere Daten als Open Data standardisiert zur Verfügung stellen. Damit verstauben sie nicht weiter in Datensilos, sondern können wirklich genutzt werden. Ob Datenkataloge, Datenräume oder Datenatlanten: Sichere Dateninfrastrukturen sind ein wichtiger Baustein von Vertrauen und somit von Datennutzung. Es gibt keine gemeinwohlorientierte Datennutzung ohne sichere Dateninfrastrukturen.

Mehr Daten, bessere Daten, eine mutige Datenkultur, Datenschutz und sichere Dateninfrastrukturen können und wollen wir als Staat bereitstellen. Aber richtige, durchschlagende Wirkung entfalten Daten erst dann, wenn man sie teilt, wenn man sie zugänglich, sie auffindbar macht, für Wissenschaft, für Zivilgesellschaft und auch für die Wirtschaft. Wir haben viele kluge Köpfe in Deutschland und Ideen, wie unsere gesellschaftlichen Probleme gelöst werden können; die werden aber nicht allein hier aus dieser Runde kommen.

(Heiterkeit der Abg. Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])

Wie heißt es? Daten sind kein Öl, sie sind Wasser. Wir brauchen den Zugang. Und es gibt keine gemeinwohlorientierte Datennutzung ohne Transparenz, ohne ein Recht auf Open Data.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Für die AfD-Fraktion hat das Wort Beatrix von Storch.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7591046
Wahlperiode 20
Sitzung 125
Tagesordnungspunkt Nationale Datenstrategie der Bundesregierung
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