Holger BeckerSPD - Künstliche Intelligenz für Deutschland
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In einem kürzlich in der „FAZ“ erschienenen Artikel wurde der rasante Fortschritt in der künstlichen Intelligenz mit den historischen Herausforderungen der Technologiedurchbrüche „Dampfmaschine“ und „Automobil“ verglichen. Den Vergleich empfinde ich einerseits als durchaus treffend. Denn Anwendungen, die auf Basis einer KI oder zumindest einer algorithmischen Entscheidungshilfe funktionieren, sind schon jetzt aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Andererseits ist die Geschwindigkeit, mit der diese Technologie neue Anwendungsbereiche transformiert, enorm hoch und historisch ohne Beispiel. Zukunftstechnologien von gestern werden über Nacht zu Alltagshilfen von morgen.
Dementsprechend erkenne ich in Ihrem Antrag einen Wert, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, dass wir nämlich heute über diese wirklich wichtige Technologie sprechen.
(Beifall des Abg. Alexander Föhr [CDU/CSU] – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Danke!)
Aber leider schaffen Sie es mal wieder nur, viele durchaus sinnvolle Maßnahmen zu fordern, die unsere Bundesregierung größtenteils entweder schon umgesetzt hat oder bei denen sie gerade dabei ist, konkrete, substanzielle Vorbereitungen zu ihrer Umsetzung zu treffen.
(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: What?)
Sie fordern zum Beispiel, dass Deutschland zusammen mit Europa seine Souveränität im Bereich KI stärkt und seine Abhängigkeit von ausländischen Anbietern und Plattformen verringert. Um dies zu erreichen, brauchen wir einen starken und sicheren europäischen Rechtsrahmen. Genau diesen verhandeln wir gerade mit unseren europäischen Partnern; denn KI braucht Regulierung. Darüber sind sich mittlerweile alle einig.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP])
Im Gegensatz zu anderen technologischen Entwicklungen hat die KI das Potenzial, nicht nur einen einzelnen Sektor, sondern Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt zu verändern. Mit der ersten europäischen KI-Verordnung wird der weltweit erste regulatorische Rahmen geschaffen, der branchenübergreifend und innovationsfördernd Sicherheiten gibt, während er gleichzeitig unsere Persönlichkeitsrechte und die europäischen Werte sichert. Damit das auch gelingt, setzen wir uns für eine einheitliche Auslegung dieser Regulierung ein, die bisherige nationale Fragmentierungen auflöst und auch für KMUs und Start-ups umsetzbar ist. So sind wir uns sicher, dass wir, wie schon bei der Datenschutz-Grundverordnung, einen Goldstandard setzen, der auf dem Weltmarkt zum Vorbild wird.
Eine wahrhaft wichtige Verknüpfung, die Sie in Ihrem Antrag auch erwähnen, ist der entscheidende Einfluss von KI auf unsere Wirtschaft und insbesondere auf unsere Gründungsszene. Laut einer am Montag veröffentlichten Studie setzen bereits 600 000 Unternehmen in Deutschland KI ein, was in einem direkten Zusammenhang mit dem Unternehmenserfolg steht. Denn während 19 Prozent der KI nutzenden Unternehmen ein Beschäftigungswachstum aufweisen, ist dies nur bei 6 Prozent der Unternehmen der Fall, die KI nicht nutzen. Dazu kommt, dass der kürzlich erschienene Deutsche Startup-Monitor 2023 festgestellt hat, dass 82 Prozent der Start-ups Werkzeuge wie ChatGPT schon regelmäßig nutzen. Insbesondere im Marketing mit 64 Prozent befinden sich generative KIs besonders häufig im Einsatz. 52 Prozent der deutschen Start-ups geben an, dass KI einen großen Einfluss auf ihr Geschäftsmodell hat.
Sie werfen der Bundesministerin für Bildung und Forschung vor, dass sie ihrer Aufgabe, in der Bundesregierung für eine ambitionierte Weiterentwicklung der KI-Strategie zu sorgen, nicht nachgekommen ist.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Definitiv!)
Dabei hat aber genau jene erst vor vier Wochen den KI-Aktionsplan angekündigt, der ein Update – man kann es auch „Weiterentwicklung“ nennen – ihres Ministeriums für die nationale KI-Strategie ist.
(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Ankündigen! Ankündigen! Ankündigen! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)
– Der Monat ist noch nicht rum.
Zusätzlich räumt die Bundesregierung der Schlüsseltechnologie KI bereits in der Zukunftsstrategie Forschung und Innovation breiten Raum ein. Daran erkennt man, dass die Koalition die Wichtigkeit der Weiterentwicklung von Schlüsseltechnologien stets im Blick behält und diese ambitioniert anpackt.
(Zuruf des Abg. Thomas Jarzombek [CDU/CSU])
Hand in Hand geht das unter anderem mit der im letzten Jahr vom BMWK veröffentlichten und derzeit mit großer Geschwindigkeit umgesetzten Start-up-Strategie.
Eine weitere Forderung in Ihrem Antrag ist die Weiterentwicklung des Sovereign Tech Fund; eine durchaus gute Idee.
(Beifall des Abg. Alexander Föhr [CDU/CSU])
Das dachten wir uns nämlich auch, und deswegen sind die Mittel für den STF im vorgelegten Haushaltsentwurf für 2024 aufgewachsen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf von der CDU/CSU: Aber bei den KI-Titeln wird gekürzt!)
Die Forderung des KI Bundesverbandes nach dem Ausbau und der Erweiterung der vorhandenen Supercomputing-Infrastruktur Deutschlands sowie einem erleichterten Zugang zu dieser Infrastruktur, der Sie sich angeschlossen haben, unterstütze ich an dieser Stelle ausdrücklich auch.
Außerdem schreiben Sie direkt auf der ersten Seite Ihres Antrags, dass Datenverfügbarkeit, Datenqualität und Datensouveränität eine Schlüsselrolle spielen – auch richtig. Hierzu hat unsere Fortschrittskoalition daher gleich mehrere Maßnahmen in petto: mit der Datenstrategie, dem Dateninstitut, dem Forschungsdatengesetz, der NFDI und dem Gesundheitsdatennutzungsgesetz.
(Nadine Schön [CDU/CSU]: Wann kommt das? Ende 2024?)
Zusammengefasst bleibe ich daher bei meiner anfänglichen Aussage, dass – auch wenn ich mich darüber freue, dass ich durch Ihren Antrag heute die Gelegenheit bekommen habe, über die Chancen und Implikationen von KI zu reden – die Forderungen in Ihrem Antrag leider wenig originell und oft einen Schritt hinter den bereits in Gang gesetzten Maßnahmen sind. Bezüglich Ihres Antrags muss ich daher eine der berühmtesten frühen KI zitieren – die Leute meines Jahrgangs werden wissen, um wen es geht –: „I’m afraid I can’t do that“.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Hahaha!)
Für die AfD-Fraktion hat nun das Wort Barbara Benkstein.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7591183 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 125 |
Tagesordnungspunkt | Künstliche Intelligenz für Deutschland |