Klaus WienerCDU/CSU - Änderung des Chemikaliengesetzes
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir befinden uns in einer Phase großer wirtschaftlicher Schwierigkeiten. Teure Energie und die zahlreichen geopolitischen Verwerfungen hinterlassen tiefe Spuren bei der deutschen Wirtschaft. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Wirtschaftspolitik der Ampel dazu beiträgt, dass wir das einzige Industrieland sind, dessen Wirtschaft schrumpft. Das konnten wir heute noch einmal hören: Gemeinschaftsdiagnose: minus 0,6 Prozent. Wir stecken aber nicht nur in einer tiefen konjunkturellen Krise; auch die langfristigen Wachstumsperspektiven sind so mau wie nie.
Oftmals besteht dann Uneinigkeit darüber, wie die wirtschaftlichen Probleme adressiert werden sollen. Verbote und Regulierungen – die Ampel; soziale Marktwirtschaft – wir von der Union; Vorgaben und Transformation auf Termin – die Ampel; wirtschaftliche Anreize – wir von der Union.
(Bernhard Herrmann [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Klischeehaft!)
Leider – und das ist die Wahrheit – führt Ihre Wirtschaftspolitik dazu, dass bei unseren Unternehmen zunehmend das Interesse an Geografie steigt. Die hauen einfach ab.
Weitgehende Einigkeit besteht allerdings in einem Punkt: Wir brauchen um Gottes willen keinen weiteren Bürokratieaufwuchs; denn Deutschland ist bereits ein hoch reguliertes Land. In einschlägigen Indizes zur wirtschaftlichen Freiheit belegen wir regelmäßig einen der hinteren Plätze. Zudem wissen wir aus der Empirie: Hoch regulierte Volkswirtschaften wachsen weniger stark, von überregulierten ganz zu schweigen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Bürokratieaufwuchs in den zwei Jahren seit der Regierungsübernahme weiter gestiegen ist, trotz aller Lippenbekenntnisse, die wir hier immer wieder hören. Das sagen übrigens nicht wir, sondern das sagt der Normenkontrollrat.
Umso verwunderlicher ist es, dass mit dem Chemikaliengesetz wieder genau die alten Fehler gemacht werden. Der bürokratische Aufwand steigt. Es braucht mehr Personal, und die Berichtspflichten nehmen auch zu. Zudem entsteht mit dem Gesetz ein neuer finanzieller Erfüllungsaufwand in der Größenordnung von 5 Millionen Euro; das haben wir gerade gehört. Das hört sich vielleicht zunächst nicht viel an. Aber, liebe Kolleginnen und Kollegen, in der Krise zählt jeder Euro doppelt. Das heißt, wir müssen überall da sparen, wo der Nutzen eines neuen Gesetzes gering ist. Und wir sagen: Der Zusatznutzen dieses Gesetzes ist gering.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Grundsätzlich ist eine Zusammenführung von Daten immer wünschenswert; denn nur bei hinreichender Datenbasis sind statistisch gesicherte Aussagen möglich. Allerdings: Vergiftungsfälle sind zum Glück nicht so häufig. Verlässliche Auswertungen bedürfen deshalb keiner Aggregation wie zum Beispiel bei Bildungsrenditen, wo es um eine große Anzahl von Schülerinnen und Schülern geht. Für empirisch fundierte Aussagen braucht man da große Zahlen. Wie gesagt, die Zahl der Vergiftungen ist nicht ansatzweise so groß. Insofern stellt sich die Frage: Ist der Aufwand, den Sie hier betreiben, gerechtfertigt?
Bereits heute teilen die Informationszentren der Länder ihre Erkenntnisse mit dem Bundesamt für Risikobewertung. Das gilt insbesondere dann, wenn Vergiftungen vorliegen – ich zitiere –, „die von allgemeiner Bedeutung sind“. Nicht nur wir, sondern auch der Bundesrat meldet deshalb Zweifel an dem vorliegenden Gesetzentwurf an. Die Befürchtung besteht zu Recht, dass die Informationszentren der Länder ihre Ressourcen dann weniger stark da einsetzen können, wo sie eigentlich gebraucht werden, nämlich in der Beratung, die oftmals auch sehr zeitkritisch erfolgen muss. Zudem sind – das verwundert mich eigentlich am meisten an dem Gesetzentwurf – viele der Daten, die jetzt zusätzlich erhoben werden sollen, aus medizinischer Sicht gar nicht erforderlich.
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, selbst wenn man dieses Gesetz beschließen wollte, müsste man sich in der aktuell schwierigen Lage doch fragen: Wo können wir an anderer Stelle entlasten und den bürokratischen Erfüllungsauswand verringern, also nach der „One in, one out“-Regel verfahren? Wenn Sie hierauf keine gute Antwort haben und der Zusatznutzen des Gesetzes so erkennbar gering ist, dann sollten Sie es schlicht lassen.
Vielen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7591249 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 125 |
Tagesordnungspunkt | Änderung des Chemikaliengesetzes |