Thomas HackerFDP - Medientransparenzgesetz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn die Fraktion am rechten Rand unseres Hauses einen Gesetzentwurf zur Verhinderung von Falschmeldungen und für Transparenz bei der Medienmacht von Parteien einbringt, dann sicher nicht aus demokratischer Überzeugung.
(Zuruf von der AfD: Doch!)
Bei Russia Today, Sputnik und den anderen Lautsprecherorganen der autoritären oder totalitären Staaten kümmert Sie Transparenz und demokratische Überzeugung ja auch nicht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Kordula Schulz-Asche [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] – Stephan Brandner [AfD]: Da haben wir leider keine Gesetzgebungskompetenz!)
Eine Partei, für die verzerrte Realitäten und Falschmeldungen das einzige politische Geschäftsmodell sind, kann per se kein seriöses Interesse an Transparenz haben. Sei es drum! Über den vorliegenden Gesetzentwurf, den wir auch schon aus der letzten Wahlperiode kennen
(Stephan Brandner [AfD]: Ich habe es erwähnt!)
– Herr Brandner hat es selbst schon festgestellt –, müssen wir trotzdem sprechen.
(Stephan Brandner [AfD]: Mut zur Wahrheit!)
Transparenz ist ein zentraler Wert einer funktionierenden Demokratie.
(Jörn König [AfD]: Genau!)
Als vierte Gewalt sind Medien unverzichtbar. Ihre Aufgabe ist es, die Regierung zu überwachen, die Öffentlichkeit zu informieren und ein Gegengewicht zur politischen Macht zu schaffen.
(Stephan Brandner [AfD]: So weit die Theorie!)
Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf, zu wissen, wer Einfluss auf Berichterstattungen und die Zusammensetzung von Chefredaktionen nimmt oder nehmen könnte und wie sich Besitzverhältnisse von Medienhäusern gestalten. Die Menschen in unserem Land müssen wissen, was ein vertrauenswürdiges, unabhängiges Presseerzeugnis und was eine reine Parteizeitung ist. Nur dann lassen sich im politischen Diskurs Argumente abgleichen, um schließlich eine eigene, informierte Entscheidung zu treffen.
„Medienmacht der Parteien“ ist dabei kein neues Thema im Deutschen Bundestag. Das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes – ich hoffe, Sie kennen es – zu den unternehmerischen Aktivitäten der Parteien und das Urteil zum Hessischen Privatrundfunkgesetz sind mittlerweile 15 Jahre alt. Es ist kein Geheimnis, dass die SPD an mehreren Verlagen und Rundfunkanstalten beteiligt ist – wir haben es gehört –, dass der „Bayernkurier“ zur CSU gehörte, „Neues Deutschland“ und Linke größere Gemeinsamkeiten haben und wir Freie Demokraten am Universum Verlag beteiligt sind. Um das zu wissen, reicht es aus, die Rechenschaftsberichte der Parteien zu lesen.
Worüber wollen wir also reden in einem Zeitalter sinkender Auflagen von Printerzeugnissen, schneller Onlineschlagzeilen sowie der Allgegenwart von Social Media und selbstlernenden Algorithmen? Medienorganisationen legen heute größten Wert auf ihre Unabhängigkeit von politischen Einflüssen. Für Journalisten bestehen verschiedene Compliance-Verpflichtungen und hohe redaktionelle Standards, die eine objektive und ausgewogene Berichterstattung sicherstellen sollen. Fälle fehlender journalistischer Distanz und unangebrachte Nähe bzw. politische Einflussnahme werden heutzutage umgehender, härter und schneller thematisiert. Zugleich gibt es in jedem Bundesland funktionierende Regulierungsbehörden, die genau auf die Arbeit der Medienunternehmen schauen.
Im direkten Vergleich zu 2008 – Ältere mögen sich erinnern: Facebook begann damals gerade, rasant die VZ-Netzwerke abzulösen – sind die Verbreitungswege für politische Positionen heute vorrangig digital: Onlinemedien, Blogs, Youtube, Messengerkanäle oder was auch immer gerade entsteht. Diese Realität trägt dazu bei, dass keine einzelne Partei oder politische Gruppierung eine absolute Medienmacht ausüben kann. Über Filterblasen und Echokammern könnten wir ja gerne reden; aber dies ist garantiert nicht in Ihrem Interesse.
Sie fürchten die Pressefreiheit so sehr, dass Medienvertretern der Zugang zu Veranstaltungen verweigert wird; aber in die Notizbücher und in die Aufnahmegeräte rechter Gesinnungsgenossen sprechen Sie frei von der Leber.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Jetzt wird Ihre Rede aber richtig schlecht, Herr Hacker! Sie haben so gut angefangen! – Gegenruf des Abg. Manuel Höferlin [FDP]: Das glaube ich, dass Ihnen das nicht gefällt, Herr Brandner!)
Aber auch das ist die AfD: Ihre Fraktions- und Parteichefin spricht über die Gründung „alternativer Medienkanäle“ und schließt dann auch den Einstieg bei Medienhäusern nicht aus. Für irgendwas müssen Sie sich entscheiden.
(Zuruf des Abg. Stephan Brandner [AfD])
Solche Gedankenspielchen wie auf dem Landesparteitag in Baden-Württemberg 2022 kennt man sonst eigentlich nur aus Villen auf Ibiza.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man könnte die Debattenzeit hier im Hohen Haus besser nutzen. Was können wir grundsätzlich besser machen? Statt die Medien stark zu reglementieren, könnten wir uns darauf konzentrieren, die Qualitätsstandards des Journalismus zu fördern.
(Beifall bei Abgeordneten der LINKEN – Stephan Brandner [AfD]: Gute Idee!)
In einer Zeit, in der Desinformation und Fake News so unmittelbar verbreitet sind, ist es entscheidend, dass wir die Medienfreiheit schützen und stärken. Medien müssen frei sein, um ihre Aufgabe als Wächter der Demokratie erfüllen zu können – ohne politische Einmischung oder Angst vor Repressalien.
(Stephan Brandner [AfD]: Völlig richtig! Prima! Hervorragend!)
Lassen Sie uns doch lieber über die Lage der Pressefreiheit in Deutschland sprechen.
(Stephan Brandner [AfD]: Sehr gut!)
Unser erneutes Abrutschen im internationalen Ranking von Reporter ohne Grenzen, der tägliche Hass gegen Journalistinnen und Journalisten im Netz – auch aus Ihren Reihen – und die über 100 körperlichen Angriffe auf Medienvertreter allein in 2022 sind die beschämende Realität der Gegenwart. Darüber müssen wir reden.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der LINKEN und des Abg. Stephan Brandner [AfD] – Stephan Brandner [AfD]: Völlig richtig!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie uns Transparenz fördern und vor allem die Unabhängigkeit und die Vielfalt von Medien bewahren. Freie und pluralistische Medien sind die Grundvoraussetzung für einen offenen gesellschaftlichen und politischen Diskurs. Freie Medien stärken unsere Demokratie und schützen unsere Freiheit.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Dr. Petra Sitte [DIE LINKE] – Stephan Brandner [AfD]: Gar nicht so schlecht! – Erhard Grundl [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sehr gut, Thomas!)
Das Wort hat der Kollege Helge Lindh für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7591257 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 125 |
Tagesordnungspunkt | Medientransparenzgesetz |