Holger MannSPD - Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das Kabinett hat vor wenigen Tagen die Nationale Strategie für Soziale Innovationen und Gemeinwohlorientierte Märkte verabschiedet; das war überfällig, ist aber gut so.
Ich möchte noch mal darauf eingehen, was soziale Innovationen sind. Ein paar Beispiele gab es schon, und ja, die sind, glaube ich, auch inzwischen in verschiedenen Städten Deutschlands schon groß geworden: sei es zum Beispiel das Nachbarschaftsnetzwerk für Tausch- und Hilfsangebote oder aber die Melde-App für beschädigte öffentliche Infrastruktur, damit diese nicht nur schneller erkannt, sondern auch schnell ausgebessert werden kann, oder – auch schon zur Sprache gekommen – lokale Zusammenschlüsse regionaler Produzenten zum Direktvertrieb.
Das alles sind durchaus neuere Beispiele, aber ich will an einem Beispiel, was schon sehr alt ist, darstellen, was der Mehrwert von sozialem Unternehmertum sein kann. Und ich hoffe, dass dann auch der Teil des Hauses, der hier mit Rednern aufgefallen ist, die das schlechtgeredet haben,
(Leif-Erik Holm [AfD]: Das ist ja auch schlecht!)
versteht, wo der Mehrwert ist.
Ich selbst habe dieses Beispiel erlebt: Eine junge Frau, alleinerziehend, hatte die Idee, auf einer Straße, die sonst eher für Leerstand bekannt war, ein Café aufzumachen, aber nicht nur ein Café, sondern in dem Café sollten auch Kunstprodukte geschaffen werden, und es sollte die Möglichkeit geben, dass dort Menschen in Kursen auch selbst Kunstwerke erzeugen oder auch nur ihre Kleidung reparieren. Diese Frau ist auf dem Weg zur Umsetzung dieser Idee mehrfach gescheitert – an Banken, die nicht verstanden haben, wo der Mehrwert ist oder die nicht die Gewinnerwartung gesehen haben. Sie ist auch gescheitert an öffentlichen Förderstrukturen, die genau solche Innovationen bisher noch nicht abbildeten.
Sie hat es nur geschafft, weil sie auch wieder eine gute Idee hatte und über Crowdfunding Geld eingesammelt hat. Der Kern ihres Cafés war dann eine Eismaschine, die über das Crowdfunding finanziert wurde; so konnte sie Eis verschiedener Sorten verkaufen, und sie hat damit sozusagen das Basiskapital erreicht.
Heute betreibt diese Frau einen Tante-Emma-Laden mit einer Postfiliale, und das in einer Gemeinde unter 1 000 Einwohnern, in der es heute keinen Supermarkt mehr gibt. Sie hat eine Angestellte. Sie ernährt durch dieses Geschäft ihre Familie, und sie ist sozialer Treffpunkt dieser Gemeinde. Wer da nicht versteht, was der Mehrwert von sozialem Unternehmertum ist, der hat in diesem Hause nichts verloren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Thomas Lutze [DIE LINKE])
Dieses eine Beispiel könnte ich auf andere übertragen; denn ich habe es in Sachsen anhand der Herausgabe von zwei Kreativwirtschaftsberichten selbst erlebt, wie lange es gedauert hat, die Förderkriterien für Unternehmertum aufzuweiten, sodass so was überhaupt möglich ist und so was Unterstützung bekommt.
Ich will noch mal kurz sagen, was wir jetzt als Ampel angehen. Wir haben nicht nur eine Strategie vorgelegt, sondern wir haben erstmalig, unter anderem im BMBF-Haushalt, diese auch mit siebenstelligen Haushaltsmitteln untersetzt. Wir arbeiten an dem gleichberechtigten Zugang zu KfW-Mitteln, und wir verbessern den Rechtsrahmen. Hier wäre sicherlich noch mehr möglich gewesen, aber immerhin: Die Modernisierung beim Genossenschaftsrecht ist ein Anfang. Und wir wollen mehr Teilhabe bei öffentlichen Aufträgen schaffen. Was wir hier tun, ist ein Stück mehr sozialer Marktwirtschaft zu ermöglichen.
Ich sage das ganz ausdrücklich; denn es ist verrückt: Es sind nicht nur 40 Prozent der Start-ups, die sich selbst als soziale Unternehmer bezeichnen – es ist auch schon richtigerweise gesagt worden, dass es vor allen Dingen Frauen sind –, sondern diese Unternehmer fallen auch noch durch etwas anderes auf: Sie kooperieren stärker miteinander. Deswegen wollen wir noch was anderes machen. Wir wollen auch diese Netzwerke stärken, damit diese Unternehmen weiter wachsen und mehr soziales Kapital ansammeln.
Ich bin der festen Überzeugung, dass wir mit dieser Strategie und dem, was wir jetzt mithilfe von Förderkriterien schaffen, die Marktwirtschaft ein ganzes Stück sozialer machen. Und das machen wir zusammen mit den Unternehmerinnen, mit gut angelegten Mitteln und vor allen Dingen mit einem gemeinsamen politischen Willen in der Ampel.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Nächster Redner: für die FDP-Fraktion Dr. Stephan Seiter.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7591331 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 126 |
Tagesordnungspunkt | Soziale Innovationen und gemeinwohlorientierte Unternehmen |