29.09.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 126 / Tagesordnungspunkt 26

Ariane FäscherSPD - Endometriose

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Demokratinnen und Demokraten! Stellen Sie sich bitte mal vor, liebe Herren im Saal, man bräche Ihnen gleichzeitig 20 Knochen. Dieses Schmerzlevel wird zumindest im Internet – allerdings unvalidiert und auch mit Kritik behaftet – mit dem Schmerzlevel einer Geburt gleichgesetzt. Viele Frauen, die unter Endometriose leiden, erleben diese Schmerzhaftigkeit jeden Monat bis zu 400-mal in ihrem Leben. Eine Freundin meiner Tochter ist betroffen, und sie wird während ihrer Periode auch auf offener Straße häufig vor Schmerz plötzlich ohnmächtig. Das hat Auswirkungen auf den Alltag, die Ausbildung, das Leben, die Liebe, die Karriere und vielleicht auf den Kinderwunsch.

Woran liegt es, dass diese Krankheit nach wie vor kaum erforscht ist, oft erst nach Jahren des Leidens diagnostiziert wird und bisher auch nicht behandelbar ist? Könnte es daran liegen, dass es nur Frauen betrifft? Könnte es daran liegen, dass es auch mit dem ekligen, schambehafteten Thema Menstruation zu tun hat? Ich wage die These: Wäre jeder zehnte Mann von diesen Schmerzen betroffen, hätten wir längst Forschungszentren, Professuren, Spezialisten und vielleicht auch Heilverfahren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der Abg. Petra Pau [DIE LINKE])

Das Thrombose-, Herzinfarkt- und Depressionsrisiko von Frauen, die mit der Pille verhüten, steigt mit der Einnahme exponentiell. Frauen nehmen diese Pille seit 63 Jahren. Die klinischen Studien für die Pille für den Mann haben in diesem Jahr begonnen. Erforscht wird ein Mittel, das auf Proteine und Zellteilung wirkt – ohne Hormone. Warum? Auf der Homepage der „Deutschen Apotheker Zeitung“ ist zu lesen:

„Während von Frauen genutzte Verhütungsmittel oft hormonelle Methoden umfassen, welche in den Zyklus der Frau eingreifen, stellt dies bei Männern keine geeignete Option dar. Denn beim Eingriff in den Testosteronhaushalt muss mit vielen Nebenwirkungen, wie Depressionen oder erhöhten LDL-Cholesterol-Werten, gerechnet werden.“

Aha!

Insgesamt leben Frauen gefährlicher als Männer. Sie haben zwar seltener einen Herzinfarkt, sterben aber eher daran, weil die Symptome weniger geläufig sind. Medikamente werden überwiegend an männlichen Probanden getestet, obwohl sie auf einen weiblichen Organismus aufgrund anderer Hormone, von Stoffwechsel und Zyklus anders wirken. Aber weibliche Labormäuse sind teurer. Und die Daten sind auch viel weniger eindeutig. Also, die Gesundheit von Frauen ist halt einfach weniger profitabel. Durch KI-gestützte Diagnoseverfahren potenziert sich das Problem. Männlich dominierte Daten in überwiegend männlich programmierter Software als Grundlage selbstlernender Systeme spitzen diese Situation in der Perspektive weiter zu.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der Union und der Linken, vielen Dank, dass Sie Ihre Anträge zur Endometriose gestellt haben. Sie weisen den richtigen Weg. Aber wir kommen nicht schnell genug voran, wenn wir für jede weibliche untererforschte Krankheit eigene Anträge brauchen. Deshalb ist es endlich Zeit für eine feministische Gesundheitspolitik.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Für die Unionsfraktion hat das Wort Emmi Zeulner.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7591378
Wahlperiode 20
Sitzung 126
Tagesordnungspunkt Endometriose
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