11.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 127 / Zusatzpunkt 1

Mathias PapendieckSPD - Aktuelle Stunde: Protest der Post-Beschäftigten

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich danke erst mal den Kollegen der Post, dass sie für ihre Themen auf die Straße gegangen sind. Es ist wichtig, dass sie das tun. Ich bin froh, dass wir alle in einem Land leben, in dem das normal ist, in dem das sozusagen verbrieftes Recht ist. Ich will betonen: Gerade in den Ländern, in denen Nationalisten an die Macht kommen, werden Justizsysteme geschliffen. Das sehen wir in Ungarn; das sehen wir in Polen. Wir alle sollten darauf achten, dass das niemals in Deutschland passieren kann.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Zuruf des Abg. Jürgen Pohl [AfD])

Schön, dass sich Herr Pohl noch mal zu Wort meldet. Herr Pohl, Sie haben von der Aufsichtsratsvergütung gesprochen und gesagt, dass sich die Verdi-Kollegen das einstecken. Wissen Sie, was der Fall ist? Ich will es Ihnen ganz klar sagen: Ab einer Aufsichtsratsvergütung von 5 000 Euro werden 90 Prozent abgeführt. In Ihrem Beispiel haben Sie 240 000 Euro genannt. Davon werden 212 000 Euro abgeführt.

(Jürgen Pohl [AfD]: Das geht an Verdi! Und nicht an die Mitarbeiter!)

– Wissen Sie, Herr Pohl, Sie von der AfD haben keine Ahnung von dem, was Sie hier reden. Das will ich Ihnen an dieser Stelle mal ganz deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ria Schröder [FDP])

Ich möchte mich auch gegenüber den Kollegen von der GEW solidarisch zeigen, die jetzt auf der Straße sind, genauso gegenüber den Kollegen von Verdi aus dem Einzelhandel – in diesem Bereich habe ich 23 Jahre gearbeitet –, die am Freitag auf der Straße sein werden. Ich wünsche ihnen viel Erfolg im Tarifkonflikt. Genauso sind wir in diesem Moment solidarisch mit den Kollegen, die in den letzten Tagen bei mir im Wahlkreis vor den Toren des Tesla-Werks standen und für Gesundheitsschutz, für Arbeitsschutz gestreikt haben. Das ist wichtig. Unsere Solidarität habt ihr!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was haben die Kollegen sozusagen gefordert, bzw. welcher Punkt war ihnen wichtig? Das war die Liberalisierung. Worum geht es denn bei „mehr Wettbewerb“? „ Mehr Wettbewerb“, das ist ein schöner Begriff. Aber eins ist doch wohl ganz klar: Es kann nicht sein, dass Wettbewerb mit nicht tarifgebundenen Unternehmen erfolgt. Das Bundesarbeitsministerium erarbeitet einen Gesetzentwurf für mehr Tarifbindung – diesen werden wir gemeinsam auf den Weg bringen –, damit mehr Menschen unter tariflich vereinbarten und vernünftigen Bedingungen arbeiten können.

Der Hintergrund ist: Es gibt eine EU-Mindestlohnrichtlinie, die auch Deutschland umsetzen muss, worin steht, dass 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland tarifgebunden sein sollen. Das haben andere EU-Länder nur mitgemacht, weil sie gesagt haben: In Deutschland muss mal was passieren. – Und da sage ich als Sozialdemokrat auch ganz ehrlich: Ja, da ist in der Vergangenheit etwas schiefgegangen, und das muss jetzt geändert werden. – Wir wollen Probleme lösen, und das packen wir jetzt auch an.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will an dieser Stelle auch anmerken: Ich glaube, es ist gut, dass Verdi Druck macht. Das zeigen ja auch die Zahlen – an Herrn Kober gerichtet –: Es sind in diesem Jahr mittlerweile über 100 000 neue Kollegen bei Verdi eingetreten. Das heißt also, es ist sehr wohl erfolgreich, sich gemeinsam einzusetzen.

Kollegen aus der CDU/CSU haben hier gesagt, sie verstünden nicht, warum die Kollegen Angst haben. Dazu würde ich eins sagen wollen: Ich habe auf jeden Fall Angst vor den Vorhaben, die Sie hier in die Wege leiten wollen, wenn ich höre, dass ein Mitglied der BDA, das Sie eingeladen haben, in einer Anhörung zur Arbeitszeiterfassung gesagt hat – zu einem Urteil, das ganz klar besagt: Arbeitszeit ist zu erfassen –: kann erfasst werden. – Dass der Arbeitgeberverband möglicherweise Angst vor einem Bundestariftreuegesetz hat, kann ich auch verstehen.

Ich habe auch Angst vor Ihren Forderungen, wenn es darum geht, das Renteneintrittsalter zu erhöhen, oder wenn ich die Äußerungen Ihres Vorsitzenden zum Bürgergeld höre. Da muss ich sagen: Nach 16 Jahren CDU hat sich was geändert, und zwar, dass Ihr Vorsitzender solche Äußerungen macht. Das fördert die Spaltung dieser Gesellschaft, und das geht gar nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich verstehe auch, dass die Kollegen Angst haben vor den Realitäten, die sich im Logistikbereich auftun. Was ist denn gängige Praxis im Paketbereich? Gängige Praxis ist, dass Paketboten oder Paketfahrer, die am Ende des Tages noch Pakete in ihrem Fahrzeug haben, dann vom Chef oder von der Chefin gesagt bekommen: Mensch, dein Fahrzeug ist nicht leer; du musst noch fertig werden. – Und egal wie die Situation ist, ob du die zusätzliche Arbeitszeit bezahlt bekommst, ob du dein Kind abholen musst oder was auch immer: Das hast du zu tun. Das ist doch nicht richtig. Dass die Kollegen davor Angst haben, kann ich verstehen.

Ich will es auch mal auf den Punkt bringen: Amazon gehört ganz klar zu den Unternehmen, die ganz schlechte Arbeitsbedingungen haben. Und dass sich der Haupteigentümer von Amazon, der der reichste Mensch der Welt ist, gar nicht darum kümmert, wie es in seiner Firma läuft – das ist eigentlich auch schäbig –, kann ich nicht nachvollziehen. In unserem Grundgesetz steht: „Eigentum verpflichtet.“ Daran sollten wir den einen oder anderen Unternehmer auch immer mal wieder erinnern.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Sandra Detzer [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Ich möchte euch – Kollegen sozusagen – mitgeben: Setzt euch weiter für eure Rechte ein! Das ist wichtig. Wir werden immer stabil an eurer Seite stehen. Ich glaube, heute habt ihr genau gehört, wer hier was gesagt hat. Hört genau zu! Wir stehen an eurer Seite.

Danke.


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7601650
Wahlperiode 20
Sitzung 127
Tagesordnungspunkt Aktuelle Stunde: Protest der Post-Beschäftigten
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