11.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 127 / Tagesordnungspunkt 3

Klaus-Peter WillschCDU/CSU - Raumfahrtstrategie der Bundesregierung

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Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Liebe Space-Community „draußen an den Bildschirmen“, wie man früher gesagt hat!

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es freut mich, dass wir heute mal in der Kernzeit das Thema Raumfahrt debattieren. Ich erinnere mich noch an Debatten, die wir spätabends oder mitten in der Nacht geführt haben. Das ist mal ein guter Platz; denn so erhält die Raumfahrt die Aufmerksamkeit, die sie verdient.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD)

Frau Christmann, Sie haben es hier angedeutet: Die Raumfahrt steht für Fortschritt und Pioniergeist. Ich kann mich noch erinnern, als im Juli 69 – da war ich acht Jahre alt – im Schwarz-Weiß-Fernsehen – –

(Julia Klöckner [CDU/CSU]: 1900! – Gegenruf des Abg. Reinhard Houben [FDP]: Nicht 1800, Frau Kollegin!)

– 1969! – Damals habe ich fasziniert der Mondlandung im Rahmen der Apollo-11-Mission zugeschaut. Das war damals eine Inspiration für eine ganze Generation. Es sind Leute in die Wissenschaft gegangen, weil sie fasziniert waren von dem, was sie da gesehen haben. Es hat die ganze Welt inspiriert und Euphorie ausgelöst bei jungen Leuten in Naturwissenschaften, Ingenieursberufen und technischen Berufen.

Das hat der Wirtschaft damals den heute so dringend benötigten Nachwuchs – Sie haben es angesprochen – in MINT-Fächern auf Jahre gesichert. Die Begeisterung fehlt manchmal; da gab es zu viel Technikfeindlichkeit bei uns in der Gesellschaft.

Wir sehen aber, wenn wir zurückkommen auf die Mission von Alexander Gerst und Matthias Maurer, dass es immer noch geht. Da ist es wieder aufgeblitzt; da konnte man sehen, wie vor allen Dingen die jungen Leute begeistert waren von „Astro_Alex“, so hat Alexander Gerst ja seine Social-Media-Aktivität von der ISS aus genannt. Wenn er bei Veranstaltungen mit jungen Leuten ist, dann fühlen sich technologieaffine junge Menschen angesprochen. Da können wir bei den Leuten Begeisterung wecken, und das müssen wir auch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sebastian Roloff [SPD])

Umso bedauerlicher ist es, dass der Raumfahrtstrategie ein klares Bekenntnis zu deutschen Astronauten bei der ARTEMIS-Mission unserer amerikanischen Partner fehlt. Das ist eine Leerstelle in dieser Strategie; da bleibt man etwas ratlos zurück. Wird die Bedeutung für Souveränität, Wohlstand und Sicherheit nicht erkannt, oder wird sie nicht wichtig genommen? Sie wird in dieser Raumfahrtstrategie mit blumigen Aussagen beschrieben – wohlklingende Allgemeinplätze –; aber bei den Handlungen sieht es eben anders aus. Das ist bedauerlich.

Es wird zwar in der Raumfahrtstrategie darauf abgestellt, wie bedeutend das nationale Programm ist, um die nationalen Fähigkeiten zu entwickeln und international überhaupt mitzuspielen, kooperationsfähig zu sein, aber gleichzeitig werden im Haushalt 2024 beim Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Budget für das nationale Raumfahrtprogramm Kürzungen vorgenommen – von 370 Millionen Euro auf 313 Millionen Euro. Das passt nicht zusammen. Wenn die Erkenntnis auf das Papier geschrieben bleibt und sich nachher nicht in Haushaltszahlen ausdrückt, dann ist das ein Zurückfallen.

Es ist schön, dass wir die Spitzenposition bei der Zeichnung beim ESA-Ministerrat halten konnten; allerdings sind wir im prozentualen Anteil etwas zurückgefallen. Deutlich aufgeholt haben die Franzosen mit plus 0,5 Prozent und vor allem die Italiener mit plus 2,5 Prozent. Italien ist uns da dicht auf den Fersen, droht uns zu überholen.

Ein kleiner Wermutstropfen dabei ist, dass die nächsten vier Jahre insgesamt rund 1,9 Milliarden Euro aus dem Covid Recovery Fund der EU für die Raumfahrt aufgewendet werden. Ein Großteil dieser Mittel kommt aus Deutschland. Deutsches Steuergeld wird also genutzt, um die italienische Weltraumwirtschaft im Konkurrenzkampf gegen unsere heimischen Unternehmen zu ertüchtigen, während hier die Mittel gestrichen werden. Das halten wir für einen Skandal; das sehen wir von der Union anders.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sebastian Roloff [SPD])

Das nationale Programm darf nicht zum Steinbruch für Einsparmaßnahmen werden, wenn wir europäisch und international mitspielen wollen.

Ich nenne einfach mal die Zahlen, um das mal deutlich zu machen, auch für das Publikum, für die Menschen, die uns zuhören: Deutschland gibt 1,8 Milliarden Euro für Raumfahrt aus. Das sind 22 Euro pro Bundesbürger und Jahr. Frankreich: 3 Milliarden Euro; das sind 45 Euro pro Kopf und Jahr, also mehr als doppelt so viel. Mit den USA wollen wir uns gar nicht vergleichen. Da sind es, wenn man nur für das Zivile rechnet, schon 76 Dollar pro Kopf, und wenn wir das Militärische noch dazunehmen, 166 Dollar pro Kopf.

Nun kann man sagen: Geld ist nicht alles. – Aber ohne Geld ist da alles nichts. Gerade in dem Bereich der Forschung ist es eben wichtig, dass etwas auf den Tisch kommt und haushaltsmäßig entsprechend unterlegt wird. Denn viele Bereiche der Exploration, der Deep-Space-Forschung und Ähnliches haben auf den ersten Blick keinen kommerziellen Nutzen. Da muss der Staat, weil es keine Herrscher mehr gibt, die solche Sachen finanzieren, eben in Vorleistung treten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Sebastian Roloff [SPD])

Was wir auch vermissen, ist die Umsetzung von Zeitenwende im Bereich der Weltraumstrategie. Wo ist der konkrete Plan zum Schutz unserer kritischen Infrastruktur im All? Wo ist denn ein Bekenntnis – das kann man auch mal vonseiten der Bundesregierung äußern – oder die Forderung nach dem Ende dieser unsäglichen Zivilklauseln an den Unis? Hier werden selbstverständlich Forschungsgelder von der DFG oder sonst was angenommen, und dann heißt es: Aber bitte nicht für militärische Zwecke! – Also, Zeitenwende muss auch da langsam mal in den Köpfen ankommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist nicht unanständig, sich um die Sicherheit des Landes Gedanken zu machen.

Was ist mit einem nationalen Startplatz? Stichwort „Souveränität“: Wir können nicht mehr von Baikonur aus starten, zwar nicht aus guten Gründen, aber aus Gründen. Kourou ist auf der anderen Seite des Atlantiks. Dann haben wir noch Kiruna in Schweden, wo man leidlich starten kann. Außerdem kommen Norwegen und Großbritannien infrage, die außerhalb der EU liegen. Man muss jetzt nicht unbedingt ein Fan einer deutschen Startplattform sein. Aber was wäre denn das für eine Situation, wenn wir kurzfristig Ersatz für einen von den Russen oder von den Chinesen oder von wem auch immer abgeschossenen Satelliten hochschicken müssten?

Kollege Willsch, denken Sie an Ihren Kollegen Loos?

Ich sehe es gerade blinken. Sie sehen, mir geht das Herz über, wenn mal wirklich über Raumfahrt diskutiert wird.

Ich meine zusammenfassend: gute Problembeschreibungen, gute Zusammenfassung, ein guter Fleißaufsatz. Aber Engagement und Ambitionen sehen anders aus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das fehlt uns. Die Strategie muss finanziell unterlegt werden; sonst wird sie scheitern.

Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Wort hat Sebastian Roloff für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7601654
Wahlperiode 20
Sitzung 127
Tagesordnungspunkt Raumfahrtstrategie der Bundesregierung
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