11.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 127 / Tagesordnungspunkt 5

Fritz GüntzlerCDU/CSU - Globale Mindestbesteuerung

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer! Die Frau Staatssekretärin hat uns, ich hoffe, für Sie alle nachvollziehbar, inhaltlich das Gesetz etwas nähergebracht. Ich hoffe, Sie haben auch gespürt, dass wir heute einen historischen Moment in der Steuerpolitik erleben. Das ist tatsächlich so, weil wir einen weiteren wichtigen Schritt im internationalen Kampf gegen schädlichen Steuerwettbewerb gehen, auch gegen sogenannte aggressive Steuergestaltung, wobei ich nicht weiß, was das genau ist, aber es geht um die Dinge, die so nicht gewollt sind.

Was mir viel wichtiger ist: Es geht um ein Mehr an Steuergerechtigkeit, aber auch um eine Förderung von Wettbewerbsgerechtigkeit, die gerade unseren mittelständischen Unternehmen helfen wird, weil sie im Wettbewerb mit Unternehmen aus anderen Ländern stehen, deren nationale Besteuerung viel niedriger ist. Von daher ist es, glaube ich, ein gutes Gesetz, und wir als Unionsfraktion haben dieses Verfahren von vornherein mit unterstützt.

Das Ganze ist in ein umfassendes internationales Maßnahmenpaket eingebettet. Wir haben damit bereits 2013 mit dem sogenannten BEPS-Projekt auf Ebene der OECD und der G-20-Staaten begonnen, damals unter Bundesfinanzminister Schäuble, der der Treiber war. 15 Aktionspunkte sind damals beschlossen worden, die dazu führen sollten, dass der Steuerwettbewerb international wieder fairer wird. Die größte Herausforderung dabei war die Digitalisierung von Geschäftsmodellen. Der Anknüpfungspunkt für die Besteuerung, die typische Betriebsstätte, war nicht mehr gegeben, und es war schwierig, festzustellen, wo der Gewinn der jeweiligen Gesellschaft zu besteuern ist. Auch die BEPS-Projekte haben keine endgültige Antwort geliefert. Darum war es wichtig, dass nach einer neuen Lösung gesucht wurde.

Man hat es geschafft, auf OECD-Ebene das sogenannte Zwei-Säulen-Projekt im Jahre 2019 auf den Weg zu bringen. Da gibt es die Säule eins, über die wir heute noch nicht reden. Dabei geht es um die Neuverteilung von Besteuerungsrechten auf Marktstaaten, also darum: Wer bekommt wie viel vom Steuerkuchen; wo fällt die Steuer letztendlich an? Auf die Umsetzung dieser Maßnahmen warten wir noch. Dazu laufen die Verhandlungen.

Heute geht es um die Säule zwei, die Einführung einer globalen Mindestbesteuerung, also um die Frage: Wie hoch ist die Steuer in der jeweiligen Destination? Wir wollen erreichen, so auch die Staatssekretärin eben in ihren Ausführungen, dass wir auf ein weltweites Mindestniveau von 15 Prozent Steuern auf Unternehmensgewinne kommen. Das Ganze betrifft im Wesentlichen natürlich nur größere Unternehmen, also die, die im Konzern über 750 Millionen Euro Umsatz erzielen.

Das Ganze mündet in einem eigenständigen Gesetz. Es ist also nicht in das Einkommensteuergesetz und nicht in das Körperschaftsteuergesetz durch eigene Paragrafen eingepflegt worden, sondern wir haben ein ganz eigenständiges Gesetz mit 96 Paragrafen, mit dem wir wirklich Neuland betreten. Das macht das ganze Steuerrecht natürlich im Ergebnis nicht einfacher; aber ich glaube, das Ziel, das wir damit verfolgen, ist das wert.

Dieses Gesetz hat eine besondere Geschichte, wie ich finde. Auf OECD-Ebene haben über 100 Länder, genauer gesagt: 138 Länder diesem System, das man gemeinsam beraten hat, zugestimmt. Wenn man sich vor Augen führt, dass die Vereinten Nationen 195 Mitgliedsländer haben, dann wird klar, dass das ein sehr großer Anteil ist. Es bleibt jetzt abzuwarten, welche Länder das tatsächlich umsetzen. Wir haben auf Grundlage dieses Regelwerks der OECD eine europäische Richtlinie erarbeitet, die wir jetzt mit diesem Gesetz in nationales Recht umsetzen wollen. Das Ganze ist, wie Sie vielleicht an der Rede der Staatssekretärin, vielleicht auch an meiner Rede und den Reden der anderen nachher feststellen wollen, ein hochkomplexes System. Ich bin seit 30 Jahren in der Steuerberatung tätig, habe mit Steuerrecht zu tun und kann sagen: So eine Komplexität habe ich noch nicht erlebt. In einem Podcast eines großen Fachverlages hat ein zuständiger Mitarbeiter des BMF, der das Gesetz mitbetreut, erklärt: Die Mindestbesteuerung verträgt man nur mit Schnaps.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Also so schlimm muss es nicht sein – ich werde den Namen jetzt nicht nennen; ich weiß ja nicht, was da im BMF so los ist –, aber es ist schon schwierig.

Was ist der eigentliche Regelmechanismus? Sehr vereinfacht dargestellt geht es darum, dass man sich anschaut, wie ein Konzern bzw. die Teile eines Konzerns in den einzelnen Ländern besteuert werden. Man stelle sich einen Staat vor, der eine 7-prozentige Steuer auf die Gewinne der dort tätigen Tochtergesellschaft erhebt. Dann würden bei der Muttergesellschaft, die in diesem Beispiel in Deutschland sitzt, die 8 Prozent, die zu den 15 Prozent fehlen, in Deutschland nacherhoben werden. Dieses Geld würde also beim deutschen Fiskus ankommen.

Jetzt hat der Staat, in dem die Tochtergesellschaft ansässig ist, aber noch die Möglichkeit, die 15 Prozent selber zu erheben; denn er würde sich nicht unbedingt klug verhalten, wenn er das Geld dem deutschen Staat gibt. Er wird also wahrscheinlich eine nationale Ergänzungssteuer einführen und dann so auf 15 Prozent kommen. Damit wäre im Ergebnis das Ziel eines Mindeststeuerniveaus von 15 Prozent erreicht. Leider fließt das Geld dann nicht in unsere Kassen; aber das Zielniveau wäre damit dann letztendlich erreicht.

Wir müssen – um dieses komplexe System zu verstehen – natürlich länderbezogen einen sogenannten Mindeststeuergewinn ermitteln. Auch das klingt sehr trivial. Sie müssen alle Unternehmen einer Gruppe in einem Land zusammenführen und einen gemeinsamen Gewinn ermitteln. Hier stellt sich die Frage, wie Sie diesen Gewinn ermitteln. Wir haben in Deutschland Gewinnermittlungsvorschriften, die im HGB kodifiziert sind. Aber es gibt viele Unternehmen, die auch eine internationale Rechnungslegung, die sogenannten IFRS, anwenden. Und diese werden – das ist das Interessante an diesem Gesetz; wir müssen aufpassen, dass das nicht weiter Einzug hält – Bemessungsgrundlage für die Steuer. Denn das IFRS-System ist nicht auf die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ausgelegt, was bei uns das Fundamentalprinzip der Besteuerung ist, sondern da stehen andere Dinge im Vordergrund. Aber hier hat man vereinfachend, weil nichts anderes vorhanden war, das IFRS-System gewählt. Das sollte meines Erachtens aber keine Schule machen. Darum müssen wir die Steuer, die dort bezahlt worden ist, noch mal ein bisschen anpassen. Hierbei geht es um so etwas wie Tax Credits, also Steuergutschriften, und auch noch viele andere Dinge.

Wenn Sie diese beiden Werte dann haben, bilden Sie einfach einen Bruch – Steuer durch Gewinn – und kommen dann zu einem effektiven Steuersatz. Wenn der über 15 Prozent liegt, gibt es kein Problem. Und wenn er kleiner als 15 Prozent ist, setzen die Mechanismen der Steuererhöhung über die primäre Ergänzungssteuer, sekundäre Ergänzungssteuer oder die nationale Ergänzungssteuer ein. Ich will das jetzt nicht alles im Einzelnen erklären.

Sie werden sehen, dass die Unternehmen damit sehr viel zu tun haben. Über 200 Datenpunkte sind zu erheben, damit man diesen Pflichten im Einzelnen nachkommen kann. Von daher ist es richtig, dass es Vereinfachungsregelungen gibt, gerade für die Unternehmen, bei denen man auf einen Blick erkennen kann, dass sie einem Steuersatz von mehr als 15 Prozent unterliegen. Diese Vereinfachungsregelungen sind teilweise nur temporär. Von daher ist es richtig und wichtig, dass wir gemeinsam mit der Bundesregierung daran arbeiten, dass sie verlängert werden und in Zukunft weiterhin für solche Unternehmen gelten.

Wir müssen den administrativen Aufwand gering halten. Die Neuimplementierung dieses Rechts wird die Unternehmen nach Angaben dieses Gesetzes im ersten Jahr über 330 Millionen Euro kosten. Das ist viel Geld. Wenn wir davon ausgehen, dass wir bei einer vollen Wirkung im Jahr 200 Millionen Euro mehr in der Kasse – 100 Millionen Euro im Bundeshaushalt und 100 Millionen Euro bei den Ländern – haben werden, sind die Einnahmen eigentlich gering. Aber ich habe darauf hingewiesen, dass es nicht das Ziel des Gesetzes ist, Mehreinnahmen zu erzielen, sondern ein gewisses Mindeststeuerniveau weltweit zu erreichen.

In diesem Gesetz ist auch angelegt, dass man sich damit beschäftigen muss – das ist vernünftig, aber leider nicht weitgehend genug –, ob die Missbrauchsbekämpfungsvorschriften, die wir im Steuerrecht haben, alle noch gelten müssen. Man hat deshalb die Niedrigsteuergrenze im AStG auf 15 Prozent gesenkt. Das ist eine jahrzehntealte Forderung der Union. Von daher bin ich froh, dass das geschieht. Wir werden Ähnliches bei der Lizenzschranke sehen. Die sollte laut Referentenentwurf ursprünglich mal abgeschafft werden. Es ist sowieso eine Beobachtung, dass die Referentenentwürfe aus dem Bundesfinanzministerium, meistens sogar noch die Eckpunktepapiere, weitaus besser sind als die Regierungsentwürfe, die uns dann vorgelegt werden. Oftmals würde ich gerne dem Referentenentwurf zustimmen und die Regierungsentwürfe lieber zur Seite packen. Aber das geht nun mal leider nicht. Es sind auch noch andere Dinge rausgefallen.

Was ich in diesem Zusammenhang aber nicht verstehe, ist, dass Sie dann beim Wachstumschancengesetz, das wir heute ja nicht beraten, neue verschärfende Dinge einbringen wie die Zinshöhenschranke, eine Verschärfung der Zinsschranke. Das passt einfach nicht ins Gesamtsystem. Von daher wäre es gut, wenn Sie steuerpolitische Ansätze auch im Ganzen denken würden.

Eine letzte Anmerkung, die nicht unmittelbar was mit diesem Gesetz zu tun hat. Die Bundesländer haben über den Bundesrat die Bitte an die Bundesregierung und damit auch irgendwie an uns gerichtet, dass wir uns mit dem Thema Grunderwerbsteuer bezüglich der Umsetzung des MoPeGs beschäftigen. Die Personengesellschaften werden anders behandelt. Es besteht die Gefahr, dass Grundstücke in die Personengesellschaft oder von der Personengesellschaft auf den Gesellschafter nicht mehr steuerfrei übertragen werden können, wenn wir als Gesetzgeber nicht handeln. Es ist die Bitte der Länder, dass dies in diesem Gesetz erfolgt. Ich bitte darum, noch mal darüber nachzudenken, ob es nicht klug ist, das hiermit zu erledigen, anstatt es auf ein anderes Gesetzesvorhaben zu verschieben, sodass wir möglichst schnell Klarheit für die Steuerpflichtigen bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren, ich freue mich, dass ich diese lange Redezeit nutzen konnte, Ihnen – –

Herr Kollege, kommen Sie bitte zum Schluss. Ich freue mich auch, dass Sie jetzt hier sind.

Ich habe mir erspart, noch eine Folie an die Wand zu projizieren, um die Mindeststeuer etwas näher zu erläutern. Aber ich hoffe, Sie haben erkannt: –

Hallo!

– ein komplexes System, aber ein gutes Gesetz, Herr Präsident.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Katharina Beck [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] und Markus Herbrand [FDP])

Ich habe die Angst in Ihrem Blick schon gesehen. Es ist gut so, dass Sie sich so erschrocken haben, als Sie gesehen haben, dass ich hinter Ihnen sitze.

Nächster Redner ist für die SPD der Kollege Parsa Marvi.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Markus Herbrand [FDP])


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7601681
Wahlperiode 20
Sitzung 127
Tagesordnungspunkt Globale Mindestbesteuerung
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