11.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 127 / Zusatzpunkt 3

Hakan DemirSPD - Palästina-Politik

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Sehr verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe mit meinem jüdischen Freund Jeremy vor einigen Tagen gesprochen, der in Berlin-Neukölln arbeitet. Mir war es wichtig, zu hören, wie es ihm und seiner Familie geht. Und wir haben natürlich gemeinsam über den schrecklichen Terrorangriff der Hamas auf Israel gesprochen. Er meinte, dass er, obwohl er vor dem Samstag immer wieder mal mit seiner Kippa durch die Berliner Straßen gegangen sei, jetzt endgültig Angst habe.

(Beatrix von Storch [AfD]: Vor Rechtsextremisten oder vor wem hat er Angst?)

Klar ist: Es ist eine Schande, dass sich jüdische Mitmenschen in Deutschland nicht sicher fühlen, Angst haben. Wir müssen alles dafür tun, dass sich das ändert.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE])

Wie so viele von Ihnen habe ich am Samstag den terroristischen Angriff auf Menschen in Israel verurteilt. Ich will hier klarstellen: Die Antidiskriminierungsbeauftragte, die hier eine breite Unterstützung bekommen hat, hat das auch noch mal getan. Ich habe es gerade gesehen. Deshalb müssen wir es so einordnen: Sie hat richtig gehandelt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Cornelia Möhring [DIE LINKE])

Ich will auch klarstellen: Es ist keine deutsche oder europäische Pflicht, das zu verurteilen, sondern eine menschliche Pflicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Leider verstehen das nicht alle. Wir haben es hier schon gehört: Viele, die auf die Straße gegangen sind, haben sich gefreut, haben Solidarität gezeigt, weil Zivilisten getötet worden sind, Menschen entführt worden sind, Leichen geschändet worden sind. Da fragt man sich: Was geht bei diesen Menschen vor? Ich bin aber froh, dass die Innensenatorin hier in Berlin schnell agiert hat, dass die Polizei schnell eingegriffen hat und es auch gerade, zu dieser Stunde, macht.

Doch wir müssen – das ist auch klar – noch mehr machen, wenn sich Vereinigungen zusammentun, um terroristische Straftaten zu billigen, und gegen die Völkerverständigung sind. Denn wir sind keine wehrlose, sondern eine wehrhafte Demokratie. Und deshalb müssen wir alle Mittel, die der Rechtsstaat bietet, nutzen. Dazu gehören – das müssen wir klar sagen – auch Vereinsverbote. Wir müssen diese genau prüfen. Wir dürfen hier nicht zu schnell handeln, sondern müssen es sorgfältig machen; denn es darf am Ende nicht vor den Gerichten scheitern; es muss gerichtsfest sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen diesen Weg also weitergehen.

Kolleginnen und Kollegen, wir haben auch mitbekommen, dass der Nahostkonflikt in einigen Schulen aktiv ausgetragen worden ist. Das zeigt, dass das Thema in den letzten Wochen und Jahren vielleicht noch nicht so stark bearbeitet worden ist. Es ist klar, dass wir nicht weniger politische Bildung in den Schulen brauchen, sondern mehr. Wir müssen geschichtliches Wissen und natürlich Perspektiven vermitteln, und das nicht, wie manche meinen, wertneutral. Natürlich muss das auch wertegeleitet sein. Der Maßstab ist auch hier die Achtung der Menschenwürde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Wir haben zum Glück Schüleraustauschprogramme. Und ich bin froh, dass unter anderem unsere Staatsministerin Reem Alabali-Radovan die Denkfabrik Schalom Aleikum des Zentralrats der Juden fördert. Dieses Forum schafft einen Dialograum beispielsweise für Jüdinnen und Juden sowie Musliminnen und Muslime. Das ist auch wichtig so.

Was kann aber der Einzelne noch machen? Ich glaube, es ist wichtig, Haltung zu zeigen. Ich habe das zum Beispiel bei der Palästinensischen Gemeinde und der Jüdischen Gemeinde in Hannover erlebt, die zusammen ein Statement herausgegeben und gesagt haben, dass sie sich gegen Hass und Hetze stellen. Ich glaube, das ist auch ein Vorbild.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Heidi Reichinnek [DIE LINKE])

Am Ende meines Telefonats mit Jeremy habe ich ihm angeboten, dass wir gemeinsam den Dialog stärker voranbringen, dass wir in Neukölln auf die arabischen und muslimischen Gemeinden und Vereine zugehen. Denn es geht um die Wiederherstellung eines gesellschaftlichen Grundkonsenses: dass Übergriffe auf Zivilisten durch nichts zu rechtfertigen sind, dass Angriffe auf Musikfestivals kein Widerstand, sondern Terror sind und dass man solche Verbrechen nicht feiert.

(Beifall der Abg. Leni Breymaier [SPD])

All das gilt unabhängig davon, welche Lösungen man für einen gerechten Frieden im Nahen Osten findet. Es ist die Basis für jede weitere Debatte.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Jeremy hat gesagt: Ich stehe bereit. – Das ist ein kleiner, aber wichtiger Weg. Denn wir werden hier nicht allein auf Repression setzen können, sondern müssen immer wieder den Dialog und damit den Zusammenhalt stärken. Wir haben keine andere Wahl.

Danke schön.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Vielen Dank, Herr Kollege Demir. – Nächster Redner in der Debatte ist der Kollege Alexander Hoffmann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7601697
Wahlperiode 20
Sitzung 127
Tagesordnungspunkt Palästina-Politik
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