Friedrich MerzCDU/CSU - Regierungserklärung zur Lage in Israel
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Botschafter, lieber Ron Prosor! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zunächst in diesen uns alle sehr belastenden und beschwerenden Tagen einige Worte des Dankes sagen. Ich danke den Parteivorsitzenden der SPD, der CSU, der FDP und insbesondere Omid Nouripour für Bündnis 90/Die Grünen, von dem die Initiative ausging, dass wir bereits am Sonntag eine gemeinsame Erklärung der Parteivorsitzenden zu den schrecklichen Terroranschlägen in Israel abgeben konnten. Ich möchte den Bundestagsfraktionen, unseren Parteien hier im Haus danken, dass wir heute einen gemeinsamen Entschließungsantrag verabschieden werden. Und ich möchte Ihnen, Herr Bundeskanzler, für Ihre Regierungserklärung danken.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dieser 7. Oktober 2023, den Sie heute Morgen noch einmal in einigen seiner grauenhaften Einzelheiten beschrieben haben, wird als ein schwarzer Tag in die Geschichtsbücher des jüdischen Volkes eingehen. Ich möchte den Bürgerinnen und Bürgern Israels sagen: Auch wir nehmen diesen Tag in unsere Geschichtsbücher auf. Sie sind in Ihrer Trauer, aber auch in Ihrer Entschlossenheit nicht allein. Jeder zivilisierte Mensch, egal woher er kommt oder an was er glaubt, und vor allem wir Deutsche stehen in diesen Tagen ganz besonders an Ihrer Seite und gegen diese unfassbare Barbarei.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos], Robert Farle [fraktionslos] und Johannes Huber [fraktionslos])
Unser tiefempfundenes Mitgefühl gilt dem gesamten israelischen Volk, insbesondere den Familien der Toten, der Verletzten und der Geiseln. Die Bilder verzweifelter Mütter und Väter, Töchter und Söhne, Schwestern und Brüder erfüllen auch uns mit großer Trauer. Als Familienvater kann ich den unermesslichen Schmerz der Familien in ganz Israel, aber auch bei uns hier in Deutschland, die nahe Angehörige oder Freunde verloren haben oder um deren Leben sie bangen, nur erahnen. Es gibt für diesen feigen und abscheulichen Exzess der Gewalt keinerlei Rechtfertigung.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos], Robert Farle [fraktionslos] und Johannes Huber [fraktionslos])
Israel reagiert auf diesen Terror im Rahmen seines völkerrechtlich verbrieften Rechts auf Selbstverteidigung. Ben-Gurion, Israels erster Premierminister, hat einmal gesagt: Das Schicksal Israels hängt von zwei Dingen ab, seiner Stärke und seiner Gerechtigkeit. – Wir wünschen dem Staat Israel, dass er sein Selbstverteidigungsrecht eben mit Stärke und Gerechtigkeit ausübt. Der Unterstützung des Deutschen Bundestages kann sich Israel dabei sicher sein.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der LINKEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, es ist in den letzten Tagen einige Male gesagt worden: Seit dem Menschheitsverbrechen der Shoah sind an keinem Tag so viele Jüdinnen und Juden gewaltsam um ihr Leben gebracht worden wie eben an diesem schicksalhaften 7. Oktober 2023. Gerade für uns Deutsche gilt daher: Wo immer jüdisches Leben bedroht, gefährdet oder gar vernichtet wird, stehen wir für Schutz und Freiheit in ganz besonders herausragender Verantwortung.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN)
Deshalb – Herr Bundeskanzler, Sie haben das angesprochen – schämen wir uns, dass auf deutschen Straßen der Tod von Jüdinnen und Juden gefeiert wird. Unser demokratischer Staat darf solche Zustände nicht dulden.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos])
Er muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unseres Rechtsstaates sicherstellen, dass jede Form antisemitischer Gewaltverherrlichung unterbunden wird, ohne Wenn und Aber.
(Zuruf von der AfD: Wir schaffen das!)
Doch damit ist es nicht getan. Ich biete für die Unionsfraktion an, dass wir gemeinsam aus der Mitte dieses Hauses den Kampf gegen Antisemitismus in unserem Land noch entschlossener fortsetzen. Dazu zählt, dass Vereine und Organisationen, die die Hamas oder andere islamistisch-militante Organisationen unterstützen, verboten werden. Wer für Terroristen Geld einsammelt oder offen mit ihnen sympathisiert, kann sich nicht auf Meinungsfreiheit berufen.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos])
Es sind Straftaten, die wir nicht dulden dürfen. Dazu zählt, dass als Kunst getarnter Antisemitismus, etwa auf der Kasseler Documenta, als das bezeichnet und unterbunden wird, was er tatsächlich ist, nämlich widerlicher und abscheulicher Judenhass.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos] und Johannes Huber [fraktionslos])
Dazu zählt, dass Demonstrationsverbote konsequent durchgesetzt werden. Die Bilder vom vergangenen Samstag und erneut die vom gestrigen Abend, liebe Kolleginnen und Kollegen, sind unerträglich und müssen abgestellt werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dazu zählt auch – Herr Bundeskanzler, Sie haben das in Ihrer Regierungserklärung angesprochen –, dass die Iranpolitik endlich von allen Illusionen befreit wird.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)
Das Mullah-Regime in Teheran ist eine existenzielle Bedrohung nicht nur für Menschenrechte und die Freiheit im eigenen Land, sondern auch für das Leben der Menschen in Israel und den Fortbestand ihres ganzen Staates.
Dazu zählt auch – auch das haben Sie dankenswerterweise erwähnt –, dass wir alle Zahlungen an die Palästinensischen Gebiete und Organisationen auf den Prüfstand stellen. Unser Maßstab dabei muss klar sein: Wer Israel vernichten will oder den Holocaust verharmlost, der darf kein deutsches Steuergeld mehr erhalten.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD und der LINKEN und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos] und Johannes Huber [fraktionslos])
Zu dieser Entschlossenheit gegen Antisemitismus zählt schließlich, dass wir keine rechtsfreien Räume in Deutschland dulden, in denen der Hass gegen Israel gepredigt wird. Ich mache es konkret. Ich rufe Sie, Frau Bundesinnenministerin, dazu auf: Schließen Sie endlich das Islamzentrum in Hamburg.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der AfD)
Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, vor einem halben Jahr, am 12. Mai 2023, haben wir hier im Deutschen Bundestag den Jahrestag der Gründung des Staates Israel gewürdigt. Wir haben gemeinsam die Zusage erneuert, dass die Sicherheit und das Existenzrecht Israels Teil der deutschen Staatsräson sind. Wir hätten uns vermutlich alle nicht vorstellen können, dass es mit dieser Zusage nun ernst wird. Wie ernst es werden könnte, das wissen wir noch nicht. Aber seit dem vergangenen Samstag wissen wir, dass neben dem Krieg in der Ukraine an einem nächsten Ort in unserer weiteren Nachbarschaft die Freiheit und der Friede verteidigt werden müssen.
Wir begrüßen es daher ausdrücklich, Herr Bundeskanzler, dass Sie heute Morgen angekündigt haben, dass Deutschland zusammen mit den europäischen Partnern vor allem und zunächst alle diplomatischen Mittel ausnutzen will, um auf die Nachbarstaaten Israels mäßigend einzuwirken. Ein Flächenbrand in der Region und gegen Israel muss unter allen Umständen verhindert werden.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der AfD und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos], Robert Farle [fraktionslos] und Johannes Huber [fraktionslos])
Meine Damen und Herren, der Jom-Kippur-Krieg begann an einem 6. Oktober. Der Krieg dauerte 20 Tage und endete mit dem Sieg Israels über die angreifenden arabischen Staaten. Wie lange dieser Krieg nun dauern wird, vermag niemand von uns zu sagen. Doch eines ist schon jetzt klar: Unsere Solidarität darf keine Risse bekommen, auch dann nicht, wenn Israel das Notwendige tut, um seine Sicherheit wiederherzustellen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos])
Ich möchte in diesem Zusammenhang einen weiteren großen Premierminister Israels zitieren. Von Yitzhak Rabin stammt der Satz: Wir feiern den Tod unserer Gegner nicht. – Gerade in einer solchen Ausnahmesituation, wie wir sie seit dem letzten Samstag sehen, zeigt sich eben der ganze Unterschied zwischen einer zivilisierten Demokratie und einer hasserfüllten Terrorgruppe.
(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der AfD)
Israel weist für die Bevölkerung in Gaza Schutzzonen aus, bevor Angriffe auf die Hamas geflogen werden. Israel bombardiert nicht wahllos zivile Infrastruktur. Israel behandelt seine Gefangenen gemäß den internationalen Konventionen. Das, meine Damen und Herren, um es noch einmal zu sagen, ist der Unterschied zwischen Zivilisation und Terror.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und der Abg. Joana Cotar [fraktionslos])
Ich selbst war im Frühjahr dieses Jahres das letzte Mal in Israel, um Staatspräsident Herzog, Premierminister Netanjahu, Oppositionsführer Lapid und Vertreter der Zivilgesellschaft zu treffen. Für einen Deutschen ist so ein Besuch immer noch etwas Besonderes.
Nach dem Holocaust haben die Jüdinnen und Juden aus einer kargen Wüste ein blühendes Land geschaffen. Konrad Adenauer hat mit Israel 15 Jahre nach den Grauen des Zweiten Weltkriegs Frieden geschlossen. Das Treffen zwischen Ben-Gurion und Konrad Adenauer am 14. März 1960 in New York hat Weltgeschichte geschrieben. Diese Aussöhnung mit Israel ist für uns auch heute und immer noch ein großes Geschenk. Aber dieses Geschenk verpflichtet uns auch bis heute.
Israel ist stark. Es liegt jetzt an uns, ein starker Verbündeter Israels zu sein.
Herzlichen Dank.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie der Abg. Joana Cotar [fraktionslos], Robert Farle [fraktionslos] und Johannes Huber [fraktionslos])
Nächste Rednerin: für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Katharina Dröge.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7601710 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zur Lage in Israel |