Christian DürrFDP - Regierungserklärung zur Lage in Israel
Frau Präsidentin! Hochverehrter Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sie waren gestern zu Gast und auch davor, am 12. Mai, als wir hier gemeinsam die Gründung des Staates Israels im Deutschen Bundestag besprochen und uns an die Seite Israels gestellt haben, in Zeiten, als noch Frieden herrschte. 75 Jahre sind seit der Gründung des Staates vergangen. Und dann kamen die schrecklichen Ereignisse der letzten Tage, die uns alle zutiefst erschüttert haben.
Der 7. Oktober markiert den Tag der größten Gewalt gegen jüdisches Leben seit den Verbrechen der Shoah. Über 4 500 Raketen hat die terroristische Hamas auf Israel abgefeuert, über 1 200 Zivilisten und Soldaten haben ihr Leben verloren. Hunderte Menschen wurden verschleppt, mehr als 2 700 sind verletzt. Gestern haben uns entsetzliche Berichte erreicht, dass die Hamas 40 Babys getötet hat. Das Ausmaß des Bösen, es ist kaum fassbar. Die Menschen in Israel müssen unter Angst und Gewalt leiden. Verehrter Herr Botschafter, unsere Gedanken sind bei den Opfern und ihren Angehörigen. Wir fühlen mit Ihnen und Ihrem Volk, Herr Botschafter.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Sicherheit und das Existenzrecht Israels sind und bleiben deutsche Staatsräson. Die Beziehung zwischen Deutschland und Israel ist heute von tiefer Verbundenheit, sie ist von Freundschaft geprägt. Sie ist und bleibt aber für alle Zeit untrennbar verbunden mit der Verantwortung Deutschlands gegenüber allen Jüdinnen und Juden. Unser „Nie wieder!“ gilt nicht nur in der Bundesrepublik Deutschland, sondern insbesondere in Israel und auch überall sonst auf der Welt. Israel ist nicht nur unser engster Verbündeter, sondern Israel ist ein Symbol für die Werte der Demokratie in einer Region, die von Konflikten und Unruhen gekennzeichnet ist.
Der menschenverachtende Angriff der Hamas auf Israel ist ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Dieser Angriff zielt nicht nur auf israelische Städte und Gemeinden, sondern bedroht auch die Aussichten – der Bundeskanzler hat es gesagt – auf Frieden und Stabilität in der Region, und zwar ganz bewusst. Wir verurteilen diese fürchterliche Gewalt auf das Schärfste und fordern die sofortige Einstellung der terroristischen Angriffe. Herr Botschafter, ich will es in aller Deutlichkeit sagen: Israel hat die volle Unterstützung, auch des Deutschen Bundestages, sich selbst zu verteidigen. Dieser Unterstützung können Sie sich sicher sein, Herr Botschafter.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Wahrheit ist, meine Damen und Herren: Die Distanz zwischen Wort und Tat haben auch wir unterschätzt. Das, was die Hamas in den letzten Jahren und Jahrzehnten propagiert hat, hat sie in die Tat umgesetzt, und deshalb müssen wir auch auf das Wort achten. Wir müssen unsere Blicke auch auf die Ereignisse in Deutschland richten. Die Bilder aus Berlin und Duisburg, die wir am vergangenen Samstag und Sonntag gesehen haben, erfüllen uns mit tiefster Scham. Menschen, die den Terrorismus bejubeln und feiern, zeigen damit, dass sie die grundlegenden Werte der Bundesrepublik Deutschland ablehnen. Ich nehme es nicht hin, dass die terroristischen Angriffe der Hamas und die Verteidigung der israelischen Streitkräfte öffentlich gleichgesetzt werden. Ich will es in aller Deutlichkeit sagen: Das ist eine beschämende Verzerrung der Tatsachen. Der Bundeskanzler hat es gesagt: Täter und Opfer werden bewusst verwechselt, aus politischen, aus terroristischen Gründen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Jürgen Braun [AfD])
Klar ist für uns Demokraten: Wir stellen uns jeder Form von Antisemitismus entschieden in den Weg, egal ob von rechts, von links oder von radikalen Muslimen. Es ist mir wichtig, klarzustellen, dass wir in Deutschland weltoffen sind für alle Menschen, egal welcher Religion, die unsere Werte teilen und sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen. Sie sind herzlich willkommen in unserem Land. Jüdisches Leben ist ein fester Bestandteil in unserem Land, den wir schützen, den wir fördern müssen. Diese Verantwortung für jüdisches Leben gilt gleichermaßen für alle Menschen, für alle Einwanderinnen und Einwanderer, die nach Deutschland kommen und die in unsere Gesellschaft eintreten. Es ist nämlich unabdingbar, dass dieser Grundsatz von allen akzeptiert wird. Meine Damen und Herren, ich sage es in aller Deutlichkeit: Wer zu uns nach Deutschland kommt, um auf den Straßen gegen jüdisches Leben zu hetzen, ist in unserem Land nicht willkommen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und des Abg. Johannes Huber [fraktionslos])
Ich erwarte auch von muslimischen Verbänden in Deutschland eine klare Haltung und Distanzierung vom schrecklichen Terror der Hamas. Wir werden dafür sorgen, dass Organisationen und Vereine, die die Hamas und ihre terroristischen Aktivitäten direkt oder indirekt unterstützen, in unserem Land verboten werden. Dazu gehören zum Beispiel das Islamische Zentrum Hamburg und andere Organisationen, die Verbindungen zur Hamas und Hisbollah unterhalten. Wir werden Antisemitismus und die terroristische Organisation des Antisemitismus in Deutschland nicht dulden und dem gemeinsam entschieden entgegentreten, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen will ich allen Fraktionen der demokratischen Mitte dieses Hauses danken, dass wir uns am heutigen Tag auf einen gemeinsamen Entschließungsantrag einigen konnten. Es ist ein wichtiges und notwendiges Signal, ein angemessenes Zeichen in diesen schwierigen Zeiten, dass wir diesen Antrag heute gemeinsam in den Bundestag einbringen und beschließen werden.
Herr Merz, ich will auch Ihnen als Vorsitzenden der größten Oppositionsfraktion dafür danken, dass Sie hier über die Grenzen von Regierung und Opposition hinweg in den letzten Tagen klare und deutliche Signale gesetzt haben. Dieser Antrag heute ist auch ein Unterstreichen unserer Glaubwürdigkeit und gleichzeitig ein Versprechen in die Zukunft, meine Damen und Herren.
Herr Botschafter, Sie waren am Dienstag bei uns in der FDP-Bundestagsfraktion zu Gast, und Sie haben einen Satz gesagt, den ich hier gerne wiederholen möchte. Sie haben gesagt: Wenn wir zusammen sind, dann sind wir unbesiegbar. – Wir sind zusammen.
Ich danke Ihnen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nächster Redner: für die Fraktion Die Linke Dr. Dietmar Bartsch.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7601713 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zur Lage in Israel |