Lars KlingbeilSPD - Regierungserklärung zur Lage in Israel
Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Botschafter! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Musik ist Freiheit. Musik verbindet über Grenzen hinweg. Ich kann mir kaum etwas Friedlicheres vorstellen als junge Menschen, die glücklich auf einem Musikfestival tanzen, die für einen Moment die Sorgen des Alltags vergessen, die ihre Jugend und das junge Erwachsensein feiern und genießen, die sich fallen lassen. Egal wo du herkommst, egal wer du bist: Musik ist Freiheit, und Musik verbindet.
Ich kann Ihnen gar nicht beschreiben, wie mich die Bilder und die Geschichten der Menschen auf dem Supernova-Festival in Israel aus der Bahn geworfen haben. Junge Menschen, die friedlich miteinander tanzten, die ein unbeschwertes Miteinander feierten – und dann änderte sich alles, von einer Sekunde auf die nächste. Aus friedlichen, unbeschwerten jungen Menschen, die feierten, wurden Gejagte, Menschen, die um ihr Leben rannten. 260 von ihnen haben es nicht geschafft. Sie wurden kaltblütig ermordet, vergewaltigt, geschändet. Es waren furchtbare Nachrichten und grausame Bilder, die uns am letzten Samstag aus Israel erreicht haben: 1 200 Tote, viele Tausend Verletzte, 5 000 Raketen.
Um es hier gleich zu Beginn in aller Deutlichkeit und in aller Klarheit zu sagen: Es gibt keine Relativierung. Es gibt keine Verharmlosung. Es gibt kein „Ja, aber“. Nichts rechtfertigt diese barbarischen Attacken der Hamas. Nichts, wirklich gar nichts, rechtfertigt den Terror, der gegen den Staat Israel und seine Bürgerinnen und Bürger verübt wurde.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Auch heute, fünf Tage nach diesen grausamen Anschlägen, fällt es mir schwer, die richtigen Worte zu finden. Meine Gedanken sind bei denen, die Angehörige verloren haben, deren Angehörige als Geiseln verschleppt wurden, bei zahlreichen Frauen, Kindern und Jugendlichen, die Opfer dieser feigen Angriffe geworden sind. Ich bin dankbar, dass wir heute hier im Parlament zusammenkommen und versuchen, eine gemeinsame Sprache zu finden, dass wir gemeinsam versuchen, die Sprachlosigkeit zu überwinden, mit der Debatte, mit dem Antrag. Klar ist aber auch: Worten müssen Taten folgen.
Sehr geehrter Herr Botschafter, seien Sie versichert, dass wir, die hier in der Mitte des Parlaments zusammengekommen sind, fest an der Seite Israels stehen. Ich bin der Bundestagspräsidentin dankbar, dass sie gestern die richtigen Worte für uns als Parlament gefunden hat. Ich bin dem Bundeskanzler Olaf Scholz für seine klaren und unmissverständlichen Worte dankbar. Ich bin für klare Hilfs- und Unterstützungszusagen dankbar. Unsere Solidarität mit dem Staat Israel und der Bevölkerung Israels ist und bleibt ungebrochen. Das unterstreichen wir heute auch gemeinsam hier im Parlament.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Es ist mir – und das darf ich auch für Saskia Esken sagen – ein persönliches Anliegen, Ricarda Lang, Christian Lindner, Friedrich Merz, Markus Söder und Omid Nouripour vor allem dafür zu danken, dass wir es an einem Wahlsonntag, wo es für unsere Parteien jeweils um viel ging, geschafft haben, mit der demokratischen Mitte dieses Parlamentes eine gemeinsame Stellungnahme abzugeben. Das zeigt, wie wichtig das Thema Israel für uns als Demokratinnen und Demokraten ist. Dafür an alle Parteien, die mitgezeichnet haben, ein großer Dank!
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben uns als Deutschland nach dem Krieg geschworen: „Nie wieder!“ Nie wieder schauen wir weg. Nie wieder schweigen wir, wenn jüdisches Leben bedroht ist. – Israel hat sich in den letzten 75 Jahren zu einem Schutzraum für jüdisches Leben entwickelt als Antwort auf den Schrecken des Holocausts, den unser Land zu verantworten hatte. Unter dem Eindruck der Attentate vom vergangenen Samstag müssen wir festhalten: Dieser Schutzraum war nicht mehr sicher.
Als ich Anfang des Jahres als Parteivorsitzender Israel besuchte und in der Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz niederlegte, waren es auch diese zwei Worte – „Nie wieder“ –, die auf dem Kranz zu lesen waren. Und denen, die meinen – und wir merken doch, dass sich das in unserer Gesellschaft einschleicht –: „Das ist doch alles Jahrzehnte her, irgendwann ist doch auch mal gut mit der Verantwortung; wir sind doch heute eine andere Generation“, sagen wir hier gemeinsam laut und deutlich: „Nie wieder!“ hat kein Schlussdatum. „ Nie wieder!“ ist eine Haltung. Und wir haben als Deutschland aus unserer Geschichte gelernt, dass man diese Haltung niemals aufgeben darf.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Israel ist ein Schutzraum. Aber Israel ist mehr als ein Schutzraum: Es ist ein Land mit Lebensfreude, ein kulturell reiches Land mit einer lebendigen und kämpferischen Demokratie, einer innovationsstarken Wirtschaft. Es ist auch – und das ist mir sehr wichtig; ich weiß, dass das keine Selbstverständlichkeit ist – ein Partner und Freund Deutschlands. Wir haben das Bewusstsein für unsere historische Verantwortung, und wir wissen, welche gemeinsamen Werte die deutsch-israelische Freundschaft ausmachen. Für diese Freundschaft, Herr Botschafter, bin ich ausdrücklich dankbar, und das darf ich im Namen meiner Partei festhalten.
Wir sind tief erschüttert über den blutigsten Angriff auf Jüdinnen und Juden, den wir seit der Shoah erleben mussten. Israel hat das völkerrechtlich verbriefte Recht, sich zu verteidigen, sein Volk und seine Existenz zu beschützen. Im Kampf gegen die Terroristen der Hamas und die Feinde Israels stehen wir fest an der Seite Israels und seiner Bevölkerung. Wir werden unterstützen. Die Sicherheit Israels ist Teil unserer deutschen Staatsräson.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Der brutale Terror der Hamas bringt Leid und Zerstörung in der gesamten Region. Wir wissen: Die Hamas will keinen Frieden – auch nicht für die Menschen in den Palästinensischen Gebieten, die in Frieden leben wollen. Die Hamas bringt eine humanitäre Katastrophe über die Menschen in den Gebieten dort. Die Hamas will Hass und Leid. Es ist richtig, dass US-Präsident Biden vorgeschlagen hat, Zivilisten, Frauen und Kindern einen sicheren Ausweg aus Gaza zu eröffnen. Auch denen muss Schutz gegeben werden, die auf palästinensischer Seite durch Terror der Hamas bedroht sind. Die Hamas bringt Instabilität in die gesamte Region.
Es ist richtig, dass wir auch die Rolle des Irans in diesem Antrag klar benennen. Es ist richtig, dass mit diesem Antrag auch deutlich wird: Unsere Perspektive und unser Blick auf den Iran muss sich verändern. Es ist richtig, dass andere Länder in der Region auch in die Verantwortung genommen werden, sich klar von dem Terror der Hamas zu distanzieren. Und es ist auch richtig, dass wir das sehr klar von der Palästinensischen Autonomiebehörde erwarten. Es darf hier kein Wegducken geben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Heute ist ein Tag der Solidarität. Es geht darum, dass der Terrorismus in Israel konsequent bekämpft wird. Es geht um den Terrorismus, der den Staat Israel gefährdet. An einem Tag wie heute möchte ich auch an die Worte des ehemaligen israelischen Ministerpräsidenten Yitzhak Rabin erinnern. Rabin sagte, Israel müsse den Terror bekämpfen, als gäbe es keine Verhandlung, und Verhandlungen führen, als gäbe es keinen Terror. Wir alle wissen, dass ein nachhaltiger Frieden mit den Terrorakten der Hamas vom vergangenen Samstag in weite Ferne gerückt ist. Jetzt gilt es, den Terror konsequent zu bekämpfen. Die Perspektive auf einen nachhaltigen Frieden in der Region dürfen wir aber auch an solchen Tagen nicht aufgeben. Wir stehen fest an der Seite Israels.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der LINKEN)
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Alexander Dobrindt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7601715 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zur Lage in Israel |