Rolf MützenichSPD - Regierungserklärung zur Lage in Israel
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Botschafter! Exzellenz! Der Überfall der Hamas auf Israel ist ein barbarischer Akt. Eine derartige Brutalität und Entschlossenheit hätte ich mir auch persönlich niemals in dieser Dimension, in dieser Rücksichtslosigkeit vorstellen können.
Morden verstößt gegen alle Gebote und Verbote. Ich bin der festen Überzeugung: Ein demokratischer Rechtsstaat, aber auch alle Religionen müssen dieses Postulat immer wieder neu begründen. Morden verstößt gegen alle Gebote und Verbote, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Und mehr noch: Wer wahllos und unterschiedslos mordet, steht abseits jeder menschlichen Ordnung und zerstört die zivilisatorischen Errungenschaften und das Selbstverständnis aller Kulturkreise.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Deswegen, meine Damen und Herren, ist es gut, dass wir heute diese Regierungserklärung des Bundeskanzlers gehört haben. Ich danke für meine Fraktion der Bundestagspräsidentin, aber auch den Parteivorsitzenden ausdrücklich für ihre Erklärung. Ich will meinen Dank auch an die CDU/CSU-Fraktion aussprechen, dass wir zu einer gemeinsamen Erklärung gekommen sind. Sie wissen: Ich hätte auch gerne die Fraktion der Linken in diese Erklärung eingebunden. Aber ich denke, alle demokratischen Fraktionen in diesem Hause haben in dieser Stunde bewiesen, was es heißt, solidarisch zu Israel zu stehen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Deswegen habe ich für meine Fraktion, Herr Botschafter, Ihnen am Sonntag einen Brief geschrieben – auf meine Art, nicht auf Twitter – mit persönlichen Worten, nicht zum Kopieren gedacht. Darin habe ich Ihnen die Solidarität des Hauses, aber auch meiner Fraktion zum Ausdruck gebracht.
Israel hat das Recht auf Selbstverteidigung, das Recht, Maßnahmen durchzuführen, die diese Selbstverteidigung sichern, und, ja, Herr Botschafter – das richtet sich auch an die israelische Regierung –, auch Maßnahmen durchzuführen, die weitere Angriffe verhindern werden. Dies wird uns in den nächsten Tagen begleiten. Und ich bin ganz sicher: Ein demokratischer Staat wie Israel wird zuerst seine Bürgerinnen und Bürger, jüdisches Leben schützen; aber gleichzeitig auch das humanitäre Kriegsvölkerrecht zum Maßstab dieser Maßnahmen machen. Ich wünsche mir das und danke Ihnen sehr, wenn Sie dies Ihrer Regierung vonseiten des Deutschen Bundestages sagen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN)
Herr Botschafter, sagen Sie uns, was jetzt gebraucht wird. Der Bundeskanzler und alle Fraktionen haben hier erklärt: Medizinische Hilfe, die Versorgung mit Medikamenten, Unterstützung bei der Evakuierung derer, die jetzt noch aus Israel evakuiert werden können und wollen – all das, was erforderlich und gewünscht ist, wird Ihnen Deutschland liefern. Das sage ich auch für meine Fraktion. Gleichzeitig wird Deutschland – ich finde, auch darüber muss in einer ernsthaften Debatte gesprochen werden –, wenn es erforderlich und gewünscht ist, seinen Beitrag leisten, wenn es zu Verhandlungen über die Freilassung von Geiseln kommt. Aber dies muss vonseiten des israelischen Staates uns gegenüber gesagt werden, wie in der Vergangenheit. Ich bin der festen Überzeugung: Dann wird die Bundesregierung in aller Vertraulichkeit und mit allen ihren Möglichkeiten dabei helfen, weitere unschuldige Opfer zu verhindern, Herr Botschafter; das ist auch an die Regierung Israels gerichtet.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP und der LINKEN)
Bei uns Gewalttaten und Verbrechen gutzuheißen, ist nicht nur verboten – ich sage gleichzeitig: auch unsittlich –, sondern muss auch geahndet werden. Deswegen, Herr Kollege Merz, nehme ich Ihr Gesprächsangebot gerne auf, uns noch einmal zusammenzusetzen und zu beraten, was neben den bereits erfolgten Maßnahmen noch alles notwendig ist.
Ja, ich bedaure, dass einzelne Verbände in Deutschland, die glauben, die muslimische Gemeinschaft vertreten zu können, nicht ausreichend auf diesen Terrorakt reagiert haben.
(Yvonne Magwas [CDU/CSU]: Richtig!)
Sie müssen sich distanzieren; sie müssen auch auf das Innere der Vereine einwirken. Aber ich würde hier auch gern mal die Frage stellen: Glauben wir wirklich, dass diese muslimischen Vereine noch alle Menschen muslimischen Glaubens in Deutschland vertreten? Deswegen ist es gut, auch auf die zuzugehen, die in privaten Gesprächen oder auch in Verlautbarungen gesagt haben, dass sie diesen Terror verachten und letztlich, dass er im Namen der Religion geführt wird. Das sind Muslime in Deutschland, denen heute, meine Damen und Herren, eine Stimme gegeben werden muss.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Es ist unangebracht, dass bei uns Stimmen laut geworden sind, die das eine gegen das andere aufrechnen. Ich vertraue der Demokratie Israels – das haben wir in den letzten Wochen und Monaten gesehen –, nicht zu diesem Zeitpunkt – zu diesem Zeitpunkt wird der Überlebenskampf geführt –, aber zu späteren Zeitpunkten eigene Fehler und vielleicht auch Versäumnisse aufzuarbeiten. Da braucht Israel keine Hinweise, schon gar nicht von uns; das sage ich auch allen, die meinen, spitzfindig etwas zu dieser Debatte beitragen zu können.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Gerold Otten [AfD]: Unglaublich!)
Zum Schluss: Ja, wir müssen mit allen Mitteln und Möglichkeiten dazu beitragen – mithilfe der Diplomatie, mithilfe von Gesprächen –, einen Flächenbrand in der Region zu verhindern. Auch wenn dieser Terror schon ein Ausmaß angenommen hat, das undenkbar gewesen wäre, wäre ein Flächenbrand eine noch größere Katastrophe für diese Region, einschließlich Israel. Deswegen bin ich der festen Überzeugung, dass es gut ist, auch über Hoffnung zu sprechen. Der israelische Historiker Tom Segev hat, glaube ich, am Sonntag dieser Woche in einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“ auf seine Art daran erinnert, dass am Ende des Jom-Kippur-Krieges Frieden geschaffen wurde zwischen Ägypten und Israel, weil es den Premierminister Begin und den Präsidenten Al-Sadat gab, die bereit gewesen waren, sich die Hand zu geben. Und es gab auch einen Jimmy Carter, der dabei geholfen hat. Ich würde mir das für die internationale Politik, für die internationale Gemeinschaft wünschen. Ich sehe zurzeit keinen Menachem Begin, aber auch keinen Al-Sadat. Deshalb ist die Lehre, wie es auch Tom Segev so gesagt hat: Am besten schließen Staaten Frieden. – Das ist, glaube ich, auch die Verpflichtung für die deutsche Diplomatie in der Zukunft.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der FDP und der LINKEN sowie des Abg. Johannes Huber [fraktionslos])
Nächster Redner: für die CDU/CSU-Fraktion Armin Laschet.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7601720 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zur Lage in Israel |