Gabriela HeinrichSPD - Regierungserklärung zur Lage in Israel
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Exzellenz! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bilder, die uns aus Israel erreichen, machen uns traurig und wütend und fassungslos. Ich glaube, dass das in vielen Reden hier auch spürbar ist. Der Terror der Hamas hat ein Ausmaß, das wir seit den Gräueltaten des „Islamischen Staates“ nicht mehr gesehen haben, das Israel in seiner Geschichte noch nicht erlebt hat. Die Verbrechen der Hamas verstoßen gegen das humanitäre Völkerrecht, sind Verbrechen gegen die Menschlichkeit und durch nichts zu rechtfertigen; ein Terrorangriff der Hamas gegen Zivilisten, gegen Kinder, Frauen und Männer mit ungeheurer Brutalität. Israel hat jedes Recht, sich zu verteidigen und seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen. Und ich bin froh, dass wir uns heute an dieser Stelle einig sind.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Die Menschen in Israel, ihre Angehörigen und die Jüdinnen und Juden in aller Welt haben unser tiefes Mitgefühl. Die Raketen der Hamas schlagen geografisch weit entfernt von den deutschen jüdischen Kultusgemeinden ein, und doch sind sie emotional sehr nah; denn die kollektive Angst vor Angriffen, vor Tod und Gewalt ist auch hier in Deutschland spürbar. Dass Jüdinnen und Juden in Deutschland unter Polizeischutz leben müssen, ist nicht neu. Wir alle sehen in unseren Wahlkreisen die strenge Bewachung der jüdischen Einrichtungen, Synagogen, Schulen, Altenheime. Und warum müssen sie bewacht werden? Weil es hier in Deutschland nicht nur einen latenten Antisemitismus hinter vorgehaltener Hand gibt, sondern weil potenzielle Täter ein Risiko für Leib und Leben der Jüdinnen und Juden, unserer Freundinnen und Freunde, hier in Deutschland darstellen. Sehr verehrte Kolleginnen und Kollegen, das darf kein Normalzustand sein, mit dem wir uns abfinden. Hass ist keine Meinung. Antisemitismus ist keine Meinung. Er darf in Deutschland keinen Platz haben, egal aus welcher Ecke er kommt, ob von rechts oder links, ob von Christen oder Muslimen.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Antisemitismus gibt es weltweit. Deshalb ist es das Urbedürfnis der Menschen in Israel, sicher und geschützt vor Gewalt zu sein. Und mitten in dieses Urbedürfnis schlagen jetzt die Raketen der Hamas ein. Als Vorsitzende der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe habe ich meinem Gegenüber in der Knesset sinngemäß geschrieben: Die Sorgen der Angehörigen der Opfer und von Geiseln sind für uns jenseits aller Vorstellungskraft. Wir müssen es versuchen, aber ob es gelingt, da bin ich mir nicht sicher. – Wie schwer muss es für unsere Kolleginnen und Kollegen in Israel jetzt sein. Nicht umsonst wurde gestern eine Notstandsregierung unter Beteiligung der Opposition gebildet. Regierung und Opposition in der Knesset müssen jetzt sehr schwere Entscheidungen treffen, von denen das Leben unvorstellbar vieler Menschen abhängt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir haben es heute schon mehrfach gehört: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Wir werden heute einen gemeinsamen Antrag von Ampel und Union verabschieden, und dafür möchte ich mich – auch wenn Omid Nouripour es schon getan hat – noch einmal sehr herzlich bei meinen Partnerinnen und Partnern bedanken: bei Agnieszka Brugger, bei Michael Link und vor allen Dingen auch bei Johann Wadephul.
(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Dass dies gelingen würde, war uns ein Bedürfnis. Ich glaube, auch das ist wichtig noch einmal auszudrücken. Ich halte es übrigens für selbstverständlich – wir haben in diesem Antrag auch einiges an Hausaufgaben formuliert –, dass wir noch mal prüfen, ob Gelder der Entwicklungszusammenarbeit für hilfsbedürftige Palästinenser zweckentfremdet werden können. Erst wenn diese Prüfungen erneut bestätigen, dass wir damit nicht Gefahr laufen, den Terror zu finanzieren, erst dann können wir weitere Verpflichtungen eingehen.
Humanitäre Hilfe, auch das sagt unser Antrag, werden wir jedoch weiterhin leisten und leisten müssen; denn viel zu viele Palästinenserinnen und Palästinenser sind auf lebensnotwendige Hilfen von internationalen Organisationen angewiesen. Und ich finde, wer das leugnet, hat ein merkwürdiges Menschenrechtsverständnis.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Klar ist zweitens: Demonstrationen, auf denen der Terrorismus der Hamas gefeiert wird, sind nicht nur menschlich schwer zu ertragen, sondern schlicht volksverhetzend.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Die Ereignisse in Neukölln und anderswo müssen aufgearbeitet werden, und dem Antisemitismus müssen wir mit allen Mitteln des Rechtsstaates beikommen.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Drittens müssen wir auf dem internationalen Parkett doch mehr tun, um all diejenigen zu isolieren und zu sanktionieren, die verbal oder verbrecherisch gegen Israel vorgehen; allen voran – auch das wurde heute schon gesagt – gilt das für das Regime des Iran.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, der 7. Oktober ist ein schrecklicher Einschnitt für Israel, ein schrecklicher Einschnitt für die Jüdinnen und Juden in der Welt. Die Menschen in Israel sind vereint, um ihr Land, ihre Demokratie und ihre Zukunft zu verteidigen. Dabei stehen wir fest an ihrer Seite. Ich wünsche Israel von ganzem Herzen Frieden.
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Bevor ich den nächsten Redner aufrufe, will ich nur einmal ankündigen, dass ich mir wegen der hitzigen Wortgefechte vorhin, die hier hin- und hergingen, das Protokoll anschauen werde, und behalte mir vor, die eine oder andere Ordnungsmaßnahme noch zu erlassen.
Jetzt rufe ich den fraktionslosen Abgeordneten Johannes Huber auf.
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7601725 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Regierungserklärung zur Lage in Israel |