12.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 128 / Tagesordnungspunkt 7

Bärbel Kofler - Prinzipien der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie

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Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich sehr, bei dieser wichtigen Debatte internationale Aspekte, Aspekte der Entwicklungszusammenarbeit einbringen zu können. Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze hat hier im Deutschen Bundestag vor einigen Wochen über eine ernüchternde Halbzeitbilanz der Agenda 2030 gesprochen. Es ist klar: Wenn wir als internationale Gemeinschaft so weitermachen wie bisher, werden wir keines der 17 Nachhaltigkeitsziele erreichen.

Wir haben uns als Weltgemeinschaft aufgemacht, den Hunger nachhaltig zu bekämpfen, Klimaschutz voranzubringen, faire Arbeitsbedingungen voranzubringen, und das alles in einem Dreiklang von Ökologie, Wirtschaft und Sozialem. Wenn wir diese Aufholjagd, die dringend nötig ist, jetzt angehen wollen, müssen wir sehen, welche Hebel wir nutzen können, um hieran verstärkt zu arbeiten. „ Ungleichheit bekämpfen“ ist einer dieser Hebel, „mehr Investitionen tätigen“ ein zweiter und das Thema „Geschlechtergerechtigkeit voranbringen“ ein dritter wesentlicher Hebel, um die 17 Nachhaltigkeitsziele doch noch erreichen zu können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Lassen Sie mich das an einem Beispiel aus der Landwirtschaft und der Frage der Ernährungssicherheit deutlich machen; denn das ist ein Bereich, in dem die Ungleichheit riesig und der Investitionsbedarf für nachhaltige Entwicklung enorm ist und in dem wir konkret als deutsche Entwicklungspolitik fördern und unterstützen. Die Ungleichheit in diesem Bereich ist riesig. Im letzten Jahr hungerten mehr als 730 Millionen Menschen auf diesem Planeten. Das ist fast jeder zehnte Mensch. Frauen und Mädchen machen davon den größten Anteil aus. 60 Prozent der Menschen, die an Hunger leiden, sind Frauen und Mädchen. Grund dafür ist oftmals die strukturelle Benachteiligung von Frauen. Weniger als 20 Prozent der Landbesitzer weltweit sind Frauen, aber 60 Prozent derer, die im ländlichen Raum in Ländern des Globalen Südens arbeiten, sind Frauen. Diese strukturelle Benachteiligung trägt zu einer Verfestigung von Hungersituationen und zu schlechten Produktionsmöglichkeiten bei.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht in diesem Bereich aber auch um Investitionen; denn fast ein Drittel der Lebensmittel gehen auf dem Weg zwischen Acker und Teller verloren. Probleme liegen in der Frage der Lagerung, im Transport, aber auch in der Art und Weise, wie diese Nahrungsmittel produziert werden. All das ist beileibe nicht nachhaltig.

Es geht natürlich darum: Was können wir konkret tun, auch im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit, um Nachhaltigkeit, wie wir sie auch in der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie festgelegt haben, zu fördern und zu befördern? Es geht darum, die drei Komponenten „wirtschaftliche, ökologische und soziale Nachhaltigkeit“ nach vorne zu bringen.

Ich nenne ein Beispiel dafür, wie wichtig Investitionen im ländlichen Bereich sind. Ich war im letzten Jahr in Sambia und habe gesehen, unter welch schwierigen Bedingungen dort Menschen in ihren Dörfern Produkte anbauen. Wenn wir investieren – und das tun wir mit der Entwicklungszusammenarbeit –, um die Mechanisierung der Landwirtschaft in diesen Regionen voranzubringen, dient das den Menschen, weil sie dann bessere Arbeitsbedingungen haben und es bessere Nahrungsmittel gibt. Es hilft aber auch bei der Nachhaltigkeit und der Menge der produzierten Nahrungsmittel.

Wir tun es auch, wenn wir uns Folgendes genau anschauen: Unter welchen Bedingungen arbeiten Menschen, produzieren Menschen und verkaufen Menschen ihre Produkte? Es geht also in der Entwicklungszusammenarbeit, auch in der Landwirtschaft, um die Frage existenzsichernder Einkommen für Kleinbäuerinnen und Kleinbauern. Auch das ist ein wesentlicher Bestandteil, wie wir zu mehr Nachhaltigkeit in der Produktion beitragen können. Ich nenne auch hier ein Beispiel. An der Côte d’Ivoire unterstützen wir kleinbäuerliche Kakaoproduzenten und -produzentinnen darin, ihre Anbaupraktiken zu professionalisieren und so zu besseren Einkommen und besseren Strukturen vor Ort zu kommen.

Und es geht darum, Frauen – ich habe es schon angesprochen – in den Mittelpunkt unserer Bemühungen zu stellen. Ernährungssicherheit in vielen Familien und Gemeinden kann nur verbessert werden, wenn Frauen den gleichen Zugang zu Ressourcen im ländlichen Raum haben wie Männer.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Eine Studie der FAO belegt eindeutig, dass die Erträge gesteigert werden könnten um bis zu 30 Prozent – um bis zu 30 Prozent! –, wenn Ressourcen im ländlichen Raum im gleichen Maße in die Hände von Frauen gelegt würden wie in die von Männern.

All diese Themen unterstützen wir im Rahmen unserer bilateralen Zusammenarbeit. Wir tun es aber auch auf multilateraler Ebene, auf internationaler Ebene. Diese Themen sind ganz oben auf unserer Agenda, zum Beispiel im Bündnis für globale Ernährungssicherheit, das Bundesministerin Schulze während der deutschen G-7-Präsidentschaft gemeinsam mit der Weltbank initiiert hat.

Es geht um die Bündelung von Expertisen und Ressourcen aller in diesem Bereich, um einen Beitrag leisten zu können, Landwirtschaft weltweit nachhaltig aufzustellen und neue Krisen zu verhindern. Wir werden das auch im Rahmen der geplanten Hamburg Sustainability Conference im nächsten Juni tun, die eine Vorbereitung für weitere Treffen in New York sein soll, indem wir die Akteurinnen und Akteure zusammenbringen wollen, um sich für nachhaltige Entwicklung in ihrer Breite einzusetzen und mit neuen Ideen voranzugehen.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die deutsche Entwicklungspolitik setzt sich also auf verschiedenen Ebenen – konkret vor Ort bis zu den Vereinten Nationen in New York – für nachhaltige Entwicklung und strukturelle Veränderungen in diesem Bereich ein.

Ich danke Ihnen ganz herzlich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

Für die AfD-Fraktion spricht Dr. Rainer Kraft.

(Beifall bei der AfD)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7601734
Wahlperiode 20
Sitzung 128
Tagesordnungspunkt Prinzipien der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie
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