Jan-Marco LuczakCDU/CSU - Soziales Mietrecht
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte ganz gerne in die Debatte mit etwas einsteigen, was ich heute Morgen in der Zeitung gelesen habe. Die HOWOGE – das ist eine städtische Wohnungsbaugesellschaft hier in Berlin, in meiner Heimatstadt – hat vor Kurzem zwei Projekte zur Vermietung angeboten. Insgesamt ging es um 288 Wohnungen, die sie in ihr Vermietungsportal eingestellt haben. Das Vermietungsportal war für beide Projekte jeweils 30 Minuten offen, dann musste es wieder geschlossen werden, weil sich innerhalb dieser jeweils 30 Minuten 43 000 Bewerber auf diese 288 Wohnungen beworben hatten. 43 000 Bewerber! Es gibt aber nur diese 288 Wohnungen. Das heißt, am Ende gehen 42 712 Menschen nach Hause und haben keine Wohnung.
Ich habe mich mit Blick auf die heutige Debatte gefragt: Wenn wir jetzt all das machen würden, was in diesem Antrag der Linken niedergeschrieben steht, hätten wir dann diesen 42 712 Menschen irgendwie geholfen? Ich komme da zu einem sehr klaren Ergebnis: Nein, hätten wir nicht.
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Das ist aber auch wirklich sehr kurzsichtig! – Zuruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])
Denn die hätten am Ende immer noch keine Wohnung. Das zeigt, glaube ich, sehr gut, wo wir in Deutschland stehen. Wir haben nämlich kein Problem damit, dass wir zu wenig Regulierung in diesem Land haben, sondern wir haben das Problem, dass wir zu wenig Wohnungen haben.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)
Wenn wir das machen, was Sie hier vorschlagen – das ist ein wahres Sammelsurium des Schreckens; Sie haben wahrscheinlich alle sozialistischen Planspiele, die Sie mal gemacht haben, in einen Antrag zusammengegossen –,
(Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Mietobergrenze!)
dann erreichen wir am Ende genau das Gegenteil. Das, was Sie hier vorschlagen, ist ein wohnungspolitischer Offenbarungseid, nichts anderes. Denn was passiert, wenn Sie diese Vorschläge tatsächlich umsetzen würden?
Ich glaube, Sie haben gar keine Vorstellung davon, wie die Debatten, die wir hier im Deutschen Bundestag führen, und die Vorschläge, die Sie gemacht haben und die – das muss man auch sagen – auch von Teilen der Ampel kommen – ich denke etwa an das SPD-Papier von vor einigen Wochen, in dem ein bundesweiter Mietenstopp gefordert wurde –,
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja! Ist doch vernünftig!)
zum Beispiel auf internationalen Investorenkonferenzen wahrgenommen werden. Das wird sehr genau registriert,
(Caren Lay [DIE LINKE]: Genau deswegen ja auch!)
und dann kommen Fragen auf: Stehen wir vor einer weiteren Enteignungsdebatte? Stehen wir vor der Einführung eines Mietendeckels?
Die Investoren fragen sich: Investiere ich noch in Deutschland?
(Nina Warken [CDU/CSU]: Ganz genau!)
Das müssen sie keineswegs, gerade in Zeiten steigender Zinsen und in Zeiten, wo andere Asset-Klassen jenseits des Betongoldes mittlerweile wieder sehr attraktiv geworden sind. Da sagen sehr viele Investoren: „Nein, dann investiere ich nicht“, mit der Folge, dass auch keine Wohnungen gebaut werden, mit der Folge, dass diese 42 712 Menschen am Ende immer noch ohne Wohnung dastehen. Meine Damen und Herren, liebe Linke, damit sind Sie mit Ihren Vorschlägen am Ende dafür verantwortlich, dass der Wohnungsbau in Deutschland so eingebrochen ist
(Widerspruch bei der LINKEN)
und wir nicht vorankommen.
(Canan Bayram [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Weil die 16 Jahre im Bund regiert haben, oder was?)
So ist es und nicht anders.
(Beifall bei der CDU/CSU – Nicole Gohlke [DIE LINKE]: Ich wusste gar nicht, dass Die Linke so eine starke Kraft ist!)
Es wundert einen schon, dass Sie hier das Hohelied des Mietenstopps, das Hohelied des Mietendeckels singen – die SPD macht das in gleicher Weise –; denn wir haben ja Erfahrungen mit dem Mietendeckel. Hier in Berlin hat Rot-Rot-Grün einen Mietendeckel ins Werk gesetzt. Der ist nicht nur krachend vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert,
(Zurufe von der LINKEN)
weil Sie alle verfassungsrechtlichen Bedenken, die es gegeben hat, in den Wind geschlagen und ignoriert haben; darüber kann man ja noch streiten. Sondern was war die Folge auf dem Wohnungsmarkt in Berlin? Das Angebot an verfügbaren Mietwohnungen ist dramatisch eingebrochen; um mehr als die Hälfte ist das Angebot zurückgegangen.
Das hat der Wohnungsmarkt in Berlin bis heute nicht weggesteckt. Ganz viele der vermietenden Eigentümer haben sich zu der Zeit des Mietendeckels gesagt: Dann vermiete ich meine Wohnung gar nicht mehr; ich wandele sie um, verkaufe sie oder mache irgendwas anderes damit, lasse sie vielleicht auch leer stehen. – Diese Wohnungen sind immer noch nicht auf den Wohnungsmarkt zurückgekommen.
(Zuruf des Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE])
Trotz dieser Erfahrungen, dieser verheerenden Folgen, auch in Form von massiven sozialen Verwerfungen, sagen Sie: Jetzt brauchen wir einen Mietendeckel, und zwar nicht nur in Berlin, sondern bundesweit. – Da kann ich mir doch nur an den Kopf fassen! Sie haben ganz offensichtlich nichts aus der Geschichte des Mietendeckels hier in Berlin gelernt, liebe Linke.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Caren Lay [DIE LINKE]: Sie haben ihn doch zu Fall gebracht! Das ist die Wahrheit!)
Ähnliches gilt für die Mietpreisbremse. Sie fordern sozusagen im Wochenrhythmus, dass die Mietpreisbremse verschärft werden muss,
(Dr. Gesine Lötzsch [DIE LINKE]: Ja! So lange, bis es passiert ist!)
dass sie unbefristet gelten muss, dass sie flächendeckend ausgeweitet werden muss.
Es ist eigentlich eine rechtspolitische Debatte. Aber ich möchte nicht weglassen, was das Bundesverfassungsgericht dazu sagen würde. Sie kennen vielleicht die Entscheidung aus dem August 2020, in der das Bundesverfassungsgericht sehr klar ausgeführt hat, dass die Befristung der Mietpreisbremse und auch die Ausnahmen von der Mietpreisbremse, die Sie laut Ihrem Antrag abschaffen wollen, gerade die Vehikel sind, um die Mietpreisbremse verfassungsrechtlich überhaupt halten zu können. Wenn Sie das alles abschaffen würden, würde die Mietpreisentwicklung völlig vom Markt entkoppelt. Sie würden in die Substanz des Eigentums eingreifen, und damit wäre das Ganze am Ende verfassungswidrig. Das ist die Rechtsdebatte.
Aber blicken wir mal auf die Menschen. Ich glaube, den Menschen ist die verfassungsrechtliche Dimension möglicherweise nicht so wichtig. Den Menschen ist aber ganz wichtig: Führt das dazu, dass ich am Ende eine bezahlbare Wohnung habe?
(Zuruf der Abg. Nicole Gohlke [DIE LINKE])
Wenn Sie jetzt hingehen und die Ausnahmen von der Mietpreisbremse zum Beispiel beim Neubau abschaffen, dann führt das zu Folgendem: Die Durchschnittsmiete in Berlin beträgt 7,17 Euro. Das ist die Durchschnittsmiete; ortsübliche Vergleichsmieten sind ein bisschen anders. Beim Neubau entstehen Kosten – Sie haben es gerade selber erwähnt, Stichwort „Vonovia“ – in Höhe von 18 bis 20 Euro. Vermieten dürfen Sie aber nur zu 7,17 Euro. Dann haben Sie ein Delta von 12, 13 Euro. Daher frage ich Sie: Wer in aller Welt soll denn in unserem Land neue, bezahlbare Wohnungen bauen, wenn Sie eine solche Regelung schaffen, nach der die Unternehmen mit Ansage pleitegehen werden? Das macht kein Mensch. Deswegen ist dieser Vorschlag absolut absurd.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Carina Konrad [FDP])
Das Gleiche gilt im Übrigen für die Abschaffung der Ausnahmen von der Mietpreisbremse für umfassend modernisierte Wohnungen. Wir haben in den letzten Wochen wirklich um die Frage gestritten, wie wir das Heizungsgesetz gestalten können. Dazu hat die Ampel einen Vorschlag gemacht; der ist daneben. Aber wir waren uns am Ende über eine Sache einig: Wir müssen unsere ehrgeizigen Klimaschutzziele erreichen. Wir wollen CO2 einsparen. Wenn Sie jetzt aber hingehen und das Mietrecht so umgestalten, dass diejenigen, die in die energetische Sanierung ihrer Bestandswohnung investieren, am Ende keinerlei Möglichkeit mehr haben, irgendetwas umzulegen oder die Mieten anzupassen und damit ihre Investition zu refinanzieren, ja, was wird dann passieren? Keiner wird mehr investieren. Der Klimaschutz bleibt auf der Strecke. Das ist nicht nur ein wohnungspolitischer Offenbarungseid, sondern es ist auch ein Offenbarungseid, was den Klimaschutz anbelangt. Es ist völlig absurd, was Sie hier vorschlagen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Das, was wir jetzt benötigen, ist nicht noch mehr Regulierung. Noch mal: Wir als Union sind selbstverständlich immer dafür, dass wir starke soziale Leitplanken im Mietrecht haben. Aber wenn wir nachhaltig etwas gegen steigende Mieten tun wollen, wenn wir nachhaltig diesen 42 000 Menschen helfen wollen, die auf der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung sind, dann müssen wir dafür sorgen, dass in unserem Land mehr, schneller und kostengünstiger gebaut werden kann. Wir müssen die Fesseln beim Wohnungsbau lösen. Wir müssen Bürokratie abschaffen. Wir brauchen weniger Regulierung. Wir brauchen Verlässlichkeit bei der Planbarkeit, bei der Investitionssicherheit. Wir müssen die Baukosten senken. Und das – weil es gerade angesprochen wurde –, was der Baugipfel dazu gemacht hat, ist ein Witz. 45 Milliarden Euro Kosten, 30 000 Wohnungen, die davon induziert werden, das reicht in keiner Weise aus.
Kommen Sie zum Schluss, bitte, Herr Kollege.
Deswegen können wir Ihren Antrag hier nur ablehnen, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Vielen Dank, Herr Kollege Luczak. – Nächste Rednerin ist die Kollegin Canan Bayram, Bündnis 90/Die Grünen.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7601808 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Soziales Mietrecht |