12.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 128 / Tagesordnungspunkt 9

Thorsten LiebFDP - Soziales Mietrecht

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Sehr geehrter Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „ Vermieterinnen und Vermieter enteignen – Wohnraum nachhaltig entwerten“, das wäre der richtige Titel dieses Antrages, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])

Denn Sie machen mit diesem Antrag schlicht nichts anderes, als die Vertragsfreiheit im Mietrecht im Grunde genommen nachhaltig abzuschaffen. Meine Fraktion wird das nicht mitmachen – definitiv nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sagt das mal eurem Koalitionspartner SPD!)

Im vergangenen Jahr habe ich bei einem anderen Antrag, der sehr ähnlich war, die Formulierung „aus dem sozialistischen Gruselkabinett“ gebraucht. Dieser Antrag geht noch ein Stück weiter: Das ist eine echte Geisterfahrt für noch mehr Wohnungsmangel in diesem Land, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber im Ernst: Dass wir diese Herausforderungen und Sorgen haben, dass wir mehr Wohnraum zu angemessenen Preisen brauchen, die sich Menschen aus der Mitte der Gesellschaft leisten können, das ist klar; da sind wir uns ja auch alle einig. Sie greifen – das ist durchaus richtig – in dem Antrag den Wohngeld- und Mietenbericht 2021/2022 auf. Wenn man aber den Antrag liest, hat man zwei Eindrücke: Die Zahlen in dem Bericht haben Sie nicht richtig gelesen und verstanden, und den zentralen Teil zu den wichtigen Herausforderungen der Wohnungspolitik haben Sie auch vollständig ignoriert.

Sie suggerieren zum Beispiel in dem Antrag, der Anstieg von Mieten sei im Vergleich zu sonstigen Preissteigerungen über die Maßen erfolgt. Das Gegenteil ist aber der Fall. Wenn wir uns etwa ganz aktuell den in dieser Woche veröffentlichten Verbraucherpreisindex anschauen, sehen wir: Der Preisanstieg gegenüber dem Vorjahr bei den Nettokaltmieten liegt bei 2,2 Prozent – sicherlich kein Inflationstreiber – und gegenüber 2020 bei insgesamt 5,9 Prozent.

Weil Sie vorhin zu den Berliner Zahlen etwas gesagt haben: Ich habe die echten Zahlen. Es gab eine Mietpreissteigerung von 5,4 Prozent in zwei Jahren; heißt: von 2,7 Prozent pro Jahr. Hier wird ein Schreckgespenst an die Wand gemalt, liebe Kolleginnen und Kollegen, das mit der Realität nichts zu tun hat.

(Zuruf der Abg. Caren Lay [DIE LINKE])

Die Kostentreiber liegen nämlich völlig woanders: Haushaltsenergie plus 55 Prozent, Instandhaltung und Reparatur plus 13 Prozent. Die Änderung des Mietrechts hilft bei den Kostentreibern gar nichts; das ist der falsche Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])

Der ganze Antrag unterliegt einem ganz fundamentalen Irrtum, nämlich der Idee, Wohnraummangel über das Mietrecht zu lösen. Die Idee gibt es seit über 200 Jahren. Das erste Mal wurde es mit dem Preußischen Allgemeinen Landrecht versucht. Der nüchterne Blick auf die heutige Realität ist: Keine einzige Mietrechtsänderung hat den Wohnraummangel beseitigt. Deswegen brauchen wir andere Instrumente, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP)

Ich habe eine Idee – wir haben sie heute schon mal gehört –: Bauen. Das wäre eine Idee. Oder – das finden wir auch, wenn wir in den Mietenbericht schauen –: Begrenzung von Baukosten, nachhaltige Bodenpolitik, Beschleunigung von Planung und Genehmigung, investive Impulse, Konzepte für klimagerechten, ressourcenschonenden Wohnungsbau.

(Abg. Pascal Meiser [DIE LINKE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Nein. – Und – das haben wir in der Koalition verabredet – wir wollen das Mietrecht genau dahin gehend evaluieren, welchen Einfluss es auf den Wohnungsmangel hat. Denn das ist die richtige Antwort auf die Frage, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der FDP – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Eine Absenkung der Baukosten ist dringend erforderlich. Dafür ist zum Beispiel eine umfassende Betrachtung von Baustandards notwendig und erforderlich. Der zu wenig verfügbare Boden ist entsprechend teuer und erlaubt schon deshalb kaum den Bau von neuem Wohnraum; auch das ist bekannt, liebe Kolleginnen und Kollegen. Das Potenzial im ländlichen Raum ist schlecht erreichbar. Wir brauchen zum Beispiel einen Ausbau des ÖPNV. Das sind Lösungsansätze für diesen Bereich.

Wir brauchen mehr Digitalisierung. Die Flut an Vorschriften muss endlich beseitigt werden. Wir brauchen mehr Standardisierung und Digitalisierung im Bereich der Bauverfahren, um endlich diese Verfahren zu beschleunigen. Die Länder brauchen mehr Freiheiten bei der Grunderwerbsteuer. Es muss die Möglichkeit bestehen – wir fordern das seit Langem –, dass wenigstens beim Ersterwerb keine Grunderwerbsteuer anfällt.

Das sind Konzepte, die uns nach vorne bringen, liebe Kolleginnen und Kollegen, und nicht das Herumarbeiten am Mietrecht.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU])

Wir brauchen Investitionsanreize für zusätzlichen Wohnraum, und im Bereich des sozialen Wohnungsrechts – natürlich ist das ein wichtiger Punkt – brauchen wir, statt uns die komplizierten Regelungen zum sozialen Wohnungsbau anzuschauen, endlich einen noch stärkeren Blick auf die Subjektförderung und weniger auf die Objektförderung.

(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Und wieso habt ihr dann die neue Wohngemeinnützigkeit vereinbart?)

Das führt zu Entbürokratisierung, und das führt auch dazu, dass das am Ende alles besser funktioniert.

Langer Rede kurzer Sinn: Was stellen wir im Ergebnis fest? Wir brauchen einen umfassenden Ansatz zur Lösung der Herausforderungen beim Wohnungsmangel auf dem deutschen Markt statt Geisterbahnlösungen und Geisterfahrerei im Mietrecht. Daher lehnen wir den Antrag ab.

Ganz herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP – Pascal Meiser [DIE LINKE]: Das war ja eine Offenbarung! – Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Die FDP lebt ja doch noch!)

Vielen Dank, Herr Kollege Dr. Lieb. – Nächster Redner ist der Kollege Carsten Müller, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU – Nina Warken [CDU/CSU]: Jawoll!)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7601812
Wahlperiode 20
Sitzung 128
Tagesordnungspunkt Soziales Mietrecht
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