Zanda MartensSPD - Soziales Mietrecht
Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen der demokratischen Parteien!
(Fabian Jacobi [AfD]: Jawohl! Grüße zurück!)
Liebe Mieterinnen und Mieter! Wie schön, dass wir als Bundestag wieder über die Rechte und den Schutz von Mieterinnen und Mietern diskutieren. Ich freue mich als Sozialdemokratin, für politische Mehrheiten zu werben, für ein noch besseres, für ein sozialeres Mietrecht. Ich finde, das steht uns gut an im Mieterland Deutschland. Gerade jetzt in der Not auf dem Wohnungsmarkt, wo leider viel zu wenige bezahlbare Wohnungen angeboten werden, wo die Menschen aber auf bezahlbare Wohnungen angewiesen sind, gerade jetzt können wir die Mieter nicht im Stich lassen und Schlupflöcher für Vermieter dulden.
Aber während auch wir als SPD zu Recht neue und bessere Gesetze einfordern, dürfen wir Umsetzungslücken nicht vernachlässigen. Dass die Gesetze, die schon geschaffen sind, auch angewendet werden und der Mieterschutz wie gedacht auf allen Ebenen umgesetzt wird, das ist mindestens genauso wichtig. Es ist nie einfach, gegen Widerstände hier im Bundestag mehr Mieterschutz durchzusetzen. Wenn dann auch noch der Schutz, den wir so hart erkämpft haben, vor Ort in den Ländern, in den Kommunen bei den Mieterinnen und Mietern nicht ankommt, ist das frustrierend, nicht nur für die Betroffenen, sondern, ehrlich gesagt, auch für mich als Politikerin.
Was ich damit meine, möchte ich Ihnen konkret kurz schildern, direkt aus meiner Nachbarschaft in meinem Düsseldorfer Wahlkreis, anhand eines Klassikers im Mietmissbrauch – überhaupt kein Einzelfall und beispielhaft für die vielen Fälle in unserem Rechtsstaat, in denen Mieter zwar recht haben, aber keines bekommen –: Ein Mietshaus wechselt den Eigentümer. Der neue Eigentümer kündigt die Modernisierung des Hauses an. Drei von vier Mietern ziehen direkt aus, da sie eine überhöhte Mietsteigerung fürchten. Der Polizist Burhan, der dort seit elf Jahren und gerne wohnt, weigert sich, auszuziehen, und bleibt als einziger Mieter im Haus – sein gutes Recht. Eines Tages steht ein Baugerüst vor seinen Fenstern, Bauarbeiten beginnen ohne Ankündigung. Wegen eines angeblichen Wasserschadens stellt der Vermieter mitten im Winter die zentrale Heizungsanlage ab. Die Stemmarbeiten im Haus sind so brachial, dass Burhan plötzlich die Decke seiner Mietwohnung im wahrsten Sinne des Wortes auf den Kopf fällt: Zunächst bricht die Decke im Schlafzimmer ein, die Zimmerdecke im Wohnbereich folgt zwei Tage später.
Die physikalischen Gesetze der Schwerkraft konnte auch der Eigentümer nicht ignorieren – im Gegensatz zu unseren Bauvorschriften. Denn die Nachfrage beim Düsseldorfer Bauaufsichtsamt offenbart: Die Bauarbeiten erfolgten ohne Baugenehmigung, waren illegal. Das Bauaufsichtsamt erklärt die Wohnung sofort für nicht mehr bewohnbar. Burhan muss schnell, mit nur ein paar Habseligkeiten, raus und alles andere von jetzt auf gleich, bis zum heutigen Tag, zurücklassen; das war im November 2021.
Seitdem versucht er, als Mieter vor Gericht zu seinem Recht zu kommen, und muss sich nun auch gegen mehrere fristlose Kündigungen seines Mietverhältnisses wehren. Hätte die Kündigung Erfolg, hätte der Eigentümer genau das erreicht, was er vermutlich von Anfang an wollte: eine leere Wohnung, die er neu und teuer vermieten kann; wie ein Inserat für eine andere Wohnung im gleichen Haus zeigt: für das Dreifache der früheren Miete, 30 Euro pro Quadratmeter. Dies alles dulden wir in unserem Rechtsstaat,
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Nein, das dulden wir nicht!)
ohne dass der Eigentümer die Wohnung schnellstens wieder in einen bewohnbaren Zustand hätte versetzen müssen oder für sein rechtswidriges Verhalten sanktioniert worden wäre. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das hat ein brutales System: rausekeln, neu vermieten, das Dreifache kassieren.
Dass die Mieter sich allein kaum dagegen wehren können, das hat der Gesetzgeber schon vor einigen Jahren erkannt. Der Bundestag hat hier, an dieser Stelle, mit dem Mietrechtsanpassungsgesetz 2018 die Mieterrechte in den Fällen gestärkt, dass ein Vermieter Modernisierungen lediglich mit der Absicht durchführt, Altmieter zur Kündigung oder Aufhebung des Mietverhältnisses zu bewegen.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Genau! Das hat damals die CDU/CSU durchgesetzt! War unser Vorschlag!)
Zum Schutz der Mieter und zur Eindämmung der weiteren Gentrifizierung von Stadtteilen wurde eine neue Ordnungswidrigkeit in das Wirtschaftsstrafgesetz eingeführt: wegen Durchführung einer baulichen Veränderung in missbräuchlicher Weise, also wegen bewussten Herausmodernisierens. Dafür gibt es eine Geldbuße von bis zu 100 000 Euro.
(Dr. Jan-Marco Luczak [CDU/CSU]: Und wer hat das durchgesetzt?)
Nur, in welcher Stadt wird diese Geldbuße verhängt? In welchem Land wird im Sinne der Mieter agiert und die Ordnungswidrigkeit mit der Schärfe unseres Bundesgesetzes verfolgt? Mit dem Wirtschaftsstrafgesetz verfügen die Bundesländer über ein rechtliches Instrument, das sie zugunsten der Mieter aktiv nutzen müssten. Nur, es geschieht in der Praxis oft nichts oder zu wenig, sehr zum Leidwesen vieler Mieter/-innen.
Wer im Einzelfall recht hat, darüber entscheiden im Rechtsstaat letztendlich Gerichte, und das ist gut so. Was nicht gut ist: Dass wir ein Gesetz haben, mit dem wir als Bundestag zwar die Mieterrechte gestärkt haben, das aber in kaum einem Bundesland angewendet wird, vermutlich bis auf Hessen und Niedersachsen.
Bis heute ist es mir nicht gelungen, zu erfahren, wer denn nun eigentlich in meinem Bundesland, NRW, und in meiner Stadt, Düsseldorf, für den Schutz der Mieter sorgt, welche Behörde für die Verfolgung und Ahndung dieser Ordnungswidrigkeiten zuständig ist. „ An wen müssen sich die Mieter in NRW wenden, um Schutz gegen die Herausmodernisierung zu erfahren?“, das habe ich vor gut einer Woche schriftlich die Landesbauministerin gefragt. Das Land darf sich doch hier nicht aus der Verantwortung stehlen und den Schutz der Mieter, den wir hier im Bundestag geschaffen haben, konterkarieren. Die Antwort lässt noch auf sich warten, und ich bin sehr gespannt.
Bis dahin könnte vielleicht auch der Mieterverein prüfen, ob eine Quadratmetermiete von 30 Euro selbst in einem gefragten Stadtteil und nach einer Renovierung rechtens ist und nicht bereits gegen die Mietpreisbremse verstößt. Auch dies ist eine gute gesetzliche Regelung, die zu oft einfach missachtet wird – ohne Konsequenzen? Oder müssen wir unsere Taktik als Abgeordnete in aller Zynik ändern: keine neuen Gesetze, solange die alten nicht umgesetzt werden?
Vielen Dank.
(Beifall bei der SPD)
Vielen Dank, Frau Kollegin. – Es gibt noch jemanden von der Union, der redet; vielleicht kann das eingebaut werden.
Nächster Redner ist der Kollege Fabian Jacobi, AfD-Fraktion.
(Beifall bei der AfD)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7601816 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Soziales Mietrecht |