Konstantin KuhleFDP - Änderung d. BND-Gesetzes u. Nachrichtendienst-Rechts
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am vergangenen Samstag hat die Terrororganisation Hamas in beispielloser Art und Weise das Territorium des Staates Israel angegriffen, und dabei sind über 1 000 Menschen umgebracht worden. Die Debatten, die wir in diesem Haus in dieser Woche führen, stehen ganz eindeutig unter dem Eindruck dieser schrecklichen Tat.
Und genau wie der Terror gegen Israel, so zeigt der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine, zeigt das chinesische Machtstreben nach immer mehr Einfluss weltweit, zeigt, dass sich in unserer Gesellschaft Extremisten und Demokratiefeinde immer mehr breitmachen, dass demokratische Ordnungen, dass liberale Demokratien ein eigenes Interesse daran haben, zu wissen, was die Feinde der Demokratie planen. Und deswegen ist es wichtig, dass wir gut ausgestattete Nachrichtendienste in Deutschland haben, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Nun ist es so, dass man, wenn man die eine oder andere öffentliche Debatte über die Nachrichtendienste in den letzten Wochen und Monaten verfolgt hat, mitunter den Eindruck gewinnen muss, dass manche versuchen, die Bindung der Nachrichtendienste an Recht und Gesetz als typisch deutsche Schwäche darzustellen.
(Dr. Irene Mihalic [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)
Ich denke da an Artikel, die von ehemaligen Präsidenten der Nachrichtendienste veröffentlicht worden sind.
Doch genau das Gegenteil ist richtig. Die Bindung an Recht und Gesetz, die Bindung an das Grundgesetz: Das ist keine Schwäche der deutschen Nachrichtendienste, sondern das ist eine Stärke der deutschen Nachrichtendienste, übrigens genauso wie eine effiziente parlamentarische Kontrolle. Und auch darum sollten wir uns kümmern, meine Damen und Herren.
(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Mit den heute vorliegenden Gesetzentwürfen soll genau diese Bindung an Recht und Gesetz verbessert werden. Die vorliegenden Entwürfe sollen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in das Nachrichtendienstrecht umsetzen. Dabei geht es besonders um eine Entscheidung aus Karlsruhe aus dem September 2022 mit Blick auf die Übermittlungsvorschriften, also die Regeln, nach denen ein Nachrichtendienst Informationen an andere Behörden weitergeben kann. Die Vorgabe aus Karlsruhe ist, dass diese Anpassung bis Ende dieses Jahres passieren soll. Und eines ist ganz klar: Es ist gerade in diesen Zeiten keine Option, diese Frist zu reißen. Wir müssen das hinkriegen. Übermittlungen der Nachrichtendienste an andere Behörden müssen weiter möglich sein.
(Beifall bei der FDP)
Es ist aber auch keine Option, durch ein allzu hektisches Gesetzgebungsverfahren auf den letzten Metern dieselben Fehler zu wiederholen, die für diesen Beschluss aus Karlsruhe ursächlich sind.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Ja!)
Deswegen kommt auf das Parlament jetzt eine Menge Arbeit zu. Wir hätten uns das alles etwas entspannter und mit einem intensiveren Blick auf die Sache gestalten können, wenn die Vorlage der Bundesregierung früher gekommen wäre. Ein selbstbewusster Gesetzgeber muss sich mit den Befugnissen der Nachrichtendienste in Ruhe beschäftigen. So wie das Verfahren hier von der Bundesregierung betrieben worden ist, ist das nicht in Ordnung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Ich habe aktuell große Zweifel, ob die vorgelegten Entwürfe dem Ziel gerecht werden, das Nachrichtendienstrecht an die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts anzupassen. Warum ist das so?
Erstens. Wir haben eine unterschiedliche Systematik in der Vorlage für das BND-Gesetz und das Gesetz über die Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Ich hätte mir hier gewünscht, dass das Bundeskanzleramt und das Bundesinnenministerium besser zusammenarbeiten. Ich glaube, es ist auch für die Bürgerinnen und Bürger und für die Behörden besser, wenn die Systematik beider Gesetze enger aufeinander abgestimmt ist.
(Beifall des Abg. Roderich Kiesewetter [CDU/CSU])
Zweitens. Wir müssen uns einmal ansehen, warum das Bundesverfassungsgericht eigentlich entschieden hat, dass die alten Regeln verfassungswidrig sind. Das liegt im Bereich der Gefahrenabwehr etwa daran, dass die erforderliche Gefahrenschwelle nicht eingehalten wird. Was nicht geht, ist, dass man jetzt Gefahrenschwellen einbaut ins Gesetz und diese dann an anderer Seite durch pauschale Öffnungsklauseln wieder aushebelt.
Drittens. Die Nachrichtendienste dürfen Dinge, die andere Behörden nicht dürfen. Deswegen gibt es in Deutschland das Trennungsprinzip, das Trennungsgebot zwischen Nachrichtendiensten und Polizei. Jede Übermittlung an die Polizei ist notwendigerweise eine Durchbrechung des Trennungsprinzips. Das ist völlig klar; deswegen machen wir diese Regeln. Aber eine völlige Aushebelung dieses Trennungsprinzips brauchen wir auch nicht. Diese Kriterien werden wir uns jetzt im parlamentarischen Verfahren sehr genau anschauen, sodass das am Ende ein gutes Gesetz wird, das in die richtige Richtung geht.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir stehen am Anfang einer intensiven Debatte hier im Bundestag über das Nachrichtendienstrecht. Es wird aber nicht die letzte sein; denn diese beiden Gesetze setzen ja nur einen Teil der Rechtsprechung aus Karlsruhe um. Wir haben noch das Urteil zum bayerischen Verfassungsschutzrecht; der Kollege von Notz hat es erwähnt.
Ich hätte mir auch gewünscht, dass wir das große Reformpaket zum Nachrichtendienstrecht, das im Koalitionsvertrag ausgehandelt worden ist, jetzt gleich mit auf dem Tisch haben. Es ist ein Versäumnis, dass wir das nicht vorliegen haben. Jetzt müssen wir uns erst mal mit den dringlichen Angelegenheiten, mit den Übermittlungsbefugnissen, beschäftigen.
Herr Kollege.
Das werden wir tun und dann am Ende ein gutes Gesetz beschließen, das den Diensten und der Sicherheit nützt und mit der Verfassung vereinbar ist.
Herr Kollege.
Vielen Dank.
(Beifall bei der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)
Für Die Linke spricht Dr. André Hahn.
(Beifall bei der LINKEN)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7601840 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 128 |
Tagesordnungspunkt | Änderung d. BND-Gesetzes u. Nachrichtendienst-Rechts |