Michael Theurer - Europäische Verordnung für Künstliche Intelligenz
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Digitalisierung ist die Erweiterung der realen Welt um eine digitale Dimension, die im Zusammenwirken neue, zusätzliche Handlungsoptionen eröffnet. Die Debatte hat jetzt schon gezeigt, dass diese Entwicklung – als Quantensprung, als Revolution, als Multitalent wird ja die künstliche Intelligenz bezeichnet – mit Chancen und Risiken einhergeht.
Meine Damen und Herren, die Chancen und die Risiken sind heute schwer absehbar und kalkulierbar. Manche sagen, dass keiner weiß, was KI können wird und wie man sicherstellt, dass man vertrauen kann. Man muss nicht so weit gehen wie der Cambridge-Physiker Stephen Hawking, der 2014 davor warnte, dass künstliche Intelligenz das Ende der Menschheit bedeuten könnte, oder der Historiker Yuval Harari, der davon sprach, dass KI das zerstören könnte, was den Menschen ausmacht.
(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Selbst die FDP ist nur negativ!)
Es reicht schon, meine Damen und Herren, einfach mal online zu gehen und eines der beliebten Sprachmodelle zu fragen, etwa ChatGPT oder Bard; man erfährt dann: Die Steuerung von Verkehr und selbstfahrende Fahrzeuge können das Verkehrswesen revolutionieren. Das Gesundheitswesen wird durch datengestützte Verbesserungen in Diagnose und Behandlung transformiert. Und die Wirtschaft kann durch die Automatisierung von Arbeitsplätzen und effizientere Produktionsmethoden in Schwung gebracht werden. – Das sind alles positive Dinge, die ja zum Teil auch heute schon angewendet werden.
Aber auch KI warnt davor, dass Arbeitsplatzverluste, Datenschutzprobleme und Diskriminierungsanfälligkeit drohen und sich völlig neue ethische und auch sicherheitspolitische Fragen stellen. Im Mutterland der Digitalisierung, in den Vereinigten Staaten von Amerika, haben in Hollywood kürzlich die Kunstschaffenden und die Kreativen gestreikt, weil sie Angst haben, dass ihr Urheberrecht nicht geschützt werden kann und ihnen in Zukunft die wirtschaftliche Basis ihrer Tätigkeit komplett entzogen wird.
Wenn Kollegin Kemmer bei der Begründung des Antrags der CDU/CSU-Fraktion darauf hinweist, dass es in Deutschland und in Europa erheblichen Nachholbedarf bei der künstlichen Intelligenz gibt, dann hat sie völlig recht. Denn 2021, als wir von der CDU/CSU-geführten Bundesregierung übernommen haben, war es ja so, dass die privaten Investitionen in künstliche Intelligenz in Deutschland bei 2,35 Milliarden US-Dollar lagen, in Großbritannien bei 4,4 Milliarden US-Dollar, also Faktor 2, und in den USA bei 47,4 Milliarden US-Dollar, also Faktor 20. Auch in China wurden 13,4 Milliarden US-Dollar investiert. Da gab es also einen erheblichen Handlungsbedarf.
Aber es gibt auch positive Signale: Die Zahl der Unternehmen in Deutschland, die künstliche Intelligenz anwenden, ist gestiegen – von damals 9 Prozent auf jetzt 15 Prozent. Aber das ist natürlich immer noch eindeutig zu wenig.
(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Wo ist denn die Fortschreibung der KI-Strategie?)
In der Marktwirtschaft kommt es darauf an, dass die Unternehmen investieren; das kann nicht der Staat machen. Das macht in anderen Ländern wie in den USA auch nicht der Staat, sondern die private Wirtschaft.
(Beifall bei der FDP)
Meine Damen und Herren, wir sind froh und stolz, dass sich die Zahl der Start-ups von 245 im Jahr 2022 auf 508 verdoppelt hat, davon 40 Prozent wissenschaftsbasiert.
Heute geht es um die Verordnung der Europäischen Union. Diese Verordnung allein wird den Rückstand nicht aufholen. Im Gegenteil: Sie muss einen Rahmen setzen, dass Innovation auch in Zukunft möglich ist. Sie darf also die Risiken nicht überbewerten; sie muss auch die Chancen berücksichtigen, und genau dafür setzen wir uns ein. Die Punkte, die zum Teil in Ihrem Antrag erwähnt werden, sind für uns handlungsleitend bei den Beratungen, die jetzt im Trilog anstehen,
(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Wer verhandelt denn?)
die die spanische Ratspräsidentschaft entsprechend für den Rat verhandeln muss. Deutschland hat in der Protokollerklärung darauf hingewiesen, was wir zusätzlich haben wollen.
Wir finden den risikobasierten Ansatz richtig, dass „General Purpose AI“-Systeme, also allgemeine Problemlösungsmaschinen, die zur Verfügung stehen, nach der Risikosystematik reguliert werden müssen.
(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Das macht überhaupt keinen Sinn!)
Wir wollen aber – ich komme damit zum Schluss –, dass es für sogenannte Foundation Models, also KI-Basismodelle, nur eine Selbstregulierung gibt. Wir wollen einen Rechtsrahmen schaffen, in dem vertrauenswürdige KI-Systeme entwickelt werden, aber Risiken minimiert und Auswüchse gesetzlich geahndet werden können. Dafür setzen wir uns bei den Trilogverhandlungen ein.
(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und der Abg. Dr. Paula Piechotta [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Nächste Rednerin: für die CDU/CSU-Fraktion Nadine Schön.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7602029 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 129 |
Tagesordnungspunkt | Europäische Verordnung für Künstliche Intelligenz |