13.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 129 / Tagesordnungspunkt 25

Holger BeckerSPD - Europäische Verordnung für Künstliche Intelligenz

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Jarzombek, ich kann Ihnen versichern: Wir sind am Speck schon längst dran.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich hatte Anfang der Woche die Ehre, an der Konferenz des EPTA, des europäischen Netzwerks parlamentarischer Einrichtungen der Technikfolgenabschätzung, teilzunehmen, die in diesem Jahr unter dem Motto „Generative KI – Möglichkeiten, Risiken und politische Herausforderungen“ stattfand. In zahlreichen Debatten wurde dabei immer wieder betont, dass die Entscheidungen, die wir heute treffen, nicht nur die nächsten Jahre, sondern womöglich das ganze nächste Jahrhundert prägen werden. Daher können wir uns auch nicht leisten, KI nicht zu regulieren.

(Ronja Kemmer [CDU/CSU]: Sagen wir auch nicht!)

Und wir haben auch nicht unbegrenzt Zeit, die richtigen Rahmenbedingungen mit der KI-Verordnung europaweit und damit auch international als globales Vorbild zu etablieren. Dabei ist die Devise, sich agil an die dynamischen technologischen Entwicklungen anzupassen und stets Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft gemeinsam zu denken.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Maximilian Funke-Kaiser [FDP])

Momentan steht Deutschland im weltweiten Vergleich im Bereich der KI-Forschung auf Platz drei, und wir tun natürlich alles dafür – und das sieht man durchaus auch im Bundeshaushalt –, dass das so bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Maximilian Funke-Kaiser [FDP])

Aufgrund der Bedeutung dieses Themas möchte ich mich aber einer Forderung von zahlreichen führenden Forscherinnen und Forschern im Bereich der KI anschließen, nämlich ein globales Forschungszentrum für KI in Analogie zum CERN einzurichten. Wir wissen derzeit nämlich noch viel zu wenig über KI, und unsere Forschung und auch die Debatte konzentrieren sich zu sehr auf die Aktivitäten der kommerziellen Big Player in diesem Feld, wodurch viele spannende Ansätze noch überhaupt nicht beleuchtet werden.

Kommen wir aber nun zu den hier vorliegenden Anträgen. Lassen Sie mich mit etwas versöhnlicheren Worten starten. Denn, liebe Unionsfraktion, ich habe mich beim Lesen durchaus gefreut, dass Sie mit uns aus der Koalition in so vielen Punkten übereinstimmen. Sie haben – das ist durchaus richtig – den wichtigen Hinweis gegeben, dass die KI-Regulierung innerhalb der EU einheitlich ausgelegt werden sollte. Ich versichere Ihnen: Dies haben wir im Blick, und wir werden uns auch nach den Trilogverhandlungen, wenn es um die Umsetzung geht, mit voller Kraft für eine europaweit einheitliche Umsetzung einsetzen,

(Tabea Rößner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Genau!)

auch weil wir aus der gemeinsamen DSGVO gelernt haben.

Für mich persönlich ein sehr wichtiger Punkt, den Sie ebenfalls ansprechen, ist die sensible Einordnung der KI-Anwendungen im Bildungsbereich. KI-Programme stellen eine enorm große Chance für unser Bildungssystem dar und können neben der Entlastung von Lehrenden auch eine individuelle und passgenaue Lernunterstützung für Schülerinnen und Schüler bedeuten und damit dem Problem entgegenwirken, dass der sozioökonomische Hintergrund des Elternhauses über den Bildungserfolg von Lernenden entscheidet.

Doch gerade im Kontext minderjähriger Nutzerinnen und Nutzer bleibt der Umgang mit dem Thema Datenschutz zentral. Denn durch die Nutzung von KI-Programmen wie ChatGPT können Datenprofile von Schülerinnen und Schülern erstellt werden – mit dem Risiko, dass auf diese Profile zugegriffen und die personalisierten Daten weiterverwertet werden. Solche Gefahren gilt es durch die KI-Verordnung zu bannen.

Wie Sie also sehen: Sie können sich darauf verlassen, dass unsere Fortschrittskoalition das Thema KI sehr ernst nimmt und dementsprechend auch die Trilogverhandlungen prioritär behandelt.

Ein weiteres gutes Beispiel für Ihre Übereinstimmung mit dem Agieren der Ampelregierung ist Ihre Forderung, für Start-ups und KMUs verbesserte Möglichkeiten zur Teilnahme an KI-Standardisierungsprozessen zu schaffen. Wir könnten hier nicht mehr einer Meinung sein. Denn – dies durfte ich gerade erst vorgestern unter anderem mit meinen Kollegen Maik Außendorf und Markus Reichel auf einem Podium des DIN zu digitaler Qualitätsinfrastruktur diskutieren – eine starke deutsche und europäische Positionierung in internationalen Standardisierungsgremien ist das A und O, um sicherzustellen, dass unsere Wirtschaft gerade mit Blick auf die Weiterentwicklung und Ausgestaltung von Marktbedingungen für KI weiter wächst und vorangehen kann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Auch wenn ich der festen Überzeugung bin, dass KI eine der disruptivsten und innovationsförderndsten Entwicklungen innerhalb unserer Zeit darstellt und wir daher gut und gerne jede Sitzungswoche hierzu eine Debatte in der Kernzeit abhalten könnten,

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Ja, dann beantragt sie doch mal!)

habe ich mich dann doch über die erneute Aufsetzung Ihres Antrags etwas gewundert. Denn, wie bereits erwähnt, Sie fordern Maßnahmen und vertreten Positionen, die sich eben nicht wirklich von denen der Ampelregierung unterscheiden, behaupten aber im selben Atemzug, dass Deutschland eben unter genau dieser Ampelregierung beim Thema KI im Abseits stehe und Gefahr laufe, den Anschluss zu verlieren.

(Thomas Jarzombek [CDU/CSU]: Genau!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union, das passt für mich leider nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Maximilian Funke-Kaiser [FDP])

Ihr Vorwurf, dass das BMJ, das BMWK und das BMDV um eine gemeinsame Position ringen und dadurch die deutsche Verhandlungsposition gefährden, verwundert mich ebenfalls. Denn – das wissen Sie vielleicht noch aus Ihrer eigenen Regierungserfahrung – es ist vollkommen in Ordnung und sogar wünschenswert, dass die verschiedenen Ministerien ihre Expertise in eine Positionsfindung einbringen, um eben alle Aspekte im Blick zu halten. Dass so eine Einigung dann nicht einfach vom Himmel fällt, sondern sorgfältig ausdiskutiert wird, ist gängige Praxis.

(Nadine Schön [CDU/CSU]: Aber nicht, wenn die Verhandlung schon fast vorbei ist!)

Lassen Sie mich Ihnen da versichern, dass Deutschland mit einer starken Position in den laufenden Trilogverhandlungen vertreten ist.

All die in der Debatte genannten Aspekte der KI haben eine Gemeinsamkeit, nämlich die Notwendigkeit der Kompetenz aller Bürgerinnen und Bürger im Hinblick auf Chancen, Risiken und praktische Implikationen von KI. Der Umgang und das Identifizieren von Desinformationen, Fake News und das kritische Hinterfragen von Quellen werden in Zukunft eine essenzielle Methodenkompetenz eines jeden Mitglieds unserer Gesellschaft darstellen. Nur so können wir sicherstellen, dass das dystopische Potenzial an Demokratiezersetzung, das KI durchaus auch bietet, nicht zum Tragen kommt.

Auch dieser Aufgabe werden wir uns als Regierungskoalition mit aller Kraft stellen. Denn eigentlich sehen wir in KI eine transformative Zukunftstechnologie, deren Chancen für unsere Gesellschaft bei der Schaffung entsprechender politischer Rahmenbedingungen die Risiken bei Weitem überwiegen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Für die CDU/CSU-Fraktion hat Dr. Reinhard Brandl jetzt das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7602039
Wahlperiode 20
Sitzung 129
Tagesordnungspunkt Europäische Verordnung für Künstliche Intelligenz
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