Tanja MachaletSPD - Auswirkungen von Zuwanderung auf die Sozialsysteme
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Herr Teutrine, bei den migrantischen Erfolgsgeschichten würde ich als Rheinland-Pfälzerin natürlich jetzt BioNTech anführen. Aber das löst auf der rechten Seite dann leider wieder andere Reflexe aus,
(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
die ich jetzt hier nicht weiter erzeugen möchte.
Während wir hier in diesem Haus diskutieren, wie wir die Zukunft des Landes gestalten wollen, schleichen sich auch immer wieder Scheindebatten wie diese in die Tagesordnung ein, Debatten, in denen es wieder nicht darum geht, ein Für und Wider möglicher Lösungen aus unterschiedlichen Positionen heraus abzuwägen, es wieder nicht darum geht, einen möglichst breiten gesellschaftlichen Konsens zu finden. Stattdessen reden wir darüber, anhand welcher Kriterien wir Menschen nach Nützlichkeit und – ich sage das ganz deutlich – nach abgestufter Menschenwürde klassifizieren,
(Beatrix von Storch [AfD]: Das ist Schwachsinn!)
um daraus für uns abzuleiten, ob wir ihnen einen Platz in unserer Gesellschaft einräumen oder nicht. Und Ihre Kriterien lassen sich anhand dieses Antrags ganz einfach zusammenfassen: Menschen, die nicht aus Deutschland kommen und auf Startchancen angewiesen sind, gehören nicht dazu. – Sie legen damit einmal mehr klar und deutlich Ihr Menschenbild offen.
(Abg. Beatrix von Storch [AfD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)
– Nein, Frau von Storch, ich lasse Ihre Zwischenfrage nicht zu.
In ihrem Antrag schreiben Sie:
„Angesichts des hohen Kostendrucks in den sozialen Sicherungssystemen ist die Frage nach deren Stabilität eine wesentliche Zukunftsfrage.“
Und wissen Sie was? Da muss ich Ihnen sogar recht geben. Es ist seit vielen Jahren erkennbar, dass unsere Gesellschaft älter wird. Doch aktuelle Studien zeigen, dass sich die Altersstruktur in der Bevölkerung im letzten Jahrzehnt wieder etwas verjüngt hat, und das aus einem bestimmten Grund: der Einwanderung.
Sie wollen uns weismachen, dass unsere Sozialsysteme durch die Einwanderung überlastet sind. Dabei ist das genaue Gegenteil der Fall: Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zeigen, dass der Aufwuchs der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung 2022 zu rund 70 Prozent auf neue Arbeitsverhältnisse von Menschen mit Migrationsgeschichte zurückgeht,
(Beifall bei Abgeordneten der SPD)
und zwar vornehmlich auf Menschen aus den Herkunftsländern, die Sie problematisieren. Und in diese Zahlen sind noch nicht mal die vielen Selbstständigen mit Migrationsbiografie eingerechnet, die Arbeitsplätze in Deutschland schaffen, sichern und die Sozialkassen stärken. Haben Sie, Frau Schielke-Ziesing, vielleicht einfach mal geschaut, wer bei Ihnen die Abgeordnetenbüros säubert?
(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Lukas Köhler [FDP] und Dr. Petra Sitte [DIE LINKE])
Reden Sie eigentlich mit den großen und mittelständischen Firmen, den Bäckereien und den Handwerksbetrieben vor Ort? Hören Sie ihnen eigentlich zu, wenn diese Ihnen vielerorts bescheinigen, dass sie keine Stellen besetzt bekommen? Mich macht es, ehrlich gesagt, ratlos, wie man sich um der eigenen Ideologie willen so konsequent den Tatsachen verweigern kann.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)
Ihre Rezepte lassen jedenfalls keine der Herausforderungen kleiner werden, vor denen Firmen aufgrund des demografischen Wandels und bei der Unternehmensnachfolge stehen.
Irgendwie kann ich mich daher gerade dem alten Adenauer-Wort nicht entziehen, wenn ich Ihren Argumentationsstil so betrachte: „Wir leben alle unter dem gleichen Himmel, aber wir haben nicht alle den gleichen Horizont.“
(Beatrix von Storch [AfD]: Das unterschreibe ich!)
Sie reden über die Kosten, die Menschen in unseren Sozialsystemen verursachen. Ich möchte auf die realen Kosten hinweisen, die unsere Gesellschaft durch Ihre Politik und Ihre spalterische, rechte Mobilisierung tragen muss: Nicht nur untergräbt sie unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt, sie ist ein Antikonjunkturprogramm, gerade für Regionen, die im Strukturwandel stecken und nur durch eine offene, innovationsfreundliche und vielfaltsbejahende Haltung gewinnen können.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Götz Frömming [AfD]: Irgendeinen Sündenbock brauchen Sie ja!)
Während Sie sich damit beschäftigen, Menschen anhand ihrer Herkunft zu bewerten, ja, abzuwerten, finden wir konkrete Lösungen für reale Probleme: Wir haben eines der modernsten Fachkräfteeinwanderungsgesetze verabschiedet, das berufliche Perspektiven eröffnet. Wir haben das Gesetz zur Einführung eines Chancen-Aufenthaltsrechts beschlossen. Und mit einem starken Arbeitsmarkt werden wir auch unsere Sozialsysteme weiterentwickeln.
(Zuruf der Abg. Beatrix von Storch [AfD])
Wir stabilisieren die Rente, beziehen Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung ein und garantieren damit langfristig eine gute Alterssicherung.
(Dr. Götz Frömming [AfD]: 2 Millionen junge Menschen ohne Berufsabschluss! SPD-Bildungspolitik!)
Kollegen von rechts außen, Ihre andauernden Schaufensteranträge werden uns Demokratinnen und Demokraten in diesem Ringen nicht beirren.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Das Wort hat Dr. Markus Reichel für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7602071 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 129 |
Tagesordnungspunkt | Auswirkungen von Zuwanderung auf die Sozialsysteme |