Simone BorchardtCDU/CSU - Reform der Ausbildung der Physiotherapieberufe
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Physiotherapie ist echte und gelebte Hands-on-Medizin. Sie ist das Rückgrat einer flächendeckenden Heil- und Hilfsmittelversorgung. Doch wir stehen vor einer großen Herausforderung der immer komplexeren Versorgungsstrukturen. Multimorbide Krankheitsbilder werden auch künftig eine immer größere Rolle spielen. Um die Physiotherapie auch in Zukunft fitzumachen, braucht es klare Reformen und einen eindeutigen Willen zum Anpacken.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist dabei keine Frage, dass eine echte Reform lange überfällig ist, liebe Kollegen. 20 Jahre ist die letzte große Änderung durch das Berufszulassungsgesetz her. Das Masseur- und Physiotherapeutengesetz ist aus dem Jahr 1994. Sie sehen: Es besteht also dringender Handlungsbedarf.
Aus meiner Erfahrung in der Pflege kann ich sagen: Es gibt grundsätzliche Regelungen, die einfach nicht mehr zeitgemäß sind, wenn man den Fachkräftemangel bewältigen möchte. In den Pflegeberufen wird zum Beispiel explizit eine Schulgeldzuzahlung ausgeschlossen. Wir brauchen endlich eine bundeseinheitliche Ausbildungsvergütung, um auch so die wirtschaftliche Existenz der Auszubildenden zu gewährleisten.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Höchste Zeit, dies auch bei den Physiotherapeuten in der Ausbildung möglich zu machen und umzusetzen.
(Emmi Zeulner [CDU/CSU]: So ist es!)
Zeitgleich braucht es auch die akademische Komponente, um so mehr Therapeuten zu befähigen, dass sie selber Diagnosen stellen können und die neuesten Entwicklungen in der Forschung dabei berücksichtigen können. Meine Damen und Herren, Teilakademisierung bei den Physiotherapeuten, das sollten wir wirklich als Chance sehen. Zeitgleich warne ich vor einer Vollakademisierung. Wir dürfen nicht aus den Augen verlieren, dass die Versorgung der Patienten nicht im Hörsaal stattfindet, sondern letzten Endes draußen in den Praxen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der AfD)
Wir dürfen in dieser Debatte auch den Istzustand nicht vergessen. Sage und schreibe 60 Prozent der derzeitigen Auszubildenden wäre der Zugang bei einer vollständigen Akademisierung verwehrt oder erschwert. Deshalb dürfen wir keine zusätzlichen Hürden aufbauen, sondern müssen uns bei den Reformen auf die Stärken der Physiotherapie besinnen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Zur Wahrheit gehört auch, dass wir Angebote schaffen müssen, um ausgebildete Physiotherapeuten langfristig zu binden und zu motivieren. Wir als CDU/CSU-Bundestagsfraktion fordern deshalb neue und akademische Aufstiegsmöglichkeiten für Physiotherapeuten, in denen man sich kontinuierlich weiterentwickeln kann; denn das lebenslange Lernen hört nicht nach der Berufsausbildung und auch nicht nach dem Hörsaal auf.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn wir hochschulische Ausbildung fördern wollen, müssen wir auch überlegen, ob Maßnahmen, welche bisher nur von Ärzten wahrgenommen werden durften, in Zukunft auch von studierten Pflegekräften übernommen werden dürfen. Das heißt, wir müssen auch mehr Kompetenzen erlauben. Nur so schaffen wir einen echten Mehrwert und zeitgleich auch eine Entlastung für das Gesundheitssystem. Ich sage: Studierte Fachkräfte sollen und müssen mehr Verantwortung übernehmen, und wir dürfen und müssen ihnen auch mehr Kompetenzen übertragen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Die Wertschätzung der Leistung der Physiotherapeuten endet jedoch nicht mit der Ausbildung. Gängige Praxis ist es momentan, dass Unsummen für Zertifikate ausgegeben werden müssen, damit diese Leistung überhaupt bei der Krankenkasse abgerechnet werden kann. Das ist schlicht aus der Zeit gefallen und muss entstaubt werden. Das kann nicht sein!
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)
Deshalb, liebe Kollegen, sollte eine Reform auch die Inhalte der Ausbildung reformieren und in den Blick nehmen. Statt kostspieliger Zertifikate müssen damit verbundene Fähigkeiten zielgerichteter in der Ausbildung vermittelt werden. Wir brauchen eine klare Fokussierung auf die Spezialisierung, auf die Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten dieses Berufsstandes.
Aber warum sage ich Ihnen das? Selbst das BMG – das wurde schon gesagt – hat entsprechend einer Antwort der Bundesregierung vom 29. Dezember 2022 auf eine Kleine Anfrage der CDU/CSU-Fraktion festgestellt, dass der Vorschlag einer Teilakademisierung ein wirklich guter Vorschlag ist und durchaus im Interesse des BMG liegt. Dann frage ich mich bloß, liebe Kollegen der Ampel: Warum warten Sie über ein Jahr? Warum sind Sie bisher nicht dazu gekommen, irgendetwas umzusetzen?
(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Hendrik Hoppenstedt [CDU/CSU]: Genau!)
Was wir jetzt brauchen, sind echte Reformen, längst überfällige Reformen und der Anpackwille; den kann ich bei Ihnen zurzeit nicht erkennen.
(Dr. Johannes Fechner [SPD]: Ich kann Ihre Fraktion nicht erkennen! Wo sind die denn?)
Deshalb fordere ich Sie auf: Legen Sie uns unverzüglich einen Gesetzentwurf zur Reform der Ausbildung vor allem der Berufe im Bereich der Physiotherapie vor. Gehen Sie die Attraktivität und Weiterbildungsmöglichkeiten an, und schaffen Sie vor allen Dingen gemeinsam mit den Ländern eine Schulgeldfreiheit und faire Ausbildungsvergütungen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Abschließend erhält das Wort Tina Rudolph für die SPD-Fraktion.
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)
Quelle | Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen |
Quellenangabe | Deutscher Bundestag via Open Parliament TV |
Abgerufen von | http://dbtg.tv/fvid/7602175 |
Wahlperiode | 20 |
Sitzung | 130 |
Tagesordnungspunkt | Reform der Ausbildung der Physiotherapieberufe |