19.10.2023 | Deutscher Bundestag / 20. WP / Sitzung 131 / Tagesordnungspunkt 7

Dirk WieseSPD - Regierungserklärung zum Europäischen Rat

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Sehr geehrte Frau Präsidentin! Kolleginnen und Kollegen! Die Bürgerinnen und Bürger sind in vielen Gesprächen, die man im Wahlkreis führt, die man hier in Berlin führt, verunsichert.

(Martin Reichardt [AfD]: Die Sozialdemokratie ist wirklich am Ende!)

Die Kriege und Konflikte, die wir an vielen Stellen der Welt, aber auch bei uns in Europa sehen, verunsichern zutiefst. Es ist der fortwährende, brutal geführte russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Es ist auch die Situation in Bergkarabach, Armenien und Aserbaidschan, wo wir Sorge haben, dass sich dieser Konflikt möglicherweise auf Aserbaidschans Exklave Nachitschewan ausweiten kann; auch das dürfen wir nicht vergessen.

(Beifall des Abg. Dr. Dietmar Bartsch [DIE LINKE])

Es ist natürlich auch der Terrorakt, den wir am vorvergangenen Wochenende in Israel erlebt haben.

Ich bin dem Bundeskanzler ausdrücklich dankbar dafür, dass er in den letzten Tagen in Israel gewesen ist und vor Ort noch mal unsere uneingeschränkte Solidarität, die aus unserer Staatsräson resultiert, deutlich gemacht hat. Ich glaube, es ist in diesen Zeiten wichtig, dass wir unseren jüdischen Freunden hier in Deutschland ein klares Signal geben und sagen: Jüdisches Leben gehört zu diesem Land. Jüdisches Leben gehört seit 1 700 Jahren zu diesem Land. – Das ist in diesen Zeiten, wo wir diese schändlichen Demonstrationen auf unseren Straßen erleben, wichtiger denn je. Auch da müssen wir das klare Signal senden: Das ist eine Schande. Das darf hier nicht stattfinden.

(Beifall bei der SPD, der FDP und der LINKEN sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Bei der Demonstration gestern Nacht gab es 174 Festnahmen und 75 verletzte Beamtinnen und Beamte. Ich bin der Polizei ausdrücklich dankbar dafür, dass sie da momentan den Kopf hinhält und diesen Rechtsstaat auf den Straßen verteidigt. Darum mein Dank an die Polizei und gute Genesung den Kolleginnen und Kollegen, die da letzte Nacht verletzt worden sind!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP und des Abg. Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU])

Bei allem, was wir an fürchterlichen Bildern auf den Straßen sehen, will ich aber auch sagen: Es gibt auch viele, die momentan dagegen aufstehen, die ihr Wort erheben, die an der Seite Israels stehen, die aufstehen gegen Antisemitismus, die sich Gedanken machen. Ich habe das erst heute Morgen erfahren, als ich eine digitale Schalte hatte mit Schülerinnen und Schülern vom Berufskolleg am Eichholz bei mir im Sauerland, die sich seit drei Tagen mit der Frage beschäftigen: Wie kann man für mehr Toleranz sorgen, wie kann man den Kampf gegen Rassismus unterstützen, und wie kann man im Alltag gegen diese Geißel des Antisemitismus vorgehen? Das sind genau die Positivbeispiele aus der Gesellschaft heraus, die wir gerade brauchen. Denn bei diesem Kampf gegen Antisemitismus sind wir alle gefordert. Wir müssen ihn gemeinsam bekämpfen, damit das in unserem Land nicht passiert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Der Bundeskanzler hat es angesprochen: Die globalen Herausforderungen sind da, auch auf der Tagesordnung des Europäischen Rates: der fortwährende Kampf gegen den Klimawandel und, ja, die Herausforderungen für den Wirtschafts- und Industriestandort. Aber auch da will ich sagen, dass es richtig gewesen ist, dass die Bundesregierung in den letzten Monaten die Entscheidungen dafür getroffen hat – diese haben wir auch kritisch diskutiert –, dass wir gut durch den vergangenen Winter gekommen sind, und auch alle vorbeugenden Maßnahmen dafür getroffen hat, dass wir auch in diesem Winter Energiesicherheit haben. Dafür bin ich der Bundesregierung dankbar.

Es ist auch richtig, dass wir als Bundesregierung genau schauen – auch durch die Mitarbeit der Fraktionen –, wie wir diesen Industriestandort Deutschland sichern können, wie wir auch die energieintensive Industrie bei uns im Land sichern können. Das ist elementar wichtig, und das ist gerade für uns Sozialdemokraten wichtig. Dieser Industriestandort gehört zu diesem Land, er braucht Perspektive und Sicherheit, und dafür wollen wir auch in den kommenden Wochen sorgen.

(Beifall bei der SPD)

Es ist angesprochen worden: Die Wahlen in Polen sind ein sehr ermutigendes Signal für die europäische Zusammenarbeit und – ich will das sehr deutlich sagen – gerade auch für die Rechtsstaatlichkeit in Europa; darüber haben wir in den vergangenen Jahren an vielen Stellen mit unseren polnischen Nachbarn gestritten. Von daher ist das ein entscheidendes Signal, dass es vorangeht.

Denn – da komme ich auch gleich zu dem Punkt der Migration –: Europa ist ein Teil der Lösung bei vielen Herausforderungen, die wir momentan haben. Wir brauchen europäische Lösungen, weil wir als Nationalstaaten Herausforderungen oftmals nicht alleine bewältigen können. Diese Europäische Union – das will ich mit Blick auf die Europawahlen noch mal unterstreichen – ist ein Erfolgsmodell. Wir brauchen dieses Zusammenwirken in Europa. Das, was die AfD im Hinblick auf Europa macht, nämlich die Axt an die Europäische Union zu legen, die verantwortlich ist für den wirtschaftlichen Erfolg dieser Bundesrepublik,

(Martin Reichardt [AfD]: Welchen Erfolg denn?)

dazu kann ich nur ganz klar sagen: Wenn das umgesetzt wird, was Sie fordern, dann sind Sie nicht die Alternative für Deutschland, sondern die „Arbeitslosigkeit für Deutschland“. Europa ist die Lösung bei vielen Problemen, und dazu stehen wir als Ampelkoalition.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP – Martin Reichardt [AfD]: Das Problem in Deutschland ist eine unfähige Sozialdemokratie!)

Weil die Flüchtlingspolitik angesprochen worden ist: Der Bundeskanzler hat gerade gesagt – und ich begrüße es ausdrücklich –, was in der vergangenen Woche als Vorschläge auf den Tisch gekommen ist. Ich begrüße es auch ausdrücklich, dass am Freitag auch im Kanzleramt darüber gesprochen worden ist. Ich begrüße es, dass die Ministerpräsidenten, vorneweg Daniel Günther und Hendrik Wüst, mit dafür sorgen, dass wir gemeinsam im Hinblick auf die Ministerpräsidentenkonferenz das Signal aussenden, dass wir diese Herausforderung annehmen und dass wir wissen, dass wir sie auf allen Ebenen gemeinsam lösen müssen. Denn – Christian Dürr hat es angesprochen – es gibt nicht den einen Schalter, den man einmal betätigen muss, und plötzlich ist das Problem gelöst und die Situation im Griff.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Wer behauptet denn so was?)

Nein, da sind letztendlich alle Ebenen gefordert. Ich glaube, das ist entscheidend und wichtig.

Ja, es geht auf der einen Seite darum, Rückführungen hinzubekommen. Da sind jetzt wichtige Vorschläge vorgelegt worden, die aus meiner Sicht ausdrücklich in die richtige Richtung gehen. Aber genauso wichtig ist es letztendlich, den Blick darauf zu richten, dass wir die Menschen, die hier eine Bleibeperspektive haben, so schnell wie möglich in Arbeit kriegen, damit sie mit ihrer eigenen Hände Arbeit Geld verdienen. Dies nicht zu tun, könnten viele Bürgerinnen und Bürger draußen nicht nachvollziehen, und darum bin ich dankbar, dass die Vorschläge gemacht worden sind und wir diese jetzt angehen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

Zu guter Letzt will ich eines ganz deutlich sagen, weil es angesprochen worden ist: Ich freue mich ja, dass die CDU/CSU Fraktion „Liebe Freunde“-Briefe der SPD liest. Wir haben viele davon; wir könnten Ihnen die alle zukommen lassen.

(Stefan Müller [Erlangen] [CDU/CSU]: Kriegen wir schon! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Kriegen wir auch so!)

Was ich aber mit Blick auf die Zusammenarbeit deutlich machen will: Wir müssen dieses Problem lösen und diese Herausforderung gemeinsam hinkriegen. Wir sollten aber in der Debatte schon auf den Ton aufpassen.

(Thorsten Frei [CDU/CSU]: Oh! – Dr. Günter Krings [CDU/CSU]: Oh! – Dorothee Bär [CDU/CSU]: Das sagt derjenige, der den Brief geschrieben hat! Vorsicht an der Bahnsteigkante, Herr Kollege Wiese!)

Denn das, was in den vergangenen Wochen und Monaten in die Debatte teilweise an Schärfe und auch an Respektlosigkeit gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund gebracht worden ist, ist für uns als Sozialdemokraten nicht akzeptierbar, und das ist mit uns auch nicht machbar.

Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Katharina Dröge [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

Als Nächster hat das Wort für die CDU/CSU-Fraktion Stefan Müller.

(Beifall bei der CDU/CSU)


Daten
Quelle Deutscher Bundestag, Nutzungsbedingungen
Quellenangabe Deutscher Bundestag via Open Parliament TV
Abgerufen von http://dbtg.tv/fvid/7602222
Wahlperiode 20
Sitzung 131
Tagesordnungspunkt Regierungserklärung zum Europäischen Rat
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